Pflicht des Busfahrers zur Teilnahme an elektronischen Warn- und Berichtssystem
Mit Urteil vom 17.11.2016 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass auch anonyme Daten als personenbezogene Daten nach § 3 Abs. 1 BDSG eingestuft werden können, wenn die Anonymisierung ohne unangemessenen Aufwand aufgehoben werden kann. Dabei begründet das BAG im vorliegenden Fall ausführlich, worin dieser Aufwand im konkreten Fall zu sehen ist.
In inhaltlicher Hinsicht lag der Entscheidung folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war seit circa 25 Jahren bei der Beklagten beschäftigt. Dort war er schon immer als Busfahrer tätig. Aus dem anwendbaren Tarifvertrag ergab sich, dass der Kläger ordentlich nicht kündbar war. Im Jahre 2014 hat die Beklagte unter Beteiligung des Betriebsrates eine Betriebsvereinbarung geschlossen, nach der sog. RIBAS-Systeme im Betrieb eingesetzt werden dürfen. Durch ein solches System kann die Fahrweise der Busfahrer ausgewertet werden, indem auf hochtouriges Fahren, Leerlaufzeitüberschreitungen oder scharfes Bremsen hingewiesen wird. Damit wollte die Beklagte die Prozesse innerhalb des Betriebs optimieren und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit positiv beeinflussen. Die Beklagte überlässt den Busfahrern zunächst die Wahl, ob sie an einem personalisierten System teilnehmen möchten, oder ob sie lieber einen anonymisierten Systemschlüssel wünschen. Wer an dem personalisierten System teilnimmt, hat die Möglichkeit Prämien zu sammeln.
Der Kläger ist nicht bereit, den anonymisierten Systemschlüssel zu verwenden. Vielmehr möchte er seiner Tätigkeit weiterhin ohne ein RIBAS-System nachgehen. Er fühlt sich durch ein solches System „beobachtet“, was er als Hindernis seiner Tätigkeit ansieht. Obwohl die Beklagte mehrfach das Gespräch mit dem Kläger gesucht hat, kam es zu keiner Einigung. Ganz im Gegenteil folgten drei Abmahnungen, die jedoch den Kläger nicht umstimmen konnten. Er beharrt darauf, seinen Dienst ohne ein RIBAS-System zu leisten. Daraufhin sah sich die Beklagte gezwungen, den Kläger außerordentlich fristlos bzw. hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen.
Während das Arbeitsgericht in erster Instanz der Klage stattgegeben hat, die Kündigung also als unwirksam eingestuft hat, war das Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz der Ansicht, die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist müsse Bestand haben.
Das Bundesarbeitsgericht schloss sich der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts an. Das Verhalten des Klägers, den anonymisierten RIBAS-Schlüssel nicht verwenden zu wollen, stelle eine Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages dar. Unter einer Pflichtverletzung sei jedes Verhalten zu verstehen, das mit dem vertraglich geschuldeten Pflichtenprogramm nicht im Einklang stehe. Zwar handele es sich bei den Daten, die durch das RIBAS-System erhoben werden - trotz der Anonymisierung - um personenbezogene Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes. Das wird damit begründet, dass es ohne größeren Aufwand möglich sei, die Anonymisierung rückgängig zu machen. Dazu müssten lediglich die Dienstpläne herangezogen werden.
Es sei aber zu berücksichtigen, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten erforderlich sei, wie es § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG als Erlaubnistatbestand normiert. Dem BDSG liegt nämlich ein Verbotssystem mit Erlaubnisvorbehalt zugrunde, sodass die Erhebung personenbezogener Daten nicht prinzipiell ausgeschlossen ist. Das RIBAS-System verfolgt einen legitimen Zweck, der in der Reduzierung des Kraftstoffverbrauches und einer Steigerung der Kundenzufriedenheit zu sehen ist. Dabei ist das System geeignet und erforderlich, um das genannte legitime Ziel zu erreichen. Insbesondere sieht das BAG keine milderen, gleich geeigneten Mittel, die einer Erforderlichkeit entgegenstehen könnten.
Mit dieser Begründung kommt das BAG zu dem Ergebnis, dass die Kündigung des Klägers gerechtfertigt ist.
BAG, Urteil vom 17.11.2016, Az. 2 AZR 730/15