Kein DSGVO-Auskunftsanspruch für datenschutzferne Ziele
Mit Urteil vom 14.03.2022 hat das Oberlandesgericht Nürnberg entschieden, dass der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht zur Überprüfung der Begründetheit von Rechtsansprüchen verwendet werden darf. Die Geltendmachung eines Auskunftsanspruches ist rechtsmissbräuchlich, wenn dies nicht dem Schutzzweck der DSGVO dient. Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs liegen allerdings darin, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können. Datenschutzferne Ziele können demnach nicht verfolgt werden.
Hintergrund
Der Klägerin ist privat krankenversichert. Dieser hat Ansprüche gegen die Beklagte, eine Versicherungsgesellschaft, geltend gemacht, wobei es um die Zulässigkeit von Erhöhungen der Versicherungsprämien gegangen ist. In der Sache rügte der Kläger vor allem förmliche Mängel der Prämienanpassung, wie etwa ein Fehlen der Gründe für diese Anpassung. Darüber hinaus hat er auch einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO geltend gemacht. Mit letztgenanntem Anspruch verfolgte er das Ziel, über die datenschutzrechtliche Auskunft eine Aufstellung der von der Beklagten vorgenommenen Prämienanpassungen zu erhalten. Diese wollte er sodann auf Formfehler überprüfen lassen, um seinen Klageanspruch damit weiter begründen zu können. Weil es dem Kläger bei Geltendmachung der DSGVO-Auskunft nicht um Informationen zu seinen personenbezogenen Daten und einer Datenkontrollmöglichkeit gehe, hat die Beklagte beantragt, den Auskunftsanspruch wegen Rechtsmissbrauchs als unbegründet zurückweisen.
DSGVO-Auskunftsanspruch gilt nur eingeschränkt
Grundsätzlich kann eine Person nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO Auskunft darüber verlangen, ob und welche sie betreffenden personenbezogenen Daten ein Verantwortlicher verarbeitet. Dieser Auskunftsanspruch gilt allerdings nicht uneingeschränkt. So kann der Anspruchsgegner eine Auskunft nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b DSGVO verweigern, wenn der Anspruch offensichtlich unbegründet ist oder exzessiv ausgeübt wird. Das OLG hat nun allerdings klargestellt, dass neben der exzessiven Ausübung weitere Missbrauchstatbestände denkbar sind.
Es fehlte an einer Rechtmäßigkeitsüberprüfung der Datenverarbeitung
Eine Begründung für weitere Auskunftsverweigerungstatbestände lag nach Auffassung der Richter in dem Wortlaut der Norm. So werde mit dem Wort „insbesondere“ impliziert, dass die häufige Antragstellung nur einer von mehreren Verweigerungsgründen sei. Demnach seien weitere rechtsmissbräuchliche Fälle der Anspruchsausübung denkbar. Weil der Antrag mangels datenschutzrechtlichen Bezuges nicht vom Schutzzweck der DSGVO umfasst war, sei im vorliegenden Fall rechtsmissbräuchlich gehandelt worden. Eine betroffene Person könne ihr Auskunftsrecht lediglich ausüben, um sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und um die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung zu überprüfen. Vorliegend habe der Kläger allerdings mit der begehrten Auskunftserteilung die ausschließliche Absicht, die Überprüfung etwaiger von der Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel vornehmen zu können. Damit gehe es dem Kläger gerade nicht darum, die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu überprüfen.
Im Ergebnis war kein Anspruch gegeben
Selbst ein aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag geltend gemachter Anspruch war nicht gegeben. Zwar kann sich aus einem Schuldverhältnis nach Treu und Glauben die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung und damit auch Zurverfügungstellung von Unterlagen ergeben. Hierfür genügt es jedoch nicht, dass der Anspruchsteller behauptet, die begehrte Information sei für ihn von Bedeutung bzw. er sei auf sie angewiesen. Vielmehr erfordert dies, dass der Anspruchsteller über die geforderten Informationen in entschuldbarer Weise im Unklaren ist und der Anspruchsgegner die Auskunft unschwer erteilen kann. Überdies müssten ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein bestimmter durchsetzbarer Anspruch existiert. Hieran fehlte es allerdings im vorliegenden Fall, da der Kläger schon nicht konkret vorgetragen hat, aus welchen Gründen er nicht mehr über die Informationen betreffend etwaiger Beitragserhöhungen und damit verbundener Unterlagen verfügt.
Auch ein Auskunftsanspruch aus § 3 Abs. 3 und 4 WG schied deshalb aus, weil sich dieser nur auf abhandengekommene oder vernichtete Versicherungsscheine sowie auf die eigenen Erklärungen des Klägers, die er als Versicherungsnehmer in Bezug auf den Vertrag abgegeben habt, bezieht. Ebenso hat § 810 BGB der Klage nicht zum Erfolg verholfen, denn dieser gewährt nur einen Anspruch auf Einsicht in bestimmte Urkunden. Der vorliegend geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Auskunft oder auf Übersendung von Unterlagen war hiervon schon nicht umfasst. Darüber hinaus fehlte es ohnehin an einem schutzwürdigen rechtlichen Interesse des Anspruchstellers.
Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 14.03.2022, Az. 8 U 2907/21