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Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.12.2019, Az. 2 AZR 223/19


Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten

Das Bundesarbeitsgericht entschied am 05.12.2019, dass nach dem alten Bundesdatenschutzgesetz der Sonderkündigungsschutz für einen Datenschutzbeauftragten mit Absinken der Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert ende. Gleichzeitig beginne aber der nachwirkende Sonderkündigungsschutz.

Ab welchem Schwellenwert besteht Sonderkündigungsschutz?
Beklagte war eine australische Bank, die eine Niederlassung in Deutschland unterhält. Kläger war der seit 2010 tätige Geschäftsleiter der Niederlassung, der zugleich auch Datenschutzbeauftragter war. Zwischen 2010 und 2015 beschäftigte die Beklagte zwischen zehn bis dreizehn Mitarbeiter; im Jahr 2016 neun Mitarbeiter. 2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich. Im Zeitpunkt des Kündigungszugangs beschäftigte die Beklagte in der Niederlassung insgesamt acht Mitarbeiter. Der Kläger war u.a. der Ansicht, dass ihm aufgrund des Sonderkündigungsschutzes nur außerordentlich gekündigt werden können. Die Vorinstanzen hatten in seinem Sinne entschieden. Hiergegen ging die Beklagte per Revision vor.

Keine Nichtigkeit der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten bei Interessenskonflikt
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nicht durch die zuvor erfolgte Bestellung zum Geschäftsleiter in Frage gestellt werde. Vielmehr könne seine Zulässigkeit nur bei einem Interessenskonflikt in Frage gestellt werden. Dies sei der Fall, wenn der Datenschutzbeauftragte in erster Linie seine eigene Tätigkeit kontrollieren müsse. Das sei zwar vorliegend auch geschehen. Allerdings folge daraus keine Nichtigkeit seiner Bestellung. Der Gesetzgeber habe dies nicht anordnen wollen. Denn ansonsten bliebe nur ein erheblich verringerter Anwendungsbereich für den gesetzlich vorgesehenen Widerruf der Bestellung. Gleiches gelte für das Recht der Aufsichtsbehörde, die Abberufung wegen fehlender Zuverlässigkeit zu verlangen.

Kein Sonderkündigungsschutz nach Unterschreitung des Schwellenwertes
Die Beklagte sei auch gesetzlich verpflichtet gewesen, den Kläger zum Datenschutzbeauftragten zu bestellen, so das BAG weiter. Zum Zeitpunkt seiner Bestellung habe der gültige Schwellenwert bei neun Personen gelegen, die sich „in der Regel“ ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigten. Das Absinken der Beschäftigtenzahl unter diesen Schwellenwert führe allerdings dazu, dass der Sonderkündigungsschutz entfalle. Dies folge aus der Auslegung der Norm. Bereits der Wortlaut der Regelung spreche stark dafür, dass ein Sonderkündigungsschutz nur bestehen solle, wenn im Zeitpunkt des Kündigungszuganges die Bestellvoraussetzungen für einen Datenschutzbeauftragten vorliegen. Denn die Norm knüpfe nicht vergangenheitsbezogen an die ursprüngliche Bestellung an, sondern an eine gegenwärtige Pflicht zur Bestellung.

Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder
Das Gericht befand, dass für dieses Verständnis auch die Gesetzessystematik spreche. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung seien regelmäßig die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Kündigungszuganges. Das gelte auch für Fragen des Sonderkündigungsschutzes. Der Gesetzgeber habe sich bei Einführung des Sonderkündigungsschutzes ausdrücklich auf vergleichbare Funktionsträger wie Betriebsratsmitglieder bezogen. Das Amt des Betriebsrats ende, wenn die Zahl der ständig beschäftigten Arbeitnehmer des Betriebs nicht nur vorübergehend auf unter fünf Arbeitnehmer absinke. Der besondere Kündigungsschutz bestehe nur während der Amtszeit des Betriebsrats. Mit dem Ende der Amtszeit beginne der nachwirkende Kündigungsschutz.

Wertung zu Betriebsratsmitglieder gilt auch für Datenschutzbeauftragten
Das spreche für die Übertragbarkeit entsprechender Wertungen, so das BAG weiter. Danach sei es nur folgerichtig, dass auch beim Datenschutzbeauftragten der Sonderkündigungsschutz mit Absinken der Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert ende und der nachwirkende Kündigungsschutz beginne. Zwar beruhe das Betriebsratsamt nicht auf einer Bestellung durch den Arbeitgeber. Auch bedürfe es für die Amtsbeendigung nicht zwingend eines Widerrufs der Bestellung. Allerdings stehe dies der Auslegung nicht entgegen. Denn die Gesetzesänderung im Jahr 2009 habe die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten stärken sollen und sei vorrangig im Interesse eines effektiven Datenschutzes erfolgt. Der Datenschutzbeauftragte habe in die Lage versetzt werden sollen, seine Aufgaben und Befugnisse selbstbewusst gegenüber dem Arbeitgeber durchzuführen und einzufordern. Wenn ihm aber diese gesetzlichen Befugnisse nicht mehr zustünden, bedürfe es dieses Schutzes nicht mehr. Der nachwirkende Kündigungsschutz würde ausreichenden Schutz bieten. Das Benachteiligungsverbot und das Maßregelungsverbot ergänzten diesen Schutz.

Schwellenwert im Zeitpunkt des Kündigungszeitpunktes
Hinsichtlich der Bestimmung des genauen Zeitpunkts der Unterschreitung des Schwellenwerts sah das BAG keine Probleme. Es komme auf die Zahl der „in der Regel“ mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigten Personen an. Damit seien kurzfristige Schwankungen nicht von Bedeutung. Ende durch Unterschreiten des Schwellenwerts die Funktion als Datenschutzbeauftragter und beginne damit der nachwirkende Sonderkündigungsschutz, handele es sich auch insoweit um eine Abberufung. Der Begriff der Abberufung umfasse jede Beendigung des Amtes, die durch ein Verhalten der verantwortlichen Stelle veranlasst wurde. Darunter falle auch das Absinken der Beschäftigtenzahl aufgrund Personalentscheidungen des Arbeitgebers.

Keine Entscheidung über Wirksamkeit der Kündigung
Das Gericht selbst entschied aber nicht, ob die Kündigungen wirksam gewesen sei. Dem Kläger könne durchaus nachwirkender Kündigungsschutz zustehen. Allerdings habe die Vorinstanz dazu keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Deshalb sei der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Diese habe Feststellungen zum Zeitpunkt des Unterschreitens des Schwellenwerts zu treffen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.12.2019, Az. 2 AZR 223/19


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