Klageverzicht im Kündigungsschutzprozess
Hat ein Arbeitnehmer in einem Formular auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet und der Arbeitgeber im Gegenzug ein Arbeitszeugnis mit der Note gut ausgestellt, gilt die Vereinbarung. Anderenfalls muss der Arbeitnehmer beweisen, dass ihm ohne Vereinbarung zweifelfrei eine gute Beurteilung zugestanden hätte.
Verzichtet ein Arbeitnehmer schriftlich auf das Recht einer Kündigungsschutzklage und nimmt als Gegenleistung des Arbeitgebers ein Arbeitszeugnis mit der Note gut an, besteht der Verzicht fort. Es sei denn, der Arbeitnehmer kann vor Gericht beweisen, dass ihm ein gutes Arbeitszeugnis gebührt hätte.
Zur Sachlage:
Der Kläger ist seit 11 Jahren in der Fleischerei der Beklagten beschäftigt. Nachdem er längere Zeit krank war und wieder vollschichtig arbeitet, bemüht sich die Beklagte in mehreren Gesprächen um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Einige Monate später kündigt die Beklagte dem Kläger betriebsbedingt. Beide Parteien vereinbarten schriftlich, dass die Beklagte dem Kläger ein durchweg positives Arbeitszeugnis ausstellt und er seinerseits auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet.
Wenige Tage danach widerruft der Kläger vor dem Arbeitsgericht Hannover und begründet die Klage mit der Unwirksamkeit der Kündigung nebst Verzichterklärung.
Das Arbeitsgericht Hannover weist die Klage zurück und entspricht dem Antrag der Beklagten.
Vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen legt der Kläger fristgerecht Berufung ein und argumentiert erneut wie folgt:
Der Geschäftsführer der Beklagten habe ihn hinsichtlich der Kündigung getäuscht. Da er diesem vertraute, unterschrieb der die strittige Erklärung ohne sie durchzulesen. Die Kündigung enthielte ebenfalls gravierende Mängel. Das Verhältnis zwischen Geben und Nehmen sei gestört. Er habe auch ohne Vereinbarung einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis mit der Note gut, sodass ein solches nicht als adäquater Ausgleich angesehen werden könnte. Er wäre immer pünktlich zur Arbeit erschienen und schon aus diesem Grund mit einem guten Arbeitszeugnis zu versehen.
Der Kläger beantragt beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen, das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover abzuändern und die Kündigung für unwirksam zu erklären. Die Beklagte fordert wiederum, die Klage zurückzuweisen.
Im Ergebnis folgt das Landesarbeitsgericht Niedersachsen dem Urteil des Arbeitsgerichts Hannover und weist die Klage des Klägers mit folgender Begründung ab:
Aufgrund der durch den Kläger unterschriebenen Vereinbarung sei das Arbeitsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter rechtswirksam aufgelöst worden. Aus diesem Grund ist die Klage unbegründet.
Zu den entscheidungserheblichen Tatsachen macht das Gericht vertiefend folgende Anmerkungen:
Den Beweis des Irrtums oder der arglistigen Täuschung bleibt der Kläger schuldig. Ihm gelingt es während des Prozesses nicht, das Gericht vom Vorliegen einer Rechtsverletzung in Bezug auf die strittige Vereinbarung zu überzeugen. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts war das Schriftstück gut lesbar, einfach verfasst und zu verstehen. Zwar erwecke der Kläger den Anschein des Ehrlichen und Glaubwürdigen, doch sei das in seiner Rolle normal und nichts, was die Richter herausragend bewerten könnten. Ob er die Vereinbarung gelesen hat, bleibt zwielichtig und nicht abschließend zu klären.
Die Klageverzichtserklärung ist auch deshalb wirksam, weil der Grundsatz „Klageverzicht bei Kompensation“ eingehalten worden ist. Hier hatte der Kläger das Verhältnis zwischen Geben und Nehmen gerügt. Ein gutes Arbeitszeugnis, dass ihm aufgrund seiner Arbeit auszustellen wäre, sei keine angemessene Kompensation für den Verzicht auf eine Klage. Die Richter am Landgericht stellten klar, dass jedem Arbeitnehmer lediglich ein befriedigendes Arbeitszeugnis zusteht. Sagt der Arbeitgeber indes ein Zeugnis mit guten Noten zu, ist das einem Klageverzicht äquivalent. Ausgestattet mit einem guten Zeugnis besitzt der Arbeitnehmer durch die „Visitenkarte“ einen gewissen Wert und erfährt die Wertschätzung des Arbeitgebers. Alles, was über eine durchschnittliche Beurteilung hinausginge, muss der Kläger begründen. Das sei hier nicht hinreichend erfolgt. Im Ergebnis hält das Gericht die Kündigung für rechtswirksam. Weder der Kläger musste auf sein Recht der Kündigungsschutzklage verzichten, noch die Beklagte ein gutes Arbeitszeugnis ausstellen.
LAG Niedersachsen, Urteil vom 27.03.2014, 5 Sa 1099/13