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Löschung eines Beitrags begründet keinen DSGVO-Schadensersatzanspruch

Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 20.08.2020, Az. 4 U 784/20


Löschung eines Beitrags begründet keinen DSGVO-Schadensersatzanspruch

Die Vorschrift des Art. 82 Abs. 1 DSGVO bestimmt, dass grundsätzlich jeder Schadensersatz geltend machen kann, dem ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Dies ist nicht der Fall beim Löschen eines Posts in einem sozialen Netzwerk, zu dem sich der Webseitenbetreiber veranlasst sehen darf. So hat das OLG Dresden mit Urteil vom 20.08.2020 entschieden.

Hintergrund
Der Kläger hält ein Nutzerkonto in einem von der Beklagten betriebenen sozialen Netzwerk. Es kam zum Löschen eines Posts durch die Beklagte, zu dem sich diese veranlasst gesehen hat: Der Inhalt des Posts war als Hassrede klassifiziert worden. Demgemäß sah sich die Beklagte aufgrund der vereinbarten Nutzungsbedingungen zur Löschung des Posts auch berechtigt. In diesen ist gerade ausgewiesen, dass eine Löschung von Beiträgen erfolgt, die Hassreden enthalten. Über die Löschung des Posts hinaus hat die Beklagte Betreiberin des sozialen Netzwerkes auch eine dreißigtägige Sperre gegen den Kläger verhängt. Bereits in erster Instanz hat der Kläger die Beklagte wegen der Löschung des Posts und der dreißigtägigen Sperrung seines Nutzerkontos in Anspruch genommen. Er hatte diverser Schadensersatzansprüche geltend gemacht und forderte die Zahlung von 1.500 Euro.

Berufung vor dem OLG Dresden
Das Landgericht hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Mit der Berufung beim OLG verfolgte der Kläger seine erstinstanzlich gestellten Anträge vollumfänglich weiter. Er war der Auffassung, das Landgericht habe sowohl die überragende Marktmacht der Beklagten außer Acht gelassen als auch den Vertragszweck des zwischen den Parteien geschlossenen Nutzervertrages verkannt. So hätten die Äußerung bei einer zutreffenden Gewichtung der widerstreitenden Grundrechte als zulässig angesehen werden müssen. Indem die Plattform der Beklagten keine thematische Eingrenzung vorsehe, stehe der Beklagten kein Ermessen bei der Beschränkung der Inhalte zu. Sowohl die neuen als auch die alten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten seien unwirksam. Ebenso seien die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam einbezogen worden.

Rechtfertigung durch Einwilligung in Nutzungsbedingungen
Auch vor dem OLG Dresden hatte der Kläger keinen Erfolg. Dieses verwies zunächst auf die zwischen dem ihm und der Beklagten vereinbarten Nutzungsbedingungen. Bei diesen handele es sich um eine vorab erteilte Einwilligung im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 lit. a DSGVO. Demzufolge sei die Löschung des Posts sowie die Verhängung der dreißigtägigen Sperre des Nutzerzugangs in diesem Zusammenhang nicht unverhältnismäßig. Auch der geltend gemachte Zahlungsanspruch sei kein ersatzfähiger Schaden im Sinne des Artikel 82 DSGVO. Grundsätzlich stellen die Löschung und das Sperren eine Verarbeitung von Daten nach Artikel 4 Nr. 2 DSGVO dar. Demzufolge sei eine datenschutzrechtlich relevante Handlung auch gegeben. Hierzu habe der Kläger allerdings seine Zustimmung gegeben. Diese Zustimmung sei nicht daran geknüpft, dass die Beklagte Netzwerkbetreiberin ihrer vertraglichen Verpflichtungen nachkommen müsse. Damit stelle das bloße Sperren von Daten keinen Schadensersatz im Sinne der DSGVO dar, so die Richter.

Keine Ansprüche aus Bereicherungsrecht
Bereicherungsrechtliche Ansprüche auf eine fiktive Lizenzgebühr aus § 812 BGB sind ebenfalls ausgeschlossen worden. Nach Ansicht der Richter könne ohnehin dahinstehen, ob die Beklagte die persönlichen Daten während des Zeitraums der Sperrung zu Werbezwecken tatsächlich genutzt habe. Jedenfalls habe der Kläger nach seinem eigenen Vortrag in der Klageschrift der Nutzung dieser Daten eingewillgt. Die in den Nutzungsbedingungen festgelegte Befugnis gestatte es, „alle Beiträge und erhaltenen Daten dauerhaft zu speichern und zu nutzen". Demnach liege keine rechtsgrundlose Nutzung von durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Daten vor. Für einen fiktiven Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie fehle es an den erforderlichen Voraussetzungen. Darüber hinaus enthalte der Vortrag in der Klageschrift keine ausreichenden Indizien für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 241 BGB i.V.m. dem Nutzungsvertrag.

Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Auch ein aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG hergeleiteter Anspruch auf eine immaterielle Geldentschädigung scheiterte. Dieser liege nicht bei jeder Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und schon gar nicht bei jeder Vertragsverletzung vor. Der Anspruch setze vielmehr voraus, dass ihm ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zugrunde liege und die hiervon ausgehende Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden könne. Eine hinreichend schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts hänge insbesondere von Bedeutung und Tragweite des Eingriffs ab. Ferner seien auch Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens entscheidend. Indem der Kläger seine immaterielle Einbuße mit lediglich 1.500 Euro bemessen hatte, gebe er hierdurch zu erkennen, dass er selbst dem Verhalten der Beklagten keine hinreichende Eingriffsschwere bemesse. Unterhalb einer Mindestuntergrenze von 2.500 Euro sei regelmäßig davon auszugehen, dass die erforderliche hinreichende Eingriffsschwere nicht vorliege (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 13.02.2018, Az. 4 U 1234/17, juris). So sei es auch hier.


Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 20.08.2020, Az. 4 U 784/20


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