Werbender muss DSGVO-Einwilligung nachweisen
Mit Urteil vom 13.09.2018, Az. 2-03 O 283/18 entschied das Landgericht Frankfurt am Main, dass ein Friseursalon gegen das Kunsturhebergesetz sowie die Datenschutzgrundverordnung verstoße, wenn dessen Kunden bei der Behandlung fotografiert und gefilmt werden und die Aufnahmen auf der Facebook-Fanpage des Salons gepostet werden, ohne dass der Kunde seine Einwilligung hierzu erteilt hat. Daher komme dem Kunden für einen solchen Fall ein Unterlassungsanspruch infolge einer Persönlichkeitsverletzung zu.
Fotos und Videoaufnahme während Friseurbesuch
Grund für den Rechtsstreit war ein von der Verfügungsbeklagten veröffentlichtes Video, auf dem die Verfügungsklägerin klar und eindeutig erkennbar zu sehen war. Diese Aufnahme entstand im Rahmen eines Besuchs im Friseursalon der Verfügungsbeklagten, bei welchem die Verfügungsklägerin eine Haarverlängerung vornehmen ließ. Ein der Verfügungsklägerin unbekannter Mann fotografierte und filmte sie zeitweise heimlich und unbemerkt während der Behandlung. Sowohl die entstandenen Bilder als auch das Video wurden anschließend auf der Facebook-Fanpage des Friseurgeschäfts hochgeladen.
Erwirkung einer einstweiligen Verfügung
Mit einer derartigen Veröffentlichung war die Kundin allerdings nicht einverstanden. Sie brachte vor, dass sie zu keinem Zeitpunkt auf etwaige Foto- und oder Filmaufnahmen hingewiesen worden sei. Bei dem Termin habe es sich auch nicht um einen die Vorkommnisse rechtfertigbaren „Haarmodell“-Termin gehandelt. Daher forderte sie die Inhaberin des Salons persönlich auf, die Lichtbilder und das Video von der Plattform zu nehmen. Infolgedessen entfernte die Verfügungsbeklagte aber lediglich die geposteten Bilder von der Facebook-Seite, wohingegen das aufgenommene Video online blieb. Da das Video trotz eines anwaltlichen Schreibens im weiteren Verlauf nicht gelöscht wurde, leitete die Verfügungsklägerin rechtliche Schritte ein und erwirkte vor dem Landgericht Frankfurt am Main eine einstweilige Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte, wonach dieser die Verwendung der Bilder sowie die Veröffentlichung der Filmaufnahme untersagt wurde. Gegen den Beschluss des Gerichts legte die Verfügungsbeklagte jedoch Widerspruch, sodass sich dieses erneut mit der Sache zu beschäftigen hatte.
Sind Foto- und Filmaufnahmen zulässig?
Die Verfügungsbeklagte brachte vor, dass in ihrem Friseursalon regelmäßig Fotos und Videos von Kundenbehandlungen angefertigt werden. Dies geschehe, um die Vorgänge und Ergebnisse im Bereich der unterschiedlichsten Frisurentechniken an dafür vorgesehenen Haarmodellen zu dokumentieren. Die dabei getätigten Aufnahmen würden im Nachgang zu Werbezwecken auf Facebook gepostet werden. Nach den Ausführungen der Saloninhaberin habe diese die Verfügungsklägerin am besagten Tag vor Ort selbst und in Anwesenheit zweier Angestellter konkret auf die Durchführung von Videomitschnitten ihrer Behandlung zum Zwecke der Publizierung aufmerksam gemacht. In diesem Rahmen habe jene signalisiert, dass sie hiergegen nichts einzuwenden hat. Sie habe mithin ausdrücklich in die gegenständliche Videoaufnahme sowie deren Veröffentlichung eingewilligt. Hilfsweise behauptete die Verfügungsbeklagte zumindest eine stillschweigende Zustimmung seitens der Verfügungsklägerin.
Video muss gelöscht werden
Diese Auffassung teilte das Landgericht Frankfurt am Main hingegen nicht. Vielmehr bestätigte sie die im Vorfeld erlassene einstweilige Verfügung der Kammer. Der Verfügungsklägerin stehe ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich einer weiter stattfindenden Veröffentlichung des in Rede stehenden Videos zu. Ein solcher Anspruch ergebe sich aus §§ 823, 1004 BGB, 22 f. KUG bzw. Art. 6 Abs. 1 DSGVO jeweils in Verbindung mit Art. 79 Abs. 1, 85 DSGVO. Dabei könne dahinstehen, ob die §§ 22, 23 KUG als Normen im Sinne von Art. 85 Abs. 1 DSGVO weiter gelten oder durch die Verordnung verdrängt werden. Grund hierfür sei laut Gericht, dass die Veröffentlichung sowohl unter dem Gesichtspunkt der §§ 22, 23 KUG als auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 lit. a), f), 7 DSGVO rechtswidrig erfolgt sei.
Anspruch nach dem Kunsturhebergesetz
Mit Blick auf §§ 22, 23 KUG stellte das Landgericht zunächst fest, dass es sich bei der strittigen Filmaufnahme um ein Bildnis im Sinne von § 22 KUG handelt. Diese wurde durch den Upload auf der öffentlich zugänglichen Fanpage bei Facebook auch verbreitet. Schwieriger zu beurteilen war für das Gericht hingegen, ob hinsichtlich der Aufnahme und des Online-Stellens auch eine Einwilligung der Verfügungsklägerin vorlag. Grundsätzlich hätte nur eine solche die Aktivitäten der Verfügungsbeklagten rechtfertigen können. Diesbezüglich sei die Verfügungsbeklagte darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastet gewesen. Sie hätte also zur Überzeugung der Kammer glaubhaft machen müssen, dass die Verfügungsklägerin in die Aufnahme und Verbreitung des Videos eingewilligt hat. Die Erfüllung dieser Pflicht konnte das Gericht allerdings nicht ausmachen. Es seien weder die in dem Zusammenhang mit dem angeblich im Friseursalon erfolgten Hinweis benannten Zeuginnen noch die Verfügungsbeklagte selbst in der mündlichen Verhandlung anwesend gewesen. Andere Glaubhaftmachungsmittel seien ebenso nicht eingereicht worden. Darüber hinaus greife auch nicht die Ausnahme des § 23 Abs. 2 KUG, welche eine Einwilligung entbehrlich erscheinen lasse. Es handele sich bei dem Video nämlich offensichtlich nicht um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG).
Anspruch nach der DSGVO
Daneben verkörpere die Filmaufnahme personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Die Verfügungsklägerin sei dadurch schließlich identifizierbar. Aufgrund des gewerblichen Kontextes und der Verbreitung des Videos im Internet sei zugunsten der Verfügungsbeklagten auch nicht die Haushaltsausnahme des Art. 2 Abs. 2 lit. c) DSGVO einschlägig. Im Weiteren seien jene Daten auch verarbeitet worden, Art. 4 Nr. 2 DSGVO.
Einwilligung nicht glaubhaft vorgetragen
In Parallelität zum Kunsturhebergesetz wäre auch unter dem Aspekt der DSGVO für eine Veröffentlichung solcher Daten eine Einwilligung gemäß Art. 7 Abs. 1 DSGVO nötig gewesen. Eine solche sei im Streitfall aber von der Verfügungsbeklagten nicht glaubhaft vorgetragen worden. In der hilfsweise für sich beanspruchten konkludenten Einwilligung sah das Gericht eine grundsätzliche Widersprüchlichkeit zu der vorherigen Behauptung der Verfügungsbeklagten, dass eine ausdrückliche Einwilligung vorliege. Der Argumentation könne mithin nicht gefolgt werden.
Keine Rechtfertigung durch Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO
Außerdem sei die Verarbeitung des Videos in Form der Verbreitung im Internet nach der Ansicht des Landgerichts auch nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO gerechtfertigt. Nach dieser Norm sei eine Verarbeitung ohne Einwilligung ausnahmsweise dann zulässig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich sei, sofern nicht die Interessen, Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Personen, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Nach den Ausführungen des Gerichts habe im Streitfall allerdings das Interesse der Verfügungsklägerin an der Unterlassung der besagten Verarbeitung mehr Gewicht als das Veröffentlichungsinteresse der Gegenseite. Dieser Betrachtung vorgelagert könnte aber schon fraglich sein, ob die Werbung der Verfügungsbeklagten unter Verwendung bildlicher Aufnahmen von Kunden überhaupt erforderlich im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO sei. Jedoch wurde diese Frage vom Gericht aufgrund der jedenfalls zugunsten der Verfügungsklägerin ausfallenden Abwägung nicht geklärt. Im Weiteren hielt die Kammer fest, dass es bereits den vernünftigen Erwartungen eines Kunden widerspreche, seinen Friseurbesuch aufzuzeichnen und zur Bewerbung im Internet zu gebrauchen.
Wiederholungsgefahr und Dringlichkeit
Zuletzt wurde vom Landgericht auch die Wiederholungsgefahr sowie die Dringlichkeit der begehrten Unterlassung bejaht. Ohne den Erlass einer einstweiligen Verfügung wäre das Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin für einen nicht unerheblichen Zeitraum gravierend beeinträchtigt worden.
Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 13.09.2018, Az. 2-03 O 283/18
von Sabrina Schmidbaur