Kündigung wegen exzessiver privater Internetnutzung
Das Landesarbeitsgericht (LAG) in Niedersachsen, hat mit seinem Urteil vom 31.05.2010 unter dem Aktenzeichen 12 Sa 875/09 entschieden, dass ein Arbeitgeber berechtigt ist, einen Angestellten fristlos zu entlassen, wenn dieser über eine längere Zeitspanne hinweg während seiner Arbeitszeit privaten Mailverkehr unterhält. Wenn zu vermuten ist, dass für die Erledigung seiner dienstlichen Aufgaben daneben nicht ausreichend Zeit verblieben ist, kann die Kündigung sogar ohne vorherige Abmahnung erfolgen.
Geklagt hatte ein Angestellter einer Gemeinde gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber wegen mehrmaliger Kündigungen. Bei der Beklagten gibt es eine Dienstanweisung, aus der unter anderem hervorgeht, dass während der Arbeitszeit keine privaten Dinge erledigt werden dürfen. Diese Anweisung hat der Kläger zur Kenntnis genommen. Bislang hatte es die Beklagte jedoch geduldet, dass Beschäftigte das Mailsystem zumindest in der Pause für privaten Mailverkehr nutzen.
Zunächst hatte der Kläger eine Abmahnung erhalten, weil er seinen dienstlichen Telefonanschluss genutzt haben soll, um eine Erotikhotline zu kontaktieren. Eine weitere Abmahnung gab es für die Installation einer Chatsoftware ("ICQ") auf seinem Dienstrechner. Des Weiteren kommunizierte er über ein Partnersuchportal mit einer Korrespondenz im Umfang von rund 770 DIN-A4-Seiten. Außerdem hat er während der Arbeitszeit ferngesehen.
Wegen dieses Verhaltens kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich, wogegen der Kläger eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht D. erhob. Des Weiteren machte er eine Schwerbehinderung geltend, wobei ihm der Behinderungsgrad 40 zuerkannt wurde.
Unterdessen sprach die Beklagte dem Kläger noch weitere außerordentliche Kündigungen aus, gegen die sich der Kläger ebenfalls wehrt. Er behauptet, seine dienstlichen Aufgaben hätten unter der privaten Korrespondenz nicht gelitten, die im Übrigen auch nicht verboten gewesen sei.
Er beantragt die Feststellung, dass die Kündigungen der Beklagten unwirksam seien und das Arbeitsverhältnis weiterhin fortbestehe.
Die Beklagte trägt vor, das Verhalten des Klägers sei bereits im Hinblick auf seine Vorbildfunktion nicht hinnehmbar.
Das Arbeitsgericht D gab dieser Klage in vollem Umfang statt. Die Begründung lautete, dass der Kläger seine Arbeitsrückstände ohne Weiteres hätte aufarbeiten können, wenn er lediglich abgemahnt worden wäre. Teilweise hat das Gericht die Dateien auf dem Arbeitsrechner als dem Verwertungsverbot unterfallend angesehen und den Umfang der privaten Korrespondenz als nicht allzu umfangreich, jedenfalls nicht als ausschweifend bewertet.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Das LAG sieht diese Berufung auch als überwiegend begründet an. Die erste Kündigung sei zwar unwirksam, jedoch die weitere(n) außerordentlichen Kündigungen hätten das Arbeitsverhältnis beednet, so das Gericht. Das schon lange bestehende Arbeitsverhältnis könne nur noch aus wichtigem Grund außerordentlich geküdigt werden, ein solcher liege aber vor. Denn es sei der Beklagten nicht zumutbar, das Verhalten des Klägers länger hinzunehmen. Der Zweck dieser Kündigung sei keine Sanktion für die begangene Pflichtverletzung aus dem Vertragsverhältnis, sondern die Vermeidung weiterer wesentlicher Pflichtverletzungen. In der Regel sei eine Abmahnung vor einer Kündigung erforderlich, um eine negative Prognose bezüglich des Verhaltens des Abgemahnten zu objektivieren. Schwerpunkt der Abmahnung sei es gewesen, die Veruntreuung öffentlicher Mittel durch das Nutzen der Erotikhotline sowie die Gefährdung der dienstlichen Software durch nicht zugelassene Programme zu verhindern. Die Vergeudung von Arbeitszeit wurde in diesem Zusammenhang von der Beklagten nicht geltend gemacht. Hierin hätte auch kein ausreichender Grund für die Kündigung gelegen.
Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen, Urteil vom 31.05.2010, Aktenzeichen 12 Sa 875/09.