Vollstreckung einer Auskunftspflicht nach DS-GVO
Die Betreiberin eines Erotik-Nachtclubs weigerte sich auch nach mehrfacher Aufforderung durch den Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz, einige Fragen zum Betrieb von Überwachungskameras in seinem Etablissement zu beantworten. Das Verwaltungsgericht Mainz hielt es hier für angemessen, dass ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro verhängt wurde.
Strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Kameraüberwachung
Das betroffene Tanzlokal bietet neben erotischen Tanzvorführungen auch andere sexuelle Dienstleistungen an. Sowohl an der Außenfassade als auch im Innenraum und den Separees waren Videokameras zur Überwachung installiert. Bei der Staatsanwaltschaft lief gegen die Nachtclub-Betreiberin ein Ermittlungsverfahren wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. In diesem Rahmen wendete sich der Landesdatenschutzbeauftragte an die Betreiberin und forderte sie zur Auskunft in Form eines Fragenkataloges auf. Die Fragen bezogen sich vor allem auf den Umfang der eingesetzten Videoüberwachungsanlagen. Die Betreiberin reagierte innerhalb der gesetzten Frist nicht. Mit einem weiteren Schreiben des Landesdatenschutzbeauftragten wurde die Lokal-Betreiberin erneut zur Beantwortung der Fragen aufgefordert. Auch hierzu erfolgte keine Antwort. Auch ein weiteres Schreiben mit Fristsetzung blieb ohne Rückmeldung.
Keine Reaktion auf mehrfache Aufforderung zur Auskunftserteilung
Daraufhin forderte der Landesdatenschutzbeauftragte die Betreiberin per Bescheid zur Auskunftserteilung innerhalb eines Monats auf und drohte zudem ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro an. Das Schreiben enthielt auch einen Hinweis auf die Möglichkeit der Klageerhebung. Erst am Tag des Fristendes erfolgte eine Stellungnahme durch den Anwalt der Nachtclub-Betreiberin: „Die Kameras, die den öffentlichen Raum erfassen, sind derzeit nicht in Betrieb“. Die Kameras würden bald entfernt werden. Ausführungen zum Innenraum des Lokals wurden nicht gemacht. Ein weiterer Hinweis des Landesbeauftragten, dass die Staatsanwaltschaft Informationen zu den Kameras im Innenraum benötige und der Fragenkatalog beantwortet werden müsse, blieb erfolglos. Daraufhin folgte am 14. Juni 2018 per Bescheid die Aufforderung zur Auskunft nach Art. 58 Abs. 1 lit. 1 DSGVO. Die Frist wurde auf den 29. Juni 2018 gesetzt. Für die Nichterteilung der Auskunft wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro angedroht. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde wieder auf die Möglichkeit der Klage hingewiesen. Der Anwalt der Nachtclub-Betreiberin legte Widerspruch ein und rügte, dass die Frist zu kurz sei. Der Landesbeauftragte erwiderte darauf, dass ein Widerspruch unzulässig sei und eine letzte Frist bis 10. Juli 2018 gesetzt werde.
Klagebegründung der Nachtclub-Betreiberin lief ins Leere
Dennoch bat die Nachtclub-Betreiberin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter erneut um Fristverlängerung. Nun setzte der Landesdatenschutzbeauftragte per Bescheid das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro fest. Erst jetzt erhob die Gegenseite Klage. Jedoch lautete die Klagebegründung nur, dass es keinen Grund für ein Zwangsgeld gäbe. Sie habe die Außenkameras entfernt. Für die Kameras im Innenbereich gäbe es Hinweisschilder. Die Räume müssten aufgrund wiederholter strafrechtlich relevanter Handlungen in der Vergangenheit überwacht werden, was rechtlich in Ordnung wäre. Die Daten würden nach kurzer Zeit wieder gelöscht. Der nun beklagte Landesdatenschutzbeauftragte verteidigte sich mit dem Hinweis darauf, die Klägerin sei wiederholten Aufforderungen zur pflichtgemäßen Auskunftserteilung nicht nachgekommen. Die Klagebegründung der Klägerin gehe fehl, da sie sich nur auf die Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung beziehe. Die Einwendungen würden sich gar nicht gegen das Vollstreckungsverfahren richten. Im Übrigen seien die Bescheide bestandskräftig. Das Verwaltungsgericht Mainz hielt die Klage zwar für zulässig, die Festsetzung des Zwangsgeldes sei jedoch rechtmäßig und die Klage somit unbegründet.
Androhung des Zwangsgeldes trotz zu kurzer Frist wirksam
Zunächst stellte das Verwaltungsgericht fest, dass Verwaltungsakte, die auf Herausgabe einer Sache oder auf eine Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet sind, durch Anwendung von Zwangsmitteln vollstreckt werden können (§ 61 Abs. 1 LVwVG). Allerdings habe der Beklagte in dem Bescheid vom 14. Juni 2018, in dem er die Festsetzung des Zwangsgeldes androhte, keine angemessene Frist gesetzt. Daher wäre die Zwangsgeldandrohung an sich rechtswidrig gewesen. Sie sei aber wirksam und bestandskräftig geworden. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin mehrfach zur Auskunftserteilung aufgefordert wurde, könne der Bescheid nicht als nichtig betrachtet werden. Die Aufforderung zur Auskunftserteilung per Bescheid sei ein bestandskräftiger Grundverwaltungsakt. Und spätestens mit der Bestandskraft dieses Grundverwaltungsaktes habe die Klägerin erkennen müssen, dass sie nun die darin enthaltene Verpflichtung erfüllen müsse. Daher sei eine zu kurze Androhungsfrist kein derart erheblicher Fehler, dass die Androhung nichtig erscheine. Die Festsetzung des Zwangsgeldes sei also formell rechtmäßig erfolgt.
Klägerin verfehlte den Streitgegenstand – es ging nicht um die Kameras
Vor allem aber sei die Festsetzung auch materiell rechtmäßig. Der Bescheid vom 14. Juni 2018 sei vollstreckbar gewesen, da er im Zeitpunkt der Festsetzung des Zwangsgeldes unanfechtbar gewesen sei. Der Widerspruch der Klägerin sei unstatthaft gewesen. An dieser Stelle wäre eine Klage erforderlich gewesen – was trotz Rechtsbehelfsbelehrung nicht erfolgt ist. Ob der Bescheid rechtmäßig ist oder nicht, müsse das Verwaltungsgericht nicht prüfen. Vorliegend gehe es nur um die Überprüfung der Vollstreckungsmaßnahme. Die Klägerin hätte eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen den Grundverwaltungsakt gehabt und hätte darin ihre Einwände gegen die Auskunftsverpflichtung vortragen können. Allerdings dürften hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Auskunftsverpflichtung keine Bedenken bestehen. Der Beklagte sei als Aufsichtsbehörde im Sinne von Art. 58 DS-GVO zuständig gewesen. Er habe einen Auskunftsanspruch gegen die datenschutzrechtlich verantwortliche Klägerin. Es stehe im Ermessen des Beklagten, die Auskunftsverpflichtung der Klägerin durch Verwaltungsakt zu konkretisieren und im Wege des Verwaltungszwanges durchzusetzen.
Art und Höhe des Zwangsmittels seien verhältnismäßig
Auch die Auswahl des Zwangsmittels sei bedenkenlos. Sogar zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung habe die Klägerin den Fragebogen noch nicht vollständig beantwortet gehabt. Es genüge nicht, dass die Klägerin die zwischenzeitliche Außerbetriebnahme der Kameras behauptet. Die Auskünfte müsse sie dennoch erteilen. Auch die Höhe des Zwangsgeldes liege bei einem Spielraum zwischen fünf und fünfzigtausend Euro im Ermessen der Behörden. Bei der Bemessung seien einerseits die wirtschaftlichen Vorteile, die mit der Nichtbefolgung des Verwaltungsaktes verbunden sind zu berücksichtigen, andererseits müsse das Zwangsmittel in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck stehen. Diese Grenzen habe der Beklagte eingehalten. Das Zwangsgeld sei geeignet, die Klägerin zur Erfüllung ihrer Auskunftspflicht anzuhalten. Es sei auch erforderlich, da es von allen geeigneten Mitteln das relativ Mildeste sei und die Klägerin am wenigstens beeinträchtige. Die Ersatzvornahme und auch der unmittelbare Zwang wären hier untunlich. Da die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500 Euro nicht gefruchtet habe, sei auch der Betrag des letztendlich angedrohten und festgesetzten Zwangsgeldes in Höhe von 5.000 Euro nicht zu beanstanden. Die Höhe richte sich grundsätzlich nach der Dringlichkeit und Bedeutung der Angelegenheit sowie nach dem bisherigen Verhalten der Klägerin.
Hohes Zwangsgeld auch wegen sehr sensibler Daten
Hier sei vor allem der Widerstand der Klägerin von Bedeutung. Auch die Tatsache, dass es sich um besonders sensible Daten – u. a. die Aufzeichnung von entkleideten Tänzerinnen und sexuelle Dienstleistungen – handelte, sei von erheblicher Relevanz für die Bedeutung des datenschutzrechtlichen Auskunftsverlangens des Beklagten. Zuletzt wies das Verwaltungsgericht noch darauf hin, dass auch die Behauptung der Klägerin, die Videoüberwachung entspreche den gesetzlichen Vorgaben, unerheblich sei. Diese Behauptung führe nur dazu, dass es nicht ansatzweise nachvollziehbar sei, weshalb die Klägerin die Beantwortung des Fragebogens dann so beharrlich verweigere.
VG Mainz, Urteil v. 09.05.2019, Az. 1 K 760/18.MZ