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Sonntags müssen Arbeitnehmer den Briefkasten nicht leeren

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.10.2015, Az. 2 Sa 149/15


Sonntags müssen Arbeitnehmer den Briefkasten nicht leeren

Ein Kündigungsschreiben entfaltet seine Wirkung erst, wenn es dem Angestellten zugegangen ist. Als zugegangen gilt es, sobald es der Mitarbeiter unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen kann, unabhängig davon, ob er es tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Bei Zustellung an einem Sonntag darf der Arbeitgeber die Kenntnisnahme erst am nächsten Werktag voraussetzen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden.

Kündigung am letzten Tag der Probezeit
Eine Anwaltsgehilfin war auf Probe bei einer Rechtsanwaltskanzlei angestellt. Als sie gegen Ende ihrer Probezeit krank wurde, beschloss die Arbeitgeberin, ihr zu kündigen. Die Probezeit lief am 30. November 2014 ab. Eine Botin warf am letzten Tag der Probezeit, einem Sonntag, die Kündigung morgens um 9.30 Uhr in den Briefkasten der Arbeitnehmerin. Die Kanzlei beendete das Arbeitsverhältnis mit der für die Probezeit geltenden gesetzlichen Kündigungsfrist von zwei Wochen auf den 15. Dezember 2014, hilfsweise auf den 31. Dezember 2014.

Die Mitarbeiterin, als Anwaltsgehilfin mit Fristen erfahren, wollte die kurzfristige Kündigung nicht auf sich sitzen lassen und klagte vor dem Arbeitsgericht Lübeck. Sie machte geltend, sie habe den Briefkasten erst am 3. Dezember 2014 leeren können. Daher sei ihr die Kündigung nicht mehr während ihrer Probezeit zugegangen. Ihr Arbeitsvertrag könne nur mit der ordentlichen Kündigungsfrist von vier Wochen frühestens auf Ende Dezember 2014 beendet werden. Das Arbeitsgericht Lübeck gab ihr recht und stellte fest, das Arbeitsverhältnis habe bis zum 31. Dezember 2014 fortbestanden.

Damit war die Arbeitgeberin nicht einverstanden und erhob Berufung. Die Mitarbeiterin hätte auch sonntags mit der Zustellung des Kündigungsschreibens rechnen müssen, zumal dies der letzte Tag ihrer Probezeit gewesen sei. Rechtsanwalt R., der Unterzeichner ihres Arbeitsvertrags, arbeite regelmäßig an Sonntagen. Außerdem würden am Wohnort der Arbeitnehmerin am Wochenende Anzeigenblätter verteilt, weshalb es üblich sei, den Briefkasten auch sonntags zu leeren. Mit Urteil vom 13. Oktober 2015 wies das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein die Berufung zurück (Az. 2 Sa 149/15).

Briefkasteneinwurf am Sonntag – Zugang am Montag
Die Kieler Richter halten fest, dass die Kündigung eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist. Diese entfalte ihre Wirkung erst, wenn sie der Empfängerin zugegangen sei. Als zugegangen gelte sie, sobald sie die Empfängerin unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen könne. Werde das Kündigungsschreiben zu einem Zeitpunkt eingeworfen, zu dem eine Leerung des Briefkastens nicht mehr zu erwarten sei, gehe es der Empfängerin erst am nächsten Werktag zu. Eine Briefkastenleerung am Sonntag ist nach Ansicht der Richter nicht zu erwarten. Dass am Wochenende Anzeigenblätter verteilt werden, ändere nichts. Diese seien nicht mit Briefpost zu vergleichen. Die Kündigung sei der Klägerin somit frühestens am Montag, dem 1. Dezember 2014 zugegangen.

Die beklagte Arbeitgeberin führte zu ihren Gunsten ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Oktober 1976 (Az. 5 AZR 510/75) ins Feld. Das Bundesarbeitsgericht hatte entschieden, dass die Kündigungserklärung einer Hotel-Leiterin durch Übergabe an die Buchhalterin wirksam zugegangen sei. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Zustellung im Geschäftsbetrieb allerdings nicht mit dem Zugang im Privathaushalt vergleichbar. Anders als in einem Privathaushalt existiere im Geschäftsbetrieb eine Organisation, die sicherstelle, dass ankommende Briefsendungen verarbeitet werden können – bei Hotels typischerweise auch am Wochenende.

Im Übrigen sieht das Gericht keine Anzeichen, dass die Klägerin den Zugang des Kündigungsschreibens treuwidrig vereitelt hätte. Sie habe am letzten Tag ihrer Probezeit kein Kündigungsschreiben erwarten müssen, zumal die Arbeitgeberin die Arbeitsleistung der Mitarbeiterin vor deren Erkrankung nicht beanstandet habe.

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.10.2015, Az. 2 Sa 149/15


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