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Arzt darf im Internet keine Fernbehandlung durchführen

OLG Köln, Urteil vom 10.08.2012, Az. 6 U 235/11


Arzt darf im Internet keine Fernbehandlung durchführen

Die fachärztliche Beratung in einem Internetportal verstößt gegen das Heilmittelwerbegesetz, wenn sie den Charakter einer Diagnose oder eines Therapievorschlages annimmt. Es ist nämlich als unzulässige Werbung für ärztliche Leistungen zu bewerten, wenn ein Arzt sich im Internet konkret diagnostisch oder mit Therapievorschlägen äußert, ohne den Patienten untersucht zu haben. Dies urteilte das OLG Köln im August 2012.

Im vor dem Oberlandesgericht verhandelten Fall ging es um eine Gynäkologin, die sich am Internetauftritt „Gesundheitsberatung.de“ beteiligt hatte. Der dieses Portal betreibende Verlag hatte dort eine Rubrik „Sie fragen – Experten antworten“ eingerichtet. Dort konnten Nutzer medizinische Fragen stellen, die von Fachleuten beantwortet wurden. Eine dieser Experten war die Beklagte. Im Internetportal wurde explizit darauf hingewiesen, dass die Antworten der Experten keinen Ersatz für eine persönliche ärztliche Beratung darstellten. Der „Verband Sozialer Wettbewerb in Berlin“, dessen Zweck es ist, gegen unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen, war dennoch gegen die inzwischen in Konkurs gegangene Betreiberin und gegen sechs Ärztinnen und Ärzte vorgegangen. In der ersten Instanz war die beklagte Ärztin zur Unterlassung verurteilt worden, da sie im Sinne des § 9 Heilmittelwerbegesetzes (HWG) für eine unerlaubte Fernbehandlung geworben habe. Dagegen war die Gynäkologin in Berufung gegangen. Sie begründete die Berufung unter anderem damit, dass keine Fernbehandlung vorliege, da sie in keinem Fall eine Diagnose gestellt oder eine Behandlung vorgeschlagen habe. Zudem sei sie in dem Internetportal nicht geschäftsmäßig tätig gewesen.

Vor dem Berufungsgericht hatte sie teilweise Erfolg, denn nicht alle vom Kläger beanstandeten Antworten wurden vom Gericht als Fernbehandlung gewertet. In seiner Begründung stellte das Gericht zuerst fest, dass die Beklagte durch ihre Antworten auf dem Internetportal eine geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vorgenommen habe. Das ist eine Voraussetzung, um wegen unzulässiger Werbung verurteilt werden zu können. Geschäftsmäßig handelte sie, da ihr Auftritt im Portal der Förderung des Absatzes von Dienstleistungen im Rahmen ihrer Tätigkeit als Ärztin diente. Zwar betrieb die Ärztin bislang keine eigene Praxis, sondern war nur als Vertretung in anderen Praxen tätig gewesen. Zugleich aber war sie gegen Honorar für den Betreiber des Portals tätig, hatte also durch die Beantwortung der Fragen ihre freiberufliche Tätigkeit gefördert.

Von den insgesamt zehn vom Kläger beanstandeten Portal-Antworten der Ärztin hielt das Gericht sieben für rechtswidrig, drei hingegen beurteilte die Berufungsinstanz jedoch im Gegensatz zum Landgericht nicht als Fernbehandlung. Voraussetzung für eine widerrechtliche Fernbehandlung war zuerst, dass Nutzer der Internetplattform Fragen stellen konnten, die das Ziel hatten, eine Diagnose oder einen Behandlungsvorschlag zu erreichen. Daraufhin musste der Experte sich individuell zum behandelten Patienten äußern, ohne dass diese Aussagen auf der eigenen Wahrnehmung des Arztes fußten. Dies sah das Gericht in sieben der zehn Fälle als gegeben. Die Ärztin hatte angegeben, sich nur allgemein geäußert zu haben. Beispielsweise hatte in einem Fall eine Jugendliche nach Wechselwirkungen bei der gemeinsamen Einnahme der Pille und eines Medikaments gegen Blasenentzündung gefragt. Die Ärztin hatte ihr daraufhin genaue Angaben zur weiteren Einnahme der Pille gemacht. Ohne „eigene Wahrnehmung“ durfte die Ärztin aber derartige Vorschläge nicht machen. Die eigene Wahrnehmung setzt eine individuelle Untersuchung des Patienten voraus, die bloße Schilderung der Beschwerden oder Probleme über das Medium Internet reicht dazu nicht aus. Der regelmäßige Hinweis, die im Portal gegebenen Informationen könnten keinen Arztbesuch ersetzen, hielt nach Ansicht des Gerichts die Patienten nicht davon ab, die Aussagen der Ärztin als Diagnose wahrzunehmen.

In den drei vom Gericht nicht als Fernbehandlung eingestuften Fällen hatte die Ärztin beispielweise lediglich zu einem Arztbesuch geraten. Da der Sinn des § 9 HWG darin liegt, den Patienten davon abzuhalten, sich mit einer Fernauskunft abzufinden, kann die Aufforderung einen Arzt aufzusuchen, nicht als Fernbehandlung eingestuft werden. Auch die Empfehlung einen Schwangerschaftstest durchzuführen, ist weder diagnostischer noch therapeutischer Natur. Dies gilt auch für die allgemeine Aussage, dass die Bildung eines Abszesses üblicherweise nicht die Folge einer Schwangerschaft sei.

Dass § 9 HWG die Werbung für eine Fernbehandlung untersagt und nicht die Fernbehandlung selbst – die Beklagte hatte dies eingewandt – war nach Auffassung des Gerichts zwar richtig. Bereits durch die Teilnahme am Internetauftritt lag aber Werbung für eine Fernbehandlung vor, da auf dieser Plattform tatsächlich eine Fernbehandlung stattgefunden hatte. Durch die Sichtbarkeit der Antworten für jeden Benutzer des Portals hatten diese Antworten auch einen werbenden Charakter.

OLG Köln, Urteil vom 10.08.2012, Az. 6 U 235/11


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