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Kein Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO für den Insolvenzverwalter

OVG Lüneburg, Urteil v. 20.06.2019, Az. 11 LC 121/17


Kein Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO für den Insolvenzverwalter

Das OVG Lüneburg entschied im Berufungsverfahren, dass ein Insolvenzverwalter keinen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO gegenüber der Finanzbehörde hat. Das Recht, Auskunft über die personenbezogenen Daten zu erhalten, stehe allein dem Betroffenen – hier dem Insolvenzschuldner – zu. Dieses Auskunftsrecht sei ein „höchstpersönliches Recht“ des Betroffenen.

Insolvenzverwalter verlangte Steuerdaten vom Finanzamt
Der Kläger war ein Insolvenzverwalter, der im April 2012 zur Verwaltung über das Vermögen eines Insolvenzschuldners bestimmt worden war. Der Beklagte war das für den Insolvenzschuldner zuständige Finanzamt in Niedersachsen. Das Finanzamt meldete beim Insolvenzverwalter Abgabenforderungen in Höhe von 258.143,81 Euro an. Der Insolvenzverwalter bat das Finanzamt im Juli 2015 um Zusendung eines Auszugs aus dem Steuerkonto des Schuldners, was das Finanzamt ablehnte. Nach Ansicht des Finanzamts bestehe ein Auskunftsrecht nach der Abgabenordnung (AO) nur, soweit es zur Erfüllung von steuerlichen Pflichten notwendig sei. Dafür müssen die Gründe substantiiert dargelegt werden. Ein Auskunftsanspruch nach der Insolvenzordnung (InsO) sei nur gegeben, soweit ein Anfechtungsanspruch dem Grunde nach feststehe und es nur noch um die Ermittlung von Art und Umfang gehe. In seinem Einspruch gegen die Auskunftsablehnung verwies der Insolvenzverwalter auf das Niedersächsische Datenschutzgesetz (NDSG). Der Einspruch wurde ebenfalls zurückgewiesen. Es sei nicht ersichtlich gewesen, für welchen Zeitraum der Auszug verlangt werde und was der Sinn davon sein solle. Der Insolvenzverwalter erhob sodann Klage und stützte seinen Anspruch weiterhin auf das NDSG.

Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich
Das Finanzamt trug im erstinstanzlichen Verfahren vor, dass sich der Anspruch weder aus der AO noch aus der InsO ergeben könne, da der Insolvenzverwalter kein berechtigtes Interesse vorgetragen habe. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte der Insolvenzverwalter im April 2017 Berufung ein und begründete diese umfangreich. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg wies die Berufung dennoch als unbegründet zurück. Der Ablehnungsbescheid des beklagten Finanzamts sei rechtmäßig ergangen. Zunächst stellte das OVG fest, dass der Auskunftsanspruch anhand der Rechtslage zu beurteilen sei, die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gelte. Danach sei am 25.05.2018 das bisher geltende NDSG außer Kraft getreten und werde nun durch die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ersetzt sowie durch das neue NDSG ergänzt. Auch seien in der AO neue Regelungen zu den Rechten „der betroffenen Person“ eingeführt worden und das bisher geltende Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sei durch eine Neufassung ersetzt worden. Die DS-GVO erfasse auch sämtliche Daten, die vor dem 25.05.2018 erhoben und verarbeitet worden sind.

Insolvenzverwalter ist nicht „Betroffener“ im Sinne des Art. 15 DS-GVO
Die Vorschrift des § 16 NDSG a. F. werde nun durch Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ersetzt. Nach dieser Norm hat die „betroffene“ Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und weitere Informationen. Dieser Auskunftsanspruch könne auch als „Magna Charta zur Durchsetzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“ bezeichnet werden. Der Insolvenzverwalter sei jedoch kein „Betroffener“ im Sinne des Art. 15 DS-GVO, denn das sei ausschließlich diejenige identifizierte oder identifizierbare natürliche Person, auf die sich die personenbezogenen Daten beziehen. Die betroffene Person sei diejenige, die davor zu schützen ist, dass sie durch den Umgang mit ihren personenbezogenen Daten in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Die für die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs erforderlichen Voraussetzungen würden in der Person des Klägers somit nicht vorliegen.

Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht ist ein „höchstpersönliches Recht“
Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht gehe bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nicht auf den Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzverwalter sei nicht Vertreter des Schuldners, sondern Partei kraft Amtes. Er handele im eigenen Namen, aber mit Wirkung für und gegen die Masse. Güter des höchstpersönlichen Bereichs gehören jedoch nicht zur Insolvenzmasse. Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht sei allerdings ein höchstpersönliches Recht des Betroffenen. Auch wenn der Auskunftsanspruch mittelbar vermögenswirksame Auswirkungen habe, stehe die Personenbezogenheit im Vordergrund. Die DS-GVO schütze immerhin die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Für die Frage, ob der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO ein höchstpersönliches Recht ist, komme es nicht auf den Inhalt der Information an, über die man Auskunft erhalten möchte. Ausschlaggebend sei ausschließlich der Rechtscharakter des Auskunftsanspruchs an sich, der sich nur einheitlich und unabhängig vom Inhalt der personenbezogenen Daten bestimmen lasse. Erwägungsgrund 26 DS-GVO bestimme, dass die Grundsätze des Datenschutzes „für alle Informationen gelten, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen.“ Geht es also um Daten, die beim Finanzamt verarbeitet werden, so umfasse der Begriff der personenbezogenen Daten sämtliche in den Steuerakten zu einer betroffenen Person befindliche Informationen.

Kein Landes-Informationsfreiheitsgesetz in Niedersachsen
Der Schuldner sei zwar gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Auskunft und Mitwirkung verpflichtet und könne sich in diesem Verhältnis als „Geheimnisherr“ nicht auf das Steuergeheimnis berufen. Dieser Ausgangspunkt rechtfertige aber nicht den Schluss, dass der Schuldner im Verhältnis zum Finanzamt bzw. im Verhältnis des Insolvenzverwalters zum Finanzamt seinen durch die DS-GVO geschaffenen Datenschutz verliert. Es sei auch nicht ersichtlich, auf welche anderen nationalen Rechtsgrundlagen der klagende Insolvenzverwalter seinen Auskunftsanspruch stützen könnte. Da die Vorgaben der DS-GVO die bisher geltenden datenschutzrechtlichen Regelungen ersetzen, sei schon im Ausgangspunkt fraglich, ob bzw. in welchem Umfang noch nationale Regelungen Anwendung finden könnten. Jedenfalls müsse dies hier nicht abschließend entschieden werden, da die Voraussetzungen anderer Ansprüche nicht vorlägen. In Niedersachsen gebe es, anders als in den meisten anderen Bundesländern, auch kein Landes-Informationsfreiheitsgesetz. Und Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes kämen hier nicht in Betracht, weil es sich bei dem beklagten Finanzamt um eine Landesbehörde handele, auf die das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes nicht anwendbar sei.

Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen
Auch die neue Fassung des BDSG gewähre, selbst wenn es hier Anwendung fände, kein Auskunftsrecht für den Insolvenzverwalter. Denn eine Norm, die den Art. 15 DS-GVO auf nationaler Ebene umsetzt, müsse anhand derselben Grundsätze betrachtet werden wie der Art. 15 DSGVO selbst. Das heißt, auch in diesem Lichte sei der Insolvenzverwalter kein „Betroffener“. Auch „ein in der Rechtsprechung mit Auffangwirkung anerkanntes Akteneinsichtsrecht“ sowie ein auf § 242 BGB gestützter Auskunftsanspruch sei nicht gegeben. Derartige Rechte, die auch bisher nur als Auffangrechte entwickelt wurden, können erst recht seit Inkrafttreten der DS-GVO keine Anwendung mehr finden. Aber auch vorher sei ein allgemeines Auskunftsrecht nur angenommen worden, wenn das Akteneinsichtsgesuch „im Einzelfall durch ein eigenes, gewichtiges und auf andere Weise nicht zu befriedigendes Interesse des Antragstellers gedeckt“ war. Das OVG Lüneburg ließ die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zu. Denn die Frage, ob es sich bei dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO um ein höchstpersönliches und damit nicht zur Insolvenzmasse gehörendes Recht handelt, sei bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden worden.

OVG Lüneburg, Urteil v. 20.06.2019, Az. 11 LC 121/17

von Jacqueline Dischler, LL.M.


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