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Keine Anwendung der DS-GVO auf Anordnungen nach dem bisherigen BDSG

OVG Saarland, Beschluss v. 10.09.2019, Az.: 2 A 174/18


Keine Anwendung der DS-GVO auf Anordnungen nach dem bisherigen BDSG

Das OVG Saarland folgte mit seinem Beschluss vom 10.09.2019, Az. 2 A 174/18 der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Datenschutzbehörde die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von öffentlich zugänglichen personenbezogenen Daten für Zwecke der Telefonwerbung unter der Geltung des Bundesdatenschutzgesetztes (alte Fassung) untersagen konnte. Der Kern des obergerichtlichen Beschlusses drehte sich um die Frage, welche Bedeutung die DS-GVO, die wenige Wochen nach der mündlichen Verhandlung in Kraft trat, in der vorliegenden Sache hatte. Das OVG stützte sich hierzu auf ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Danach sei die Rechtmäßigkeit von Anordnungen nach dem BDSG a. F. nach derjenigen Rechtslage zu beurteilen sei, die zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung gelte.

Speicherung von Daten aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen
Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde: die Klägerin war ein Unternehmen, das im Bereich des Ankaufs von Edelmetallresten von Zahnarztpraxen und Dentallaboren tätig war. In ihrer Akquise-Datenbank speicherte sie Namen und Vorname diverser Praxisinhaber sowie deren Praxisanschrift und Telefonnummer. Diese Daten machte sie in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen wie etwa den Gelben Seiten ausfindig. Anschließend kontaktierte die Klägerin die Zahnarztpraxen und Dentallabore telefonisch, um zu erfragen, ob diese Edelmetalle an sie verkaufen möchten. Die zuständige Datenschutzbehörde wurde auf die Akquise-Praxis der Klägerin aufmerksam. Daraufhin forderte sie die Klägerin zur Angabe über die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten für Werbezwecke auf. Es folgte u. a. eine Anhörung der Klägerin.

Anordnung der Datenschutzbehörde zur Löschung der Daten
In der Folge ordnete die Behörde mit Bescheid vom 10.01.2017 an, die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten von Inhabern von Zahnarztpraxen zu Zwecken der telefonischen Werbeansprache einzustellen. Dies gelte, sofern keine Einwilligung der Betroffenen vorliege oder nicht bereits ein Geschäftsverhältnis mit diesen bestehe. Außerdem ordnete die Behörde die Löschung der zu diesem Zweck bereits gesammelten Daten an und gab der Klägerin auf, die Maßnahmen innerhalb von zwei Wochen auszuführen. Die Datenschutzbehörde begründete ihre Anordnungen mit einem vorliegenden Verstoß gegen § 4 Abs. 1 BDSG. Die Anordnung gelte ausdrücklich nur für telefonische Werbeansprachen von Zahnärzten, für die keine Einwilligung vorliege oder keine Geschäftsbeziehung bestehe. Die Klägerin könne die Kontaktdaten sehr wohl weiterhin zur schriftlichen Kontaktaufnahme nutzen.

Streit um Auslegung des BDSG vor Anwendbarkeit der DS-GVO
Die Klägerin erhob gegen den Bescheid am 13.02.2017 Klage und erläuterte zur Begründung umfangreich ihre Ansicht, dass die Anordnung der Datenschutzbehörde insgesamt unangemessen sei. Da ab dem 25.05.2018 die DS-GVO Anwendung finde, habe die Datenschutzbehörde jedenfalls ab dann keine rechtliche Grundlage mehr für ihre Ansichten. Der Bescheid wirke in die Zukunft, weshalb die Vorgaben der DS-GVO schon zum Zeitpunkt der Anordnung zu beachten seien. Das BDSG sei daher bereits vor Geltung der DS-GVO „verordnungskonform“ auszulegen. Die Klägerin beantragte, den Bescheid der vorliegend beklagten Datenschutzbehörde aufzuheben. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Es handele sich um einen rechtmäßigen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Daher sei auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Rechtslage mit Geltung der DS-GVO dahingehend ändern werde, dass das Verhalten der Klägerin dann rechtmäßig sei. Die Klägerin beantragte daraufhin am 14.05.2018 die Zulassung der Berufung und begründete diesen Antrag am 18.06.2018.

Keine ausreichenden Gründe für die Zulassung der Berufung
Das OVG Saarland wies den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ab. Die Klägerin habe keine Gründe dafür dargelegt, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen und die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, dass die Anordnung des Beklagten rechtmäßig sei. Die Akquise-Praxis der Klägerin verstoße gegen das BDSG, sofern es sich um inhabergeführte Einzelzahnarztpraxen handele. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung „nutzlos“ sei, da die DS-GVO nur wenige Wochen nach der mündlichen Verhandlung in Kraft trete. Die Klägerin vertrat die Ansicht, die Interessenabwägung in Art. 6 Abs. 1f DS-GVO erfolge nach einem anderen Maßstab und das Interesse des „Verantwortlichen“ an der Durchführung von Direktwerbung sei im Rahmen der DS-GVO als „berechtigtes Interesse“ anerkannt. Das OVG Saarland sah in diesen Ausführungen keinen ausreichenden Grund, um die Berufung zuzulassen. Denn das Verwaltungsgericht habe bei der rechtlichen Beurteilung der Anordnung der Beklagten zu Recht das BDSG für maßgeblich gehalten.

Aktuelle Rechtsprechung des BVerwG schaffte Klarheit
Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 27.03.2019, Az. 6 C 2/18 (NVwZ 2019, 1126, 1132) entschieden, dass die Rechtmäßigkeit von Anordnungen zur Beseitigung datenschutzrechtlicher Verstöße nach § 38 Abs. 5 S. 1 BDSG a. F. nach derjenigen Rechtslage zu beurteilen sei, die zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung gelte. Nachträgliche Rechtsänderungen seien danach nicht zu berücksichtigen. Demnach sei seitens der Aufsichtsbehörde bei Feststellung eines Verstoßes gegen Datenschutzrecht ein Ermessensspielraum eröffnet. Die Nachprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung durch die Verwaltungsgerichte beziehe sich auf den Zeitpunkt der Ausübung des Ermessens. Tatsächliche und rechtliche Erkenntnisse, die zum Zeitpunkt der Ermessensentscheidung noch nicht vorgelegen haben, müsse die Behörde nicht in ihre Erwägungen einbeziehen. Der Normgeber der Europäischen Union habe in der DS-GVO keinen Hinweis darauf gegeben, dass Entscheidungen von Datenschutzbehörden, die noch nach dem nationalen Datenschutzrecht getroffen werden, rückwirkend an den Strukturen der DS-GVO gemessen werden müssen. Diese Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts seien vorliegend anzuwenden, da Anordnungen nach § 38 Abs. 5 S. 1 sowie S. 2 BDSG im Ermessen der Aufsichtsbehörde stünden.

Beurteilung der Rechtmäßigkeit nach dem BDSG
Es erschloss sich dem OVG Saarland nicht, weshalb vorliegend ausnahmsweise ein anderer rechtlicher Beurteilungszeitpunkt, als oben dargestellt, maßgebend sein sollte. Daher schloss sich das OVG der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts an. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Beklagten sei zu Recht nach dem damals geltenden BDSG beurteilt worden. Die Ansicht der Klägerin, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts könne wegen der nun geltenden Rechtslage durch die DS-GVO keinen Bestand haben, sei daher keine ausreichende Begründung für die Zulassung der Berufung. Das weitere Vorbringen der Klägerin beschränke sich auf die Rechtslage bei Anwendung der DS-GVO. Wie bereits erläutert, könne dies hier jedoch nicht greifen. Denn es sei nicht Sache des Verwaltungsgerichts gewesen, zu klären, ob die Werbeanrufe der Klägerin im Einklang mit der DS-GVO stehen.

Keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wegen Fragen zur DS-GVO
Zur Beantwortung dieser Frage müsse der Beklagte zunächst eigenständig prüfen, ob er die Anordnung für die Zukunft aufrechterhalte. Jedenfalls bestünden nach Maßgabe des klägerischen Vortrags keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Meinung der Klägerin, es gebe zu den dargelegten Fragen der DS-GVO noch keine obergerichtliche Entscheidung, gebe hier auch keinen Anlass zur Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Denn darauf würde es bei der Beurteilung des angefochtenen Bescheids in einem Berufungsverfahren vorliegend nicht ankommen. Wie bereits ausführlich erläutert, können die Änderungen durch die DS-GVO keine Anwendung auf den angefochtenen Bescheid finden.

OVG Saarland, Beschluss v. 10.09.2019, Az.: 2 A 174/18


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