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Wettbewerbsrechtliche Grenzen der Abwerbung vom Mitarbeitern

Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Beschluss vom 15.05.2018, Az. 6 W 39/18


Wettbewerbsrechtliche Grenzen der Abwerbung vom Mitarbeitern

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschied am 15.05.2018, dass das Abwerben von Mitarbeitern erlaubt sei, da grundsätzlich die Abwerbungsfreiheit gelte. Nur durch das Hinzutreten weiterer Umstände könne sich das Abwerben als wettbewerbswidrig darstellen. Jedoch sei (mittlerweile) selbst bei Abwerbungen in Größenordnungen, die den Mitbewerber wirtschaftlich gefährden, nicht mehr von einer Wettbewerbswidrigkeit auszugehen.

Wie viele Mitarbeiter können bei der Konkurrenz abgeworben werden?
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Sicherheitsprüfung auf dem Gebiet von Prüfdienstleistungen. In einem Zeitraum von Juli 2017 bis März 2018 kam es zu insgesamt zwölf Kontaktaufnahmen zwischen Mitarbeitern der Antragsgegnerin und Mitarbeitern der Antragstellerin. Ziel war die Abwerbung der Mitarbeiter durch die Antragsgegnerin. Im Ergebnis wechselten auch acht der insgesamt ca. 200 Mitarbeiter der Antragsstellerin zur Antragsgegnerin. Daraufhin wollte die Antragstellerin per einstweiliger Verfügung der Antragsgegnerin untersagen, weiter Kontakt zu ihren Mitarbeitern aufzunehmen. Das Landgericht Frankfurt wies den Antrag ab, da es aufgrund des langen Zeitraumes der Kenntnis über die Abwerbungen bereits an der notwendigen Dringlichkeit fehle. Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

Abwerben von Mitarbeitern grundsätzlich erlaubt
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. sei das Abwerben von Mitarbeitern  wettbewerbsrechtlich grundsätzlich erlaubt. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit sei vom Grundsatz der Abwerbungsfreiheit auszugehen. Denn die Freiheit des Wettbewerbs erstrecke sich auch auf die Nachfrage von Mitarbeitern. Unternehmen stehe kein Anspruch auf den Bestand ihrer Mitarbeiter zu. Außerdem seien die für ein Unternehmen Tätigen in der Wahl ihres Arbeitsplatzes frei. Dies gelte unabhängig davon, ob die Parteien auf dem Absatzmarkt Mitbewerber seien oder nicht. An der Rechtmäßigkeit ändere sich auch nichts, wenn die Abwerbung bewusst und planmäßig erfolge. Auch spiele es keine Rolle, wie viele Mitarbeiter abgeworben werden oder ob es sich um Führungs- bzw. Schlüsselkräfte handle. Denn das Unternehmen könne sich vor derartigen Abwerbungen schützen, indem es seinen Mitarbeitern entsprechende Zugeständnisse mache oder ein vertragliches Wettbewerbsverbot auferlege.

Wettbewerbsfreiheit schützt selbst Existenzgefährdung des Mitbewerbers
Die Wettbewerbswidrigkeit der Abwerbung könne sich nur durch Hinzutreten weitere Umstände einstellen, so das Gericht weiter. Dies gelte nach der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 1966 insbesondere für die Unlauterkeit des Zwecks oder der Methoden der Abwerbung. Jedoch habe diese Rechtsprechung in den vergangenen Jahren zunehmend Kritik erfahren. Es sei nämlich eine Ausprägung der Wettbewerbsfreiheit, den eigene Vorteil auch um den Preis der wirtschaftlichen Gefährdung des Mitbewerbers zu suchen. Auch eine Existenzgefährdung des Mitbewerbers stehe im Einklang mit der dem Wettbewerb innewohnenden Auslesefunktion. Es spreche daher viel dafür, die hiermit verbundene Behinderung (inzwischen) als wettbewerbskonform anzusehen.

Keine Anhaltspunkte für Existenzgefährdung
Vorliegend habe das Oberlandesgericht keine Existenzgefährdung der Antragstellerin oder eine entsprechende Absicht der Antragsgegnerin erkennen können. Insbesondere fehle es am Vortrag, wie sich die konkreten Auswirkungen der Abwerbung darstellen. Zudem sei durch die Zahl der abgeworbenen Mitarbeiter auch keine Existenzgefährdung erkennbar. Die Antragstellerin spreche selbst von acht abgeworbenen Servicetechnikern, was bei insgesamt 135 Servicetechnikern gerade mal 6 % ausmache.

Abwerbung ohne Rücksicht auf andere Möglichkeiten
Zwar werde es teilweise bereits als unlauter angesehen, wenn ohne Rücksicht auf andere Möglichkeiten des Arbeitsmarktes gerade Beschäftigte eines bestimmten Mitbewerbers abgeworben werden. Allerdings lägen die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vor, so das Gericht. Es sei bereits nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin tatsächlich nur Mitarbeiter der Antragstellerin abgeworben habe. Zudem sei selbst das unschädlich, wenn nur zwei Wettbewerber existieren würden. Denn dann wäre die Antragsgegnerin zur Abwerbung von Mitarbeitern der Antragstellerin gezwungen.

Putschähnliche Abwerbung als erschwerende Komponente
Grundsätzlich könne erschwerend berücksichtigt werden, wenn die Übernahme der Mitarbeiter putsch- oder handstreichartig erfolge und neben Mitarbeiter auch Kunden, Kundendaten, Lieferanten und Produktionsmittel übernommen werden. Denn dann würden dem Mitbewerber keine ernsthafte Möglichkeit verbleiben, der Übernahme entgegenzusteuern. Aber auch hierfür fänden sich nach Meinung des Gerichts keine Anhaltspunkte. Denn die Abwerbung erfolgte nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern gestaffelt über ein halbes Jahr. Somit sei der Eingriff in den Betrieb der Antragstellerin gut kompensierbar, da der Personalverlust durch neue Mitarbeiter auszugleichen sei. Zudem sei bei der Gesamtbetrachtung zu würdigen, dass nicht komplette Abteilungen sondern von den Servicetechnikern lediglich eine Handvoll zum Wechsel bewegt worden seien.

Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Beschluss vom 15.05.2018, Az. 6 W 39/18


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