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Überwachung eines privaten Grundstückzugangs per Videokamera

Amtsgericht München, Urteil v.20.03.2015, Az. 191 C 23903/14


Überwachung eines privaten Grundstückzugangs per Videokamera

Im März 2015 entschied das Münchener Amtsgericht in einer zwei Nachbarn betreffenden Klagesache. Bei dem Streit um die Zulässigkeit von Videokamera-Einsatz spielte die Frage der Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine wesentliche Rolle.
Dem schließlich vor Gericht verhandelten Fall waren vorher mehrere nachbarschaftliche Auseinandersetzungen zwischen den Bewohnern zweier benachbarter Grundstücke im gutbürgerlichen, im Südwesten der Bayernhauptstadt gelegenen Viertel Pasing vorangegangen. Dabei war es um Unstimmigkeiten wegen Gehweg-Winterstreuung, Heckenzuschnitt und ähnlichen in der Lebenswirklichkeit relativ häufig die Störung nachbarschaftlicher Harmonie verursachender Bagatellprobleme gegangen. Bei dem vor dem Amtsgericht ausgetragenen Rechtsstreit fühlte sich die Klägerin A durch eine am Dachgaubenfenster ihres Nachbarhauses installierte Videokamera in ihren Rechten massiv beeinträchtigt. Ihr Nachbar N hatte als Reaktion auf eine offensichtlich vorsätzliche Beschädigung an einem Fenster seines Wohnhauses Schutzmaßnahmen für Haus und Grundstück treffen wollen. Dabei wollte er auch eine teure, im Garten aufgebaute Modelleisenbahn sichern beziehungsweise im Beschädigungs-, Zerstörungs- oder Entwendungsfall zur Täterermittlung beitragen können. Als Mittel in dieser Hinsicht installierte er Anfang 2013 die umstrittene mit einer Aufzeichnungsfunktion ausgestattete Kamera. Das Gerät wurde darauf ausgerichtet, den Grundstückseingang des Beklagten sowie einen schmalen Sektor des angrenzenden öffentlichen Gehwegs optisch zu erfassen. Die Kamera-Aufnahmeeinheit wurde allerdings nicht starr eingebaut. Technisch blieb eine Veränderung des Aufnahmewinkels der mit einem Kugelgelenk versehenen Kamera stets möglich. Vor der Inbetriebnahme seiner Kamera hat sich der Beklagte mit der für Pasing zuständigen Polizeidienststelle sowie mit dem Landesamt für Datenschutzaufsicht in Verbindung gesetzt. Beide Dienststellen hatten keine Einwände gegen den Kamera-Einsatz in der geplanten Form.
Ein andere Nachbarin, B, unternahm daraufhin im Herbst 2013 rechtliche Schritte, um die Überwachungskamera zu verhindern. Im Zuge eines Vergleichs wurde im Januar 2014 festgelegt, dass die Kameraeinstellung nicht geändert werden dürfe. Ansonsten müsste N mit einer an B zu leistenden Vertragsstrafe rechnen.
Die Klägerin A fürchtete dennoch, dass ihre Rechte durch eine Überwachung ihrer Privatsphäre verletzt werde und versuchte seit Ende 2013 auf dem Abmahnungs-Weg N zum Abbau seiner Kamera zu bewegen und reichte schließlich Klage ein. N reagierte mit einer Gegenabmahnung und nach der Klageeinreichung durch A mit einer Widerklage.

A berief sich bei ihrer Klage auf das seit Mitte der 1950er Jahre vom Bundesverfassungsgericht in Anlehnung an Artikel 1 Grundgesetz (Schutz der Menschenwürde) und Artikel 2 GG (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) entwickelte allgemeines Persönlichkeitsrecht. Dieses Recht schützt in differenzierter Intensität drei Persönlichkeitssphären: Die besonders geschützte Intimsphäre (u. a. Sexualbereich, innere Gedankenwelt), die Privatsphäre (u. a. Leben im häuslichen und familiären Bereich) und die Individualsphäre (u. a. Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der individuellen Beziehungen im öffentlichen Raum).

Die über das Begehren der Klägerin, die Kamera zu entfernen, entscheidende Richterin am AG München wog bei ihrer Urteilsfindung nach Feststellung des Sachverhalts die Interessen der beiden Kontrahenten ab. Das Gericht stellte fest, dass eine Videokameraaufnahme mit oder ohne Aufzeichnung generell gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der ohne ihre Zustimmung Aufgenommenen verstoßen würde. Allerdings müssen bei der rechtlichen Würdigung die konkreten Umstände im Einzelfall abgewogen werden. Die Aufnahme in diesem Fall zufällig vorbeigehender Passanten, zum Beispiel auch A, auf dem schmalen von der Kamera erfassten öffentlichen Gehwegstück und im Eingangsbereich des N-Grundstücks stellte nach Ansicht der Richterin einen nur geringen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen dar. Demgegenüber sei das Interesse des N auf Schutz seines bereits einmal durch Sachbeschädigung verletzten Eigentums höher zu bewerten. Im Gegensatz dazu sei die Meinung der Klägerin A, dass N seine Kamera ja jederzeit durch Aufnahmewinkelveränderung so manipulieren könne, dass ihre Privatsphäre auf ihrem eigenen Grundstück verletzt würde, rein hypothetisch. Zumal N bei einem solchen Verhalten mit der Zahlung einer Vertragsstrafe an B rechnen müsse.

Demensprechendrechend wies die Richterin die Klage ab. Ebenso die Widerklage von N auf Zahlung der ihm durch seine Gegenabmahnung entstandenen Kosten. Die Richterin stufte die Gegenabmahnung als unbegründet ein. Begründet wäre sie nur dann gewesen, wenn sie dem objektiven Interesse sowie dem mutmaßlichen Willen der A entsprochen hätte, den sie bei Kenntnis etwaiger ihr bis zur Mahnungsabgabe unbekannter Sachverhalte entwickelt hätte.

Amtsgericht München, Urteil v.20.03.2015, Az. 191 C 23903/14


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