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Zur irreführenden Werbung mit Testergebnissen

Oberlandesgericht Frankfurt/Main, Beschluss vom 18.11.2021, Az. 6 W 92/21
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main beschloss am 18.11.2021, dass eine Werbung mit „Testsieger … aus über 500 getesteten Matratzen“ irreführend sei, wenn diese Matratzen nicht in einem, sondern in mehreren Tests über mehrere Jahre hinweg geprüft wurden.

Führen mehrere zusammengefasste Tests in die Irre?
Beide Parteien waren Wettbewerber beim Online-Vertrieb von Matratzen. In der Ausgabe 10/2019 veröffentlichte die Stiftung Warentest einen Matratzentest. Dabei wurde die Matratze „Emma One“ in der Größe 90 × 200 cm und im Härtegrad “hart“ der Antragsgegnerin getestet und erhielt die Testnote „gut“ (1,7). Sie wurde damit zusammen mit einer anderen Matratze zum Testsieger ausgelobt. Die Antragsgegnerin warb in ihrem Onlineshop für ihre „Emma One“-Matratzen, allerdings mit anderem Härtegrad und anderen Größen als die getesteten jeweils mit „TESTSIEGER STIFTUNG WARENTEST: Nicht nur unsere Kunden sind überzeugt. Aus über 500 getesteten Matratzen wurde unsere Emma Matratze als Testsieger mit der Bestnote 1,7 ausgezeichnet (Getestet durch Stiftung Warentest, Ausgabe 10/2019 in der Größe 90×200 im Härtegrad hart)“. Die Antragstellerin erachtete dies als irreführend, u.a. aus Gründen der Blickfangwerbung. Die Vorinstanz wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Dagegen legte die Antragstellerin Beschwerde ein; dieser wurde jedoch nicht abgeholfen.

Keine Blickfangwerbung
Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main erkannte keine Irreführung durch Blickfangwerbung. Denn es fehle an einem Blickfang; von einem „Ins-Auge-fallen“ könne nicht gesprochen werden. Das Angebot der Antragsgegnerin sei auf der linken Seite des Onlineshops mit einem großformatigen Foto und auf der rechten Seite mit Informationen über das Produkt sowie weiteren Informationen zu sehen. Diese seien drucktechnisch nicht hervorgehoben. Erst nach herunterscrollen gelange der Nutzer überhaupt zu dem Teil der Werbung, in dem die streitgegenständliche Äußerung enthalten sei. Unter der Überschrift “Info zu diesem Artikel“ werden eine Reihe von weiteren Informationen drucktechnisch nicht hervorgehoben, sondern nach Art eines Fließtextes mit Spiegelstrichen aufgeführt. Unter dem ersten Spiegelstrich befinde sich auch der streitgegenständliche Passus. Der Begriff „Testsieger Stiftung Warentest“ sei aber lediglich in Großbuchstaben gehalten. Dies stelle allenfalls eine geringfügige Hervorhebung dar, die keine große Wirkung habe.

Erklärende Zusatz hat teil an Aussage
Auch erweise sich die Aussage selbst nicht als unlauter, so das Gericht. Denn es sei zu berücksichtigen, dass der Verkehr die Werbeaussage nicht flüchtig wahrnehme. Grund sei, dass es sich bei Matratzen um langlebige und höherpreisige Produkte handele. Diese werden nur in großen zeitlichen Abständen erworben. Der Durchschnittsverbraucher setze sich daher mit dem Angebot interessiert und aufmerksam auseinander. Auch sei die Aufmerksamkeit deshalb erhöht, weil der Kunde der Werbung nicht nur zufällig und flüchtig begegne. Vielmehr suche er die Internetseite gezielt auf der Suche nach einem konkreten Produkt auf. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sich der aufklärende Hinweis in unmittelbarer Nähe zu der angegriffenen Aussage befindet und der Kunde einfach nur weiterlesen müsse. Werde der Durchschnittskunde also veranlasst, die unter „Info zu diesem Artikel“ aufgeführten weiteren Informationen zur Kenntnis zu nehmen, werde er nicht bereits nach den ersten drei Wörtern „Testsieger Stiftung Warentest“ aufhören, sondern den Text weiterlesen. In dem Falle komme er aber zu dem aufklärenden Hinweis am Ende des Satzes.

Irreführende Werbung mit Testergebnis
Das OLG erachtete jedoch die Werbung mit einem Testsieg „aus über 500 getesteten Matratzen“ als irreführend. Unstreitig habe die Stiftung Warentest nicht einen Test mit 500 Matratzen vorgenommen. Vielmehr habe die Antragsgegnerin für diese Aussage mehrere, über einen Zeitraum von mehreren Jahren durchgeführte Tests zu einer Aussage „zusammengefasst“. Der Kunde verstehe die Aussage jedoch dahingehend, dass tatsächlich nur ein einziger Test durchgeführt wurde. Zwar sei ein so umfangreiches Testfeld mit 500 Matratzen ungewöhnlich. Allerdings führe dies nicht automatisch zur Annahme, dass gerade nicht nur ein, sondern mehrere Tests durchgeführt worden seien. Der regelmäßige Leser von Testberichten könne eine derartige Kenntnis haben; ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Kunden aber gerade nicht. Die Irreführung eines nicht unerheblichen Teils des Verkehrs sei aber bereits für eine Irreführung ausreichend.

Irreführung kann zu geschäftlicher Entscheidung führen
Die Irreführung sei auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, so das Gericht weiter. Die Bedeutung eines Testes, bei dem zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Vielzahl von Wettbewerbsprodukten zeitgleich getestet werden, sei eine andere als bei Tests über einen Zeitraum von mehreren Jahren, die zusammengefasst werden. Änderungen in Marktumfeld und Produktausstattung können z.B. bei einer „Zusammenfassung“ mehrerer Tests einen verzerrenden Effekt auslösen. Dieser Effekt werde bei einem einzigen, zu einem bestimmten Zeitpunkt durchgeführtem Test nicht erwartet. Diesem Test werde der Kunde daher eine höhere Validität zumessen.

OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 18.11.2021, Az. 6 W 92/21

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