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Falschüberweisung kein Kündigungsgrund

Irrtümlicherweise rund 222 Millionen statt 62,40 Euro überwiesen: Nicht zwingend ein Kündigungsgrund


Falschüberweisung kein Kündigungsgrund

Sofern eine Bankangestellte im Rahmen von Kontrollaufgaben beim Überweisungsgeschäft versehentlich einen höheren Betrag als vorgesehen freigeben sollte, rechtfertigt dies nicht zwingend eine Kündigung – weder außerordentlich noch ordentlich. Voraussetzung ist, dass keine vorsätzliche Manipulation der Arbeitsabläufe zu erkennen oder eine vorsätzliche Schädigung des Arbeitgebers anzunehmen ist. Gleichermaßen darf eine negative Prognose nach Abwägung aller Umstände nicht erkennbar sein, die eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen stützen könnte.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Das Hessische Landesarbeitsgericht entschied über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses, nachdem eine Bankangestellte einen Überweisungsauftrag über 222.222.222,22 € ungeprüft durchgehen ließ, wobei diese Betragseingabe aus einem Sekundenschlaf eines Angestellten unter Betätigung der Taste „2“ resultierte und ursprünglich ein Betrag von 62,40 € überwiesen werden sollte. Zu den Aufgaben der Bankangestellten gehörte allerdings insbesondere die Prüfung von Überweisungsbelegen einschließlich gegebenenfalls erforderlicher Korrekturen. Im Rahmen des Verfahrens wurde deutlich, dass die Betroffene weitere aufwands- und zeitintensive Aufgaben wahrnahm. Die Bankangestellte hatte aufgrund des Vorfalls neue Regelungen zur Risikominimierung bei Überweisungen mit dem Ziel getroffen, ein derartiges Ereignis für die Zukunft zu vermeiden. Der Betriebsrat widersprach im Rahmen einer Anhörung der beabsichtigten Kündigung der Bankangestellten. Dennoch wurde neben einer fristlosen auch die fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen. Die Betroffene erhob Kündigungsschutzklage, der das Arbeitsgericht Frankfurt am Main in erster Instanz bereits stattgegeben hatte.

Das Urteil wurde folgendermaßen begründet:

Durchaus habe es sich um einen schweren Arbeitsfehler gehandelt, doch fehle es an einer hinreichend negativen Verhaltensprognose. Die Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung sei nicht die Intention einer Kündigung. Vielmehr gehe es um die Vermeidung des Risikos etwaiger weiterer Pflichtverletzungen. Dementsprechend müsse die vergangene Pflichtverletzung sich noch in der Zukunft belastend auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Dies kann im Regelfall bejaht werden, wenn weitere Vertragsverletzungen feststellbar waren und diese mit einer oder mehreren Abmahnungen geahndet wurden. Eine Abmahnung sei lediglich bei einer schweren Pflichtverletzung entbehrlich, die eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausschließt (siehe auch Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.06.2011, Az. 2 AZR 381/10). Nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichtes handelte es sich vorliegend um ein einmaliges Versagen, welches alleine durch die Androhung von Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis dennoch eine positive Prognose zuließe. Unter Umständen wurden zudem die Regelungen zur Risikominimierung bei künftigen Überweisungen, die von der Bankangestellten getroffen wurden, positiv gewertet.

Hinsichtlich der von dem Arbeitgeber unterstellten aktiven Täuschung sei festzuhalten, dass das Drücken der Freigabetaste ohne Kontrolle die Vertragsverletzung selbst und hierbei ein objektiver Maßstab anzulegen sei. Es käme bei der Bewertung, ob eine Zerstörung des Vertrauens zu bestätigen ist, nicht auf den subjektiven Standpunkt des Arbeitgebers an. Ein irreparabler Vertrauensverlust sei nicht anzunehmen. Die Handlung ließe keinen Vorsatz erkennen und zielte nicht auf die bewusste Schädigung des Arbeitgebers ab.

Im Ergebnis wäre der beklagten Bank eine Abmahnung noch zumutbar gewesen.

Die von dem Arbeitgeber hilfsweise begehrte Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht wurde zurückgewiesen. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit könne entgegen der Auffassung der Bank erwartet werden. Zudem soll es während des Kündigungsschutzprozesses zu keinen zusätzlichen Spannungen zwischen den Parteien gekommen sein. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Stattgabe des Antrages seien nicht erfüllt.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 07.02.2013, Az. 9 Sa 1315/12


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