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Anspruch auf ermessenfehlerfreies Einschreiten der Datenschutzbehörde

Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 07.10.2019, Az. 5 Bf 291/17


Anspruch auf ermessenfehlerfreies Einschreiten der Datenschutzbehörde

Das Oberverwaltungsgericht Hamburg urteilte am 07.10.2019, dass einem Betroffenen grundsätzlich gegen die Datenschutzbehörde ein Anspruch auf Durchsetzung von Löschungsansprüchen gegenüber Google zustehe.

Wann ist ein Einschreiten des Datenschutzbeauftragten angebracht?
Kläger war der ehemalige Geschäftsführer verschiedenster Unternehmen aus dem Immobilienbereich. Beklagte war der Hamburgische Datenschutzbeauftragte. Der Kläger war in der Vergangenheit mit verschiedenen Rückabwicklungen von Immobilienverkäufen konfrontiert, da der Wert der Immobilien streitig war. Ein Betrugsverfahren gegen ihn wurde gegen Zahlung einer Geldsumme eingestellt. Der Kläger verlangte von Google (als Beigeladene des Rechtsstreits) die Entfernung von diversen, ihn und sein unseriöses Geschäftsgebaren betreffende Suchergebnissen. Die in den Einträgen aufgestellten Behauptungen seien unzutreffend. Dies lehnte Google ab, da die Einträge mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers in Verbindung stünden und von öffentlichem Interesse seien. Aufgrund dessen wandte sich der Kläger per Beschwerde an den Beklagten und verlangte ein behördliches Einschreiten. Der Beklagte lehnte dies jedoch ab, da dafür die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Hiergegen ging der Kläger per Klage vor, welche aber als unbegründet abgewiesen wurde. Daher legte er Berufung ein.

Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden
Das Oberverwaltungsgericht Hamburg entschied, dass offenbleiben könne, ob Google als Beigeladene in Bezug auf Google Search auch über eine Hauptniederlassung in der EU verfüge. Denn die Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden beim Fehlen einer Hauptniederlassung des Beigeladenen ergebe sich jedenfalls aus Art. 55 DSGVO. Bei Anwendung des Verfahrens nach Art. 56 Abs. 2 ff. DSGVO habe die hier federführende (irische) Aufsichtsbehörde erklärt, in sogenannten Delisting-Fällen wie dem vorliegenden den nationalen Aufsichtsbehörden die eigenständige Entscheidung zu überlassen.

Anspruch auf ermessensfehlerfreies Einschreiten
Dem Kläger stehe grundsätzlich ein Recht aus der DSGVO auf ermessensfehlerfreies Einschreiten gegen die zuständige Datenschutzbehörde zu, urteilte das Gericht. Zwar seien soweit ersichtlich bislang keine gerichtlichen Entscheidungen ergangen, die sich mit der Frage der Rechtsschutzmöglichkeit eines Beschwerdeführers nach der DSGVO vertieft auseinandergesetzt haben. Es spreche aber viel dafür, dass der Kläger berechtigt sei, den Anspruch auf eine datenschutzrechtliche Anordnung gegen Google auf dem Verwaltungsrechtsweg gerichtlich durchzusetzen und die ablehnende Entscheidung des Beklagten inhaltlich überprüfen zu lassen. Soweit die Vorinstanz ausführe, dass einem Beschwerdeführer lediglich ein Anspruch auf Befassung im Sinne eines Petitionsrechts zustehe, nicht aber ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf eine konkrete Maßnahme, sei dies zweifelhaft. Denn diese Entscheidung beruhe noch auf der damals geltenden Rechtslage vor Einführung der DSGVO.

Ablehnung einer Beschwerde als rechtsverbindlicher Beschluss
Das OVG befand, dass bei umfassender Würdigung der maßgeblichen Regelungen einiges dafür spreche, dass sich bei Beschwerden im Sinne des Art. 77 DSGVO der Rechtsschutz nicht allein nach Art. 78 Abs. 2 DSGVO richte. Vielmehr stelle die Ablehnung einer Beschwerde durch die Aufsichtsbehörde jeweils einen „rechtsverbindlichen Beschluss“ dar. Für diese Auslegung seien die Erwägungsgründe Nr. 141 und 143 zur DSGVO heranzuziehen. Diese sähen eine Rechtsschutzmöglichkeit nach „ganz oder teilweiser Ablehnung einer Beschwerde“ vor. So solle u.a. jede betroffene Person das Recht haben, bei einer einzigen Aufsichtsbehörde eine Beschwerde einzureichen und einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf einzulegen, wenn sie sich in ihren Rechten gemäß der DSGVO verletzt sehe. Das gleiche gelte, wenn die Aufsichtsbehörde auf eine Beschwerde hin nicht tätig wird oder eine solche Beschwerde abweist. Außerdem solle jede Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf bei dem zuständigen Gericht gegen den Beschluss einer Aufsichtsbehörde haben. Dies betreffe insbesondere auch die Ablehnung oder Abweisung von Beschwerden durch eine Ablehnungsbehörde (Erwägungsgrund 143 der DSGVO). Ferner besäßen die zuständigen Gerichte der Mitgliedstaaten eine uneingeschränkte Zuständigkeit, was die Zuständigkeit, sämtliche für den Rechtsstreit maßgebliche Sach- und Rechtsfragen zu prüfen, einschließe. Werde eine Beschwerde von einer Aufsichtsbehörde abgelehnt oder abgewiesen, könne der Beschwerdeführer Klage bei den Gerichten seines Mitgliedstaats erheben (Erwägungsgrund 143 der DSGVO).

Keine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten des Klägers
Eine Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten des Klägers bestehe jedoch nicht, entschied das Gericht. Der geltend gemachte Anspruch auf eine positive Bescheidung setze voraus, dass ein Löschungsanspruch besteht, den der Kläger auch unmittelbar gegen die Beigeladene zivilrechtlich durchsetzen könne. Daher seien vorliegend die in der zivilrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Löschungsanspruch gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber heranzuziehen. Im Sinne einer einheitlichen Anwendung der DSGVO erscheine es auch geboten, die in der zivilrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auch für die Frage heranzuziehen, in welchem Umfang die in Art. 57 Abs. 1 lit. f) DSGVO vorgesehenen Untersuchungspflichten bestehen. Es stelle deshalb eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Vorbringen eines Beschwerdeführers dar, wenn eine Aufsichtsbehörde überprüft, ob die ablehnende Entscheidung des Verantwortlichen zu beanstanden sei. Sei die Durchsetzung eines solchen Antrages auf dem Zivilrechtsweg bereits gescheitert, werde in der Regel keine Verpflichtung der Aufsichtsbehörde zu weitergehenden Untersuchungen bestehen. Dies gelte insbesondere, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Angelegenheit von grundsätzlicher datenschutzrechtlicher Bedeutung sei. Folglich sei es nicht zu beanstanden, wenn eine Aufsichtsbehörde das ihr zustehende Ermessen regelhaft dahingehend ausübt, von weitreichenden eigenen Ermittlungen abzusehen.

Suchmaschinenbetreiber muss nicht Rechtmäßigkeit der angezeigten Inhalte überprüfen
Das OVG urteilte, dass dem Kläger kein Löschungsanspruch zustehe. In aller Regel sei der Suchmaschinenbetreiber als mittelbarer Störer zu betrachten. Denn nur in Ausnahmefällen würde er sich die angezeigten Ergebnisse inhaltlich zu Eigen machen. Von einem Suchmaschinenbetreiber könne nicht erwartet werden, dass er überprüft, ob die aufgefundenen Inhalte rechtmäßig ins Internet gestellt worden seien. Auch stehe es Aufgabe und Funktionsweise entgegen, wenn dieser Nachforschungen zur Rechtmäßigkeit der angezeigten Inhalte anstellen müsse. Zudem sei die Ermittlung und Bewertung eines Sachverhaltes aufgrund fehlender Angaben nicht ohne weiteres möglich. In der Regel stünden dem Suchmaschinenbetreiber nur die Angaben des Betroffenen zur Verfügung, der die Löschung der Internetseite begehre. Die Kontaktaufnahme zum Verantwortlichen der beanstandeten Internetseite könne einen erheblichen Suchaufwand erfordern.

Meinungs- und Informationsfreiheit überwiegt
Das Gericht entschied, dass auch im Rahmen einer datenschutzrechtlichen Beanstandung Google keine spezifischen Verhaltenspflichten treffen. Vorliegend überwiege die Meinungs- und Informationsfreiheit. Denn es habe keine konkreten Hinweise zu einer offensichtlichen und klar erkennbaren Rechtsverletzung vorgelegen. So sei es z. B. bei Hassreden oder eindeutiger Schmähkritik der Fall. Dabei sei jedoch zu beachten, dass bei Schmähkritik eine persönliche Kränkung ohne sachliche Auseinandersetzung hinzutreten müsse. Entsprechendes gelte für herabsetzende Tatsachenbehauptungen oder Werturteile mit Tatsachenkern. Dabei komme es maßgeblich auf den Wahrheitsgehalt der behaupteten Tatsache an. Hierzu habe Google allerdings typischerweise keine Erkenntnisse. Sei eine Validierung des Betroffenenvortrags aber nicht möglich, führe auch der Maßstab der "offensichtlich und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung" nur in Ausnahmefällen zu einem eindeutigen Ergebnis. Eine sichere und eindeutige Beurteilung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls sei nicht ohne weiteres möglich.

Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 07.10.2019, Az. 5 Bf 291/17


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