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Zur Durchsetzung eines Anspruches gegenüber einem Datenschutzbeauftragten

Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 07.10.2019, Az. 5 Bf 279/17


Zur Durchsetzung eines Anspruches gegenüber einem Datenschutzbeauftragten

Das Oberverwaltungsgericht Hamburg entschied am 07.10.2019, dass über den Verwaltungsrechtsweg gegen einen Beschluss der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde vorgegangen werden könne. Zudem sei der Hamburger Beauftragte als nationale Aufsichtsbehörde für datenschutzrechtliche Verstöße von Google zuständig. Ein Akteneinsichtsrecht ist nicht ausdrücklich in der DSGVO geregelt. Es besteht aber ein Auskunftsanspruch über sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten. Dies gilt auch für Papierakten mit Informationen zu einer Zeit vor Inkrafttreten der DSGVO.

Welche Möglichkeiten gibt es?
Der Kläger begehrte das Einschreiten des Hamburger Datenschutzbeauftragten gegen Google aufgrund bestimmter Suchergebnisse. Bei der Namenseingabe des Klägers wurde als erstgenannter Link der Kläger unter der Rubrik „Nazis überregional" namentlich genannt. Außerdem wurde auf einen den Kläger tangierenden Bericht verlinkt. Im Jahre 2015 stellte der Kläger daher über seinen Anwalt einen Löschantrag bei Google. Die Behauptung, er sei Nazi stelle eine strafbare Beleidigung dar. Ferner werde sowohl sein ehemaliger als auch sein neuer Wohnort genannt. Dies stelle eine massive Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts dar. Google lehnte die Löschung ab. Aufgrund dessen wandte sich der Kläger an den beklagten Datenschutzbeauftragten und forderte ihn auf, die in Hamburg liegende Niederlassung Google Deutschland GmbH zur umgehenden Entfernung der Suchergebnisse aufzufordern. Die Beklagte sah keine Handhabe für die Anordnung einer derartigen Maßnahme, da seines Erachtens das öffentliche Informationsinteresse überwiege. Hiergegen ging der Kläger vor. Die 1. Instanz lehnte das Klagebegehren ab, weswegen der Kläger in Berufung ging.

Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zählt
Das Oberverwaltungsgericht Hamburg entschied, dass die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) heranzuziehen seien. Zwar sei Gegenstand des Verfahrens eine ablehnende Entscheidung aus dem Jahr 2016. Allerdings entspreche es ständiger Rechtsprechung, dass bei der Entscheidung über Verpflichtungs- und Bescheidungsklagen grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich sei. Dies gelte auch vorliegend. Denn Kernbereich der Beurteilung sei die Prüfung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale eines möglichen Löschungsanspruchs. Daher komme es für das Bestehen des datenschutzrechtlichen Anspruchs auf die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehende Sach- und Rechtslage an.

Datenschutzbeauftragter in Deutschland ist zuständig
Der Beklagte sei auch passivlegitimiert, so das OVG. Google betreibe eine Niederlassung in der EU und falle daher unter die Regelungen der DSGVO. Dabei könne offenbleiben, ob Google über eine Hauptniederlassung in der Europäischen Union verfüge. Grundsätzlich sei nämlich zuständige Aufsichtsbehörde für grenzüberschreitende Datenverarbeitung die Behörde der Hauptniederlassung oder irgendeiner Niederlassung. Daher komme hier die Behörde der Hauptniederlassung der Tochterfirma Google Ireland Ltd. in Betracht. Es sei aber auch jede andere Aufsichtsbehörde zuständig, soweit bei ihr Datenschutzbeschwerde eingereicht werde. Einzige Voraussetzung sei, dass die Beschwerde mit der Niederlassung in dem jeweiligen Mitgliedstaat zusammenhängt oder Personen aus diesem Mitgliedstaat datenschutzrechtlich beeinträchtigt seien. Selbst bei fehlender Hauptniederlassung in der EU würde somit die Zuständigkeit des Beklagten bestehen. Denn es könne davon ausgegangen werden, dass die zuständige irische Aufsichtsbehörde auf ein eigenes Tätigwerden verzichtet und es dem Beklagten zur Entscheidung übertragen hätte.

Hamburger Datenschutzbeauftragter ist zuständig
Unabhängig davon sei der Beklagte ohnehin die zuständige nationale Aufsichtsbehörde, so das Gericht weiter. Seine Zuständigkeit ergebe sich hier aus der Anknüpfung an die in Hamburg ansässige Google Germany GmbH. Dabei handele es sich um eine Niederlassung von Google. Unschädlich sei insoweit, dass Google über weitere Standorte in München und Berlin verfüge. Denn der Sitz des Unternehmens liege in Hamburg und dieser Standort sei auch nach Aussage von Google als inländische Hauptniederlassung anzusehen.

Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet
Das OVG Hamburg entschied, dass vieles für die Anspruchsdurchsetzung auf dem Verwaltungsrechtsweg spreche. Zwar seien bislang noch keine gerichtlichen Entscheidungen ergangen, die sich mit der Frage der Rechtsschutzmöglichkeit eines Beschwerdeführers nach der DSGVO vertieft auseinandergesetzt hätten. Die Auslegung der Erwägungsgründe zur DSGVO spreche jedoch dafür. Die Ablehnung einer Beschwerde durch die Aufsichtsbehörde sei danach ein rechtsverbindlicher Beschluss, gegen den per gerichtlichen Rechtsbehelf vorgegangen werden könne. Denn jeder solle die Möglichkeit haben, wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, wenn er sich in seinen Rechten aus der DSGVO verletzt sehe. Zudem solle jeder das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf haben, wenn der Beschluss einer Aufsichtsbehörde gegenüber der Person Rechtswirkung entfalte.

Besonders geschützte Kategorie von Daten betroffen
Das Gericht befand, dass die Datenverarbeitung grundsätzlich unrechtmäßig erfolgt sei. Denn der Kläger sei in der besonders geschützten Datenkategorie der politischen Meinung betroffen. Eine Datenverarbeitung die u.a. die politische Meinung betreffe, sei grundsätzlich untersagt. Davon seien parteipolitische Überzeugungen und Äußerungen umfasst, genauso wie die Mitgliedschaft in einer Partei oder die Ablehnung eines bestimmten Politikers. Ob Angaben über die Teilnahme an einer politischen Veranstaltung Rückschlüsse auf die jeweilige politische Meinung erlauben, hänge vom Kontext ab. Dies sei bei der Teilnahme an einer Demonstration eher der Fall als etwa beim Besuch einer Wahlkampfveranstaltung der Bundeskanzlerin. Allerdings lasse der in Rede stehende Suchtreffer den Schluss zu, dass der Kläger mindestens Sympathisant einer rechtsgerichteten Vereinigung sei oder war.

Meinungsäußerungsfreiheit gilt auch für Blogger oder in sozialen Medien
Das OVG entschied, dass das Löschungsrecht aus der DSGVO nicht gelte, wenn die Datenverarbeitung für die freie Meinungsäußerung und Information erforderlich sei. Damit solle gewährleistet werden, dass die freie Meinungsäußerung und Information nicht unter Berufung auf den Datenschutz ausgehebelt werden könne. Die Ausnahme sei auch nicht auf Journalismus oder professionelle Medien beschränkt. Sie erfasse vielmehr auch Meinungsäußerungen im nicht-professionellen Bereich, etwa von (Gelegenheits-)Bloggern oder in sozialen Medien. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten insbesondere im Internet meinungswirksame und demokratierelevante Äußerungen auch ohne großen technischen Aufwand möglich seien.

Meinungsfreiheit überwiegt
Allerdings dürfe nicht von einer pauschalen Privilegierung zugunsten der Meinungs- und Informationsfreiheit ausgegangen werden, so das OVG weiter. Vielmehr sei eine Abwägung zwischen den Interessen des Betroffenen an der Löschung der Daten gegenüber dem Interesse von Google an der Verarbeitung dieser Daten vorzunehmen. Denn eine Regelung, die der Meinungs- und Informationsfreiheit absoluten Vorrang vor dem Datenschutz geben würde, wäre nicht mit der Grundrechtecharta vereinbar. Außerdem sei ein Suchmaschinenbetreiber in aller Regel nur mittelbarer Störer. Denn er mache sich nur in Ausnahmefällen die angezeigten Ergebnisse zu Eigen. Vom Betreiber könne keine regelmäßige Prüfung auf Rechtmäßigkeit der von seinem Suchprogramm aufgefundenen Inhalte verlangt werden. Eine derartige Verpflichtung stehe Aufgabe und Funktionsweise einer Suchmaschine entgegen. Der Zugriff einer Suchmaschine auf andere Internetseiten erfolge in einem automatisierten Verfahren unter Einsatz von Computerprogrammen. Diese können nicht unterscheiden, ob der aufgefundene Beitrag eine Persönlichkeitsrechtsverletzung beinhalte.

Keine falschen Tatsachen oder Schmähkritik
Nach Ansicht des Gerichts überwog vorliegend die Meinungs- und Informationsfreiheit gegenüber dem Schutzinteresse des Klägers an seinen sensiblen Daten. Zum einen habe sich der Kläger nie darauf berufen, nicht über Verbindungen in die rechte Szene zu verfügen oder sich zwischenzeitlich von dieser distanziert zu haben. Er habe lediglich geltend gemacht, in seiner Freizeit an Veranstaltungen teilgenommen zu haben, die er weder organisiert noch geleitet habe. Er habe aber nicht in Zweifel gezogen, dass die Darstellung einen wahren Bezug zu tatsächlichen Vorkommnissen aufweise. Somit ergebe sich für Google keine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Vielmehr ergebe sich kein Fall eines „auf der Hand liegenden“ Rechtsverstoßes. Der im Suchergebnis verlinkten Seite könne kein Gewaltaufruf entnommen werden. Es handele sich lediglich um eine „Antifa“-Seite, die Kritik an rechtsextremen Aktivitäten beinhalte. Auch sei nicht davon auszugehen, dass das Informationsinteresse bereits durch Zeitablauf erloschen sei. Denn grundsätzlich sei auch das Interesse geschützt, sich über länger zurückliegende Vorgänge zu informieren. Die Antifa-Seite beinhalte auch keinerlei Hassrede oder Schmähkritik. Auch sei nicht ersichtlich, dass die behaupteten Tatsachen einen Persönlichkeitsschaden anzurichten drohen, der außer Verhältnis zur Verbreitung von Informationen und Meinungsäußerungen stehe. Aus dem Klägervortrag ergebe sich – bis auf eine nachteilige Auslegung seiner politischen Aktivitäten – kein konkreter Hinweis auf eine besondere Stigmatisierung im Sinne einer sozialen Ausgrenzung und Isolation.

Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 07.10.2019, Az. 5 Bf 279/17


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