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Private Auktion bei eBay mit über 1200 Einzelverkäufen innerhalb von dreieinhalb Jahren

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.09.2010, Az. 1 K 3016/08


Private Auktion bei eBay mit über 1200 Einzelverkäufen innerhalb von dreieinhalb Jahren

Die Umsatzsteuer ist bei Privatverkäufen grundsätzlich nicht zu entrichten. Für Verkäufe auf eBay, die Privatpersonen durchführen, wurde deshalb für lange Zeit eine generelle Umsatzsteuerfreiheit angenommen. Dies ist seit einem Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg allerdings nicht mehr ganz so einfach zu bejahen. Das Gericht hatte ein Ehepaar für umsatzsteuerpflichtig erklärt, nachdem es über 1.000 Auktionen durchgeführt hatte (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.09.2010, Az. 1 K 3016/08).

Relevante Norm: § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG)
 
Sachverhalt
Streitgegenstand des Verfahrens war die Steuerpflichtigkeit eines Ehepaars. Die beiden Eheleute wurden in den Jahren 1939 und 1941 geboren und sind seit dem Jahr 1964 verheiratet. Sie wurden vom örtlichen Finanzamt zur Umsatzsteuer belangt, weil sie eine Vielzahl von Gebrauchsgegenständen im Internet verkauft hatten.

Das Paar verkaufte über mehrere Jahre hinweg eine ganze Reihe an Plüschtieren und Porzellanpuppen. Innerhalb von drei Jahren kam es so zu weit mehr als 1.000 Auktionen. Die Steuerfahndung ermittelte, dass die Eheleute die folgenden Beträge erwirtschafteten:
 
    · Im Jahr 2003: 28.825 €
    · Im Jahr 2004: 18.057 €
    · Im Jahr 2005: 30.101 €

Auf Grundlage dieser Beträge setzte das Finanzamt einen Steuerbescheid auf, in welchem die Eheleute zur Zahlung von Umsatzsteuer verpflichtet wurden. Die Eheleute, die im Verfahren als Kläger auftraten, machten hiergegen geltend, dass die fraglichen Verkäufe Vermögensumschichtungen seien und keine Gewinnerzielungsabsicht hinter den eBay-Geschäften stand.
 
Wer zu viel verkauft, der zahlt – Auszug aus den Gründen
Die Klage der Eheleute blieb indes erfolglos. Das Finanzgericht Baden-Württemberg, das über den Fall zu entscheiden hatte, schloss sich der Ansicht des Finanzamtes an. Nach Ansicht des Gerichts waren die Eheleute nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UStG umsatzsteuerpflichtig, weil sie Lieferungen und sonstige Leistungen als Unternehmer im Inland gegen Entgelt ausführten.

Insbesondere die Eigenschaft der Eheleute als „Unternehmer“ im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG begründete das Gericht mit der Anzahl und Größe der Auktionen. Das Vorgehen der Kläger sei von einer Größenordnung, die ein planvolles Vorgehen indiziere. Es sei deshalb gerechtfertigt, sie unter den Unternehmerbegriff des UStG zu subsumieren.

Genauer führten die Richterinnen und Richter aus, dass die Betätigung auf eBay einen erheblichen Organisationsaufwand bedarf, wenn – wie die Kläger – eine besonders große Anzahl von Auktionen durchgeführt wird. Bei mehr als 1.000 Auktionen innerhalb von drei Jahren sei die Schwelle zum bloß gelegentlichen Handeln, das nach einhelliger Auffassung umsatzsteuerfrei ist, definitiv überschritten. Der erhöhte Organisationsaufwand, der zur Begründung der Unternehmereigenschaft führt, wurde im vorliegenden Fall auch durch die Eigenschaft der Waren verstärkt, so das Finanzgericht. Denn die Kläger versandten zerbrechliche Gegenstände, die mit erhöhter Sorgsamkeit eingepackt und verschickt werden mussten. Als Beispiele führte das Gericht Puppen, Porzellanfiguren, Modellbauteile und Füllfederhalter an. Das Finanzgericht schätzte, dass die Kläger durchschnittlich eine Stunde am Tag mit der Abwicklung von Auktionen beschäftigt waren. Die Tätigkeit sei überdies auch nachhaltig gewesen.
 
Kommentar und Folgen für die Praxis
Das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg stellte ein Novum dar. Erstmalig wurden Privatleute für ihre Tätigkeiten zur Umsatzsteuer verpflichtet. Entsprechend unterschiedlich waren die Reaktionen auf die Entscheidung. Insbesondere die Einstufung der Kläger, die als Privatpersonen am Markt auftraten, wurde moniert. Schon begrifflich liege keine Unternehmereigenschaft vor, so die Kritiker. Andere betonten eine Gier des Staates.

Für die Praxis ergibt sich (ungeachtet der Kritik) der folgende Befund: Privatauktionen bleiben auch weiterhin grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Etwas anderes gilt nur, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Grenze zur Erheblichkeit überschritten wird. Wer über einen langen Zeitraum hinweg täglich eine Stunde mit Auktionen verbringt und einen hohen Geldbetrag erwirtschaftet, überschreitet die Erheblichkeitsschwelle und wird auch als Privatperson umsatzsteuerpflichtig. Bei 1.000 Auktionen in drei Jahren ist das anzunehmen.

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.09.2010, Az. 1 K 3016/08


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