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Krankenschein und Zeitungen ausgetragen

LAG Mainz, 5 Sa 275/13


Krankenschein und Zeitungen ausgetragen

Ein Arbeitnehmer, der krankgeschrieben wurde, muss sich so verhalten, dass er den Genesungsprozess nicht behindert. Ein Arbeitgeber darf ihm jedoch nicht gleich kündigen, wenn er den Verdacht hegt, dass der Angestellte die Krankheit nur vorgetäuscht hat oder sich genesungswidrig verhält. Eine diesbezügliche Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn schwerwiegende Verstöße vorliegen, die objektiv nachgewiesen werden können. 

Geklagt hatte ein schwerbehinderter Produktionsmitarbeiter, der von seiner Firma aus Verhaltensgründen am 18. Oktober 2012 fristlos gekündigt worden war. Eine ebenfalls auf Verhaltensgründen basierende fristgerechte Kündigung ging dem Kläger am 28. November 2012 zu. Einen Tag nach der fristlosen Kündigung erhob der Schwerbehinderte Kündigungsschutzklage, die er am 04. Dezember 2012 mit Bezug auf die zweite Kündigung erweiterte. 

Die Kündigung war ausgesprochen worden, weil sich der Kläger zwar wegen Rückenproblemen hatte krankschreiben lassen, aber während der Krankschreibungszeit nächtens Zeitungen austrug. Die Darstellungen von Kläger und Beklagte unterscheiden sich in Hinblick darauf, ob der Kläger die Zustelltätigkeit allein oder in Begleitung seiner Frau ausübte. Jedenfalls sah die Firma in dem Umstand, dass sich der Kläger an der Zustellarbeit zumindest beteiligt hatte, ein genesungswidriges Verhalten und warf ihm zudem die Vortäuschung seines Krankenstandes vor. Zu einem Klärungsgespräch, bei dem unter anderem eine Schwerbehindertenvertretung und ein Mitglied des Betriebsrats anwesend waren, war der Kläger nicht erschienen. Nachdem das zuständige Integrationsamt seine Zustimmung für die Aussprache einer fristlosen Nachweiskündigung und darüber hinaus einer Verdachtskündigung zugestimmt hatte, wurde der Betriebsrat des Unternehmens zu dem Fall gehört. Dieser gab seinen Bedenken gegenüber den Kündigungen Ausdruck. 

Als Begründung für seine Klage gab der Schwerbehinderte an, seine Krankheit keinesfalls vorgetäuscht zu haben. Zudem stellte er in Abrede, sich genesungswidrig verhalten zu haben. Als Beleg dafür legte der Kläger ein Attest vor, in dem bescheinigt wurde, dass das Austragen von 30 Zeitungen bei kurzen Wegen der Genesung nicht hinderlich sei. Mit seiner Klage beantragte der Schwerbehinderte, die Kündigung für nichtig zu erklären und die Beklagte zu verurteilen, ihn weiter zu beschäftigen. Die Beklagte plädierte auf Zurückweisung der Klage. Nach ihren Ausführungen schien ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. 

In erster Instanz stellte das Arbeitsgericht (AG) Kaiserslautern fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den streitenden Parteien nicht aufgelöst worden sei. Daraufhin ging die Beklagte in Berufung. 

Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Mainz brachte die Beklagte auch den Umstand zur Sprache, dass der gekündigte Mitarbeiter die Nebentätigkeit als Zeitungszusteller ihr gegenüber nicht angezeigt hätte wie es seine Pflicht gewesen wäre. Zudem verwies sie auf die große Menge an krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers. Die Beklagte beharrte auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses, während der Kläger beantragte, die Berufung zurückzuweisen. Er verwies unter anderem auf das bereits seit November 1994 bestehende Arbeitsverhältnis und darauf, dass ihm gegenüber im Vorfeld der Kündigung keine Abmahnung ausgesprochen worden sei. 

Mit seinem Urteil bestätigte das LAG Mainz die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurück. Das LAG erklärte die fristlose Kündigung aufgrund fehlender gesetzlicher Voraussetzungen für unwirksam. Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung sei das Vorhandensein eines objektiv vorliegenden Sachverhalts und nicht der subjektive Eindruck des Kündigenden. Zudem bedürfe die wegen einer Vertragspflichtverletzung ausgesprochene Kündigung im Vorfeld einer Abmahnung, um demjenigen, der sie erhält, Gelegenheit zu einer Verhaltensänderung zu geben. Auf eine Abmahnung kann nur dann verzichtet werden, wenn der Verstoß äußerst gravierend ist. Im Übrigen hatte die Beklagte die Kammer nicht vollständig davon überzeugen können, dass der Kläger seine Krankheit vorgetäuscht habe. Im Gegenteil spreche viel dafür, dass der Kläger tatsächlich nicht arbeitsfähig gewesen sei. 

Wie das LAG weiter ausführte, hat ein Arbeitnehmer im Krankheitsfall dafür Sorge zu tragen, dass er möglichst schnell wieder gesund wird. Eine Verletzung dieser Treuepflicht kann jedoch von Rechts wegen nur in schwerwiegenden Fällen eine außerordentliche Kündigung nach sich ziehen. Ein derart gravierender Fall liegt hier jedoch nach Auffassung beider Instanzen nicht vor. Da auch im Vorfeld der später erteilten fristgerechten Kündigung keine Abmahnung ausgesprochen worden war und die Beklagte auch hier nicht habe nachweisen können, dass die Krankheit des Klägers vorgetäuscht war, musste auch diese Verdachtskündigung für unwirksam erklärt werden. 

Das Urteil ist rechtskräftig, eine Revision wurde nicht zugelassen. 

LAG Mainz, Urteil vom 11.11.2013, Az. 5 Sa 275/13


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