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Gewerbliches Handeln und Unternehmereigenschaft

BGH, Urteil vom 29.03.2006, Aktenzeichen VIII ZR 173/05


Gewerbliches Handeln und Unternehmereigenschaft

Der Bundesgerichtshof hat in einem am 29.03.2006 zum Aktenzeichen VIII ZR 173/05 darüber entschieden, welche Voraussetzungen dazu führen, dass ein Verkäufer auch ohne Gewinnerzielungsabsicht als Unternehmer im Sinne der verbraucherrechtlichen Schutzbestimmungen anzusehen ist.

Ein Käufer hatte eine Pferdezüchterin mit eigenem Arabergestüt verklagt, weil ein von ihm bei der Beklagten erworbenes Pferd nach dem Kauf gesundheitliche Mängel zeigte. Dazu gehörte die beim Pferdekauf als Gewährsmangel anerkannte Ausbildung eines sogenannten Sommerexems. Der Kläger erklärte den Rücktritt vom Vertrag. Er machte seine Rechte als Verbraucher geltend und berief sich auf die Beweislastumkehrregelung des § 476 BGB. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift wäre gewesen, dass die Verkäuferin als Unternehmerin gemäß § 14 BGB gehandelt hätte. In diesem Falle wäre ein Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 BGB zustande gekommen.
Die Beklagte wies die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche zurück. Sie vertrat die Ansicht, dass sie nicht als Unternehmerin aufgetreten sei, weil sie mit dem Verkauf der von ihr gezüchteten Pferde keinen Gewinn erzielen wolle. Es gehe ihr vielmehr ausschließlich darum, die durch den Betrieb des Gestütes regelmäßig verursachten erheblichen Kosten etwas abzumildern, indem sie gelegentlich ein Tier aus eigener Zucht verkaufe. Auch aus der Decktätigkeit ihrer Hengste könne und wolle sie keinen Gewinn erzielen sondern den längerfristigen Fortbestand ihres als Hobby betriebenen Gestütes sichern.

Der Kläger reichte beim zuständigen Landgericht Klage ein. Er beantragte, die Beklagte zu verurteilen, ihm gegen Rückgabe des gekauften Pferdes den Kaufpreis und im Einzelnen bezifferte Auslagen zu erstatten. Darüber hinaus beanspruchte er von den Richtern die Feststellung, dass sich die Beklagte seit der Aufforderung zur Rückabwicklung des Vertrages ihm gegenüber in Annahmeverzug befinde. In erster Instanz war der Antrag des Klägers erfolgreich. Auf die gegen das Urteil von der Beklagten eingereichte Berufung hin hob das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil vollständig auf und wies die Klage ab. Der Kläger legte gegen das Berufungsurteil Revision beim Bundesgerichtshof ein und beantragte, das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.
Die Richter des VIII. Senats am Bundesgerichtshof hoben die Entscheidung, die das Oberlandesgericht als Berufungsgericht getroffen hatte, zwar auf, entschieden jedoch im Ergebnis nicht über die geltend gemachten Ansprüche. Weil noch tatsächliche Ermittlungen notwendig wären, wurde der Rechtsstreit stattdessen an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof führte in seinen Entscheidungsgründen aus, das die Beklagte als Unternehmerin im Sinne der verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 474 ff BGB anzusehen sei. Unbestritten blieb, dass die Beklagte über einen längeren Zeitraum planmäßig sowohl Pferde aus eigener Zucht verkaufte als auch Gebühren für die Decktätigkeit der auf ihrem Gestüt stationierten Hengste erhob. Für derartige entgeltliche Leistungen warb sie unter dem Namen ihres Gestütes auch in der Fachpresse. Der Pferdeverkauf war also keineswegs ein einmaliges, auf besonderen Umständen beruhendes Geschäft einer Privatperson mit einer anderen Privatperson.

Die zielgerichtete Absicht, Gewinn zu erzielen, gehört nicht zwingend zu den Voraussetzungen des zivilrechtlichen Unternehmerbegriffes. Anders als im Bereich des Handelsrechts reicht die organisierte und fortdauernde Handlungsweise auch ohne Gewinnerzielungsabsicht aus, um die Vorschriften, die den Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern vor Benachteiligung schützen sollen, anwendbar werden zu lassen. Die Abweichung des im BGB verwendeten Unternehmerbegriffs vom Begriff des Kaufmanns im Handelsrecht ist durch Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Unternehmerbegriff im Rahmen des Verbraucherkreditgesetzes bekannt und gilt auch für den Bereich des Verbrauchsgüterkaufrechts. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ergibt sich danach nicht aus der Tatsache, dass sein Geschäftspartner auf Gewinn aus ist, sondern daraus, dass dieser sich aufgrund seiner planmäßigen und routinierten Geschäftstätigkeit in einer vorteilhafteren Position befindet.

In der Sache hat der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit trotz grundsätzlicher Bejahung der Unternehmereigenschaften bei der Beklagten an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, weil die Richter es für notwendig hielten, weitere tatbestandlicher Feststellungen zur Frage, ob das streitgegenständliche Pferd bereits bei Vertragsabschluss mit der später ausgebrochenen Allergie belastet war, zu treffen.

BGH, Urteil vom 29.03.2006, Aktenzeichen VIII ZR 173/05


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