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Übersendung von Anwaltsschreiben DSGVO-konform

Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 19.02.2020, Az. 6 W 19/20


Übersendung von Anwaltsschreiben DSGVO-konform

Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main entschied am 19.02.2020, dass grundsätzlich kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich Behauptungen bestehe, die der Rechtsverfolgung dienen. Dies gelte auch in Verwaltungsverfahren und Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer.

Verstößt die Übersendung von Anwaltsschreiben an die Rechtsanwaltskammer gegen die DSGVO?
Die Streitparteien waren Rechtsanwälte. Der Antragsgegner wandte sich an die Rechtsanwaltskammer wegen des Verdachts standeswidrigen Verhaltens des Antragstellers. Hintergrund war ein Schriftwechsel zwischen den Parteien, in dem es zu einigen unsachlichen Äußerungen kam. Die Rechtsanwaltskammer erteilte dem Antragsteller daraufhin eine Rüge. Dieser wiederum ging wegen der ohne seine Einwilligung gegenüber der Anwaltskammer erfolgten Offenlegung des Sachverhaltes, personenbezogener Daten wie Name, und Privatanschrift einschließlich Geschäftsgeheimnissen wie Vertragsstrafe, Streitwert und Gebührenbestimmung vor. Die Vorinstanz wies den Antrag zurück. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Antragstellers.

Behauptungen müssen vorgetragen werden können
Das Oberlandesgericht Frankfurt befand den Antrag bereits als unzulässig, da es am prozessualen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Denn es bestehe grundsätzlich kein Unterlassungsanspruch, wenn Behauptungen einer Partei oder eines Anwalts der Rechtsverfolgung in einem Verfahren dienen. Denn die Durchführung staatlich geregelter Verfahren dürfe nicht behindert werden. Die Verfahrensbeteiligten müssen vortragen können, was zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlich sei.

Gilt auch in Verwaltungsverfahren
Dies gelte im Übrigen nicht nur für gerichtliche Verfahren, sondern auch in Verwaltungsverfahren, so das Gericht weiter. Voraussetzung sei, dass die Interessenslage ähnlich sei. So auch in einem dem verwaltungsrechtlichen Verfahren angenäherten Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer. Die Kammern seien zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf Beanstandungen angewiesen, die an sie herangetragen werden. Hierzu seien auch Mitbewerber zu zählen, da auch sie ein berechtigtes Interesse an der Verfolgung möglicher Missstände haben. Das gelte, auch wenn sie damit – wie im Streitfall – ihren eigenen Wettbewerb fördern.

Bezieht sich auch auf verfahrensbezogene Handlungen
Das OLG befand, dass dies auch für verfahrensbezogene Handlungen wie der Übersendung von Schreiben gelten solle. Denn die gerichtliche Kontrolle erfolge nicht bereits bei Anzeigenerstattung und Übermittlung der Schriftstücke. Ähnlich wie bei Tatsachenbehauptungen werden erst im späteren Verwaltungsverfahren die streitigen rechtlichen und tatsächlichen Fragen geklärt.

Höheres Interesse an funktionierenden Rechtspflege
Auch eine Interessensabwägung führe zu keinem anderen Ergebnis, so das Gericht weiter. Auf der einen Seite stehe das Interesse des Schuldners an einem ungehinderten Vortrag in dem fraglichen Verfahren sowie das öffentliche Interesse am einer funktionierenden Rechtspflege. Diesem Interesse komme in der Regel der Vorrang vor dem Interesse des Mitbewerbers zu, der in der fraglichen Äußerung einen Wettbewerbsverstoß sieht. Denn ansonsten könne es keine Verfolgung oder Verteidigung von Rechten in einem schwebenden Zivilprozess oder Verwaltungsverfahren geben. Ob die fragliche Behauptung wahr und erheblich sei, müsse grundsätzlich in dem Verfahren geprüft werden, in dem diese Äußerungen gemacht werde.

Ausnahmen nur bei unwahren Behauptungen und fehlender Klärungsmöglichkeit
Das Interesse des Betroffenen überwiege daher erst dann, wenn es sich um unwahre bzw. falsche Behauptungen handelt und das eingeleitete Verwaltungsverfahren keine Gewähr für eine Aufklärung bietet. Vorliegend gebe es aber keine Zweifel am Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer. Dass der Antragsteller das ihm zustehende rechtliche Gehör nicht genutzt und am Verfahren nicht mitwirkt habe, sei allein seine Entscheidung. Dass es sich um bewusst falsche Behauptungen gehandelt habe oder die Mitteilung an die Rechtsanwaltskammer offensichtlich substanzlos gewesen sei, sei auch nicht erkennbar. Dafür spreche bereits die Tatsache, dass die Rechtsanwaltskammer in der Folge tatsächlich eine Rüge erteilt habe.

Keine geschäftliche Handlung in einem rechtlichen Verfahren
Das OLG betrachtete den Antrag auch als unbegründet. Ein Unterlassungsanspruch wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens sei nicht erkennbar. Es fehle an einer geschäftlichen Handlung. Denn es müsse ein objektiver Zusammenhang zwischen dem Verhalten vor oder während eines Geschäftsabschluss und der Absatzförderung bzw. Vertragsdurchführung vorliegen. Daran fehle es, wenn sich die Handlung zwar auf die geschäftlichen Entscheidungen von Verbrauchern und anderen Marktteilnehmern auswirken könne, aber vorrangig anderen Zielen diene. Für Äußerungen in einem rechtlichen Verfahren sei regelmäßig nicht anzunehmen, dass diese im Zusammenhang mit einer Absatzförderung oder einer Vertragsdurchführung stehen.

Kein Verstoß gegen DSGVO
Das Gericht konnte auch kein Verstoß gegen die DSGVO erkennen. Soweit in der Übermittlung der Schreiben an die Rechtsanwaltskammer überhaupt eine Datenverarbeitung liegen solle, wäre diese Übermittlung rechtmäßig. Denn die Ziele der BRAO, insbesondere Fehlverhalten von Rechtsanwälten zu sanktionieren, liegen im öffentlichen Interesse. Im Übrigen wäre die Übermittlung auch aufgrund berechtigten Interesses rechtmäßig. Es sei nicht erkennbar, dass Grundrechte des Antragstellers überwiegen. Die Eingriffsintensität sei als gering anzusehen. Bei den Schriftsätzen handele es sich um Schreiben, die ohnehin dafür bestimmt gewesen seien, Dritten zugänglich gemacht zu werden. Der Antragsteller selbst habe sie in einem Verfahren der Klageschrift beigefügt. Es sei auch in keiner Weise erkennbar, dass in den Schriftsätzen besonders schützenswerte Informationen enthalten wären.

Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 19.02.2020, Az. 6 W 19/20


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