Alkoholismus als Kündigungsgrund nach Entzug
Das Landesarbeitsgericht (LArbG) in Berlin-Brandenburg hat mit seinem Urteil vom 05.09.2012 unter dem Aktenzeichen 15 Sa 911/12 entschieden, dass eine krankheitsbedingte Kündigung wegen einer Alkoholsucht eines Arbeitnehmers nicht in jedem Fall durch betriebliche Interessenbeeinträchtigung gerechtfertigt werden könne.
Das Gericht äußerte diesbezüglich Bedenken, ob ein einziger Rückfall während einer Entzugstherapie eines Alkoholikers eine negative Prognose begründen könne.
In jedem Fall könne ausgeschlossen werden, dass durch einen Rückfall in jedem Fall betriebliche Interessen unzumutbar beeinträchtigt werden.
In dem verhandelten Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer Kündigung, die wegen eines Rückfalls des Klägers in die Alkoholsucht vom Beklagten ausgesprochen worden war.
Das Arbeitsgericht Berlin hatte einer Kündigungsschutzklage stattgegeben. Da der Kläger keine Möglichkeit gehabt habe, aus seinem täglichen Umfeld herauszukommen, in welchem er den Versuchungen zum Alkoholkonsum ausgesetzt sei, könne aus einem Rückfall nicht geschlossen werden, dass seine latente Alkoholkrankheit reaktiviert worden sei. Es sei auch nicht anzunehmen, dass er als Elektriker nicht mehr einsatzfähig wäre. Auch sei nicht vorgetragen worden, dass der Kläger alkoholisiert zur Arbeit erschienen sei oder wegen Ausfallerscheinungen in Folge seiner Alkoholsucht nicht arbeitsfähig gewesen sei oder Fehlleistungen getätigt hätte.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung beim LArbG. Sie ist der Ansicht, nicht schuld daran zu sein, dass der Kläger keine stationäre Therapie habe erhalten können. Vielmehr habe der Kläger wiederholt gezeigt, dass er zu einer zwingend nötigen Alkoholabstinenz nicht fähig sei. Sehr wohl lägen betriebliche Beeinträchtigungen vor, denn der Kläger arbeite mit Stromanlagen (Steckdosen, Schalter etc.) von 220 Volt. Daher könne auch ein einziger Missgriff zu erheblichen Schäden des Klägers oder seinen Kollegen führen. Eine ständige Kontrolle sei nicht möglich, weil der Kläger allein arbeiten würde. Auch würden Fehlzeiten zu Beeinträchtigungen führen.
Der Kläger wendet ein, der Personalleiter des Betriebs habe eine stationäre Behandlung verhindert. Auch sei die Kündigung schon deswegen unwirksam, weil lediglich abstrakte Gefahren aufgeführt wurden.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Es gebe nämlich keine Erfahrungswerte wonach geschlossen werden könne, dass ein einziger Rückfall einen Therapieerfolg hinfällig machte. Dies könne offen bleiben, ebenso wie die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre, einer stationären Therapie zuzustimmen. Jedenfalls könne nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung des Betriebes ausgegangen werden.
Eine solche könne sich etwa aus hohen Lohnfortzahlungskosten ergeben, hierzu wurde jedoch nichts vorgetragen. Zudem fehle es an Ausfallerscheinungen, die die Behauptung einer Eigen- und Fremdgefährdung belegen könnten. Gleiches gelte für die vorgebliche Ungeeignetheit des Arbeitnehmers. Dass auf andere Mitarbeiter kurzfristige Vertretungsaufgaben, damit Mehrarbeit und Überstunden zukommen, sei hinnehmbar. Zumal es an Vortrag fehlt, ob und wann es in der Vergangenheit überhaupt dazu gekommen sei
Die Berufung sei somit abzuweisen.
LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.09.2012, Aktenzeichen 15 Sa 911/12