Zugang einer E-Mail bei automatisierter Rückmeldung

Im digitalen Zeitalter spielt die E-Mail eine entscheidende Rolle in der rechtssicheren Kommunikation zwischen Privatpersonen, Unternehmen und Behörden. Doch was passiert, wenn eine E-Mail zwar technisch einwandfrei versendet wird, aber der Empfänger automatisiert zurückmeldet, dass die Adresse nicht mehr aktiv genutzt wird?
Genau um diese Frage drehte sich ein aktueller Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 03.03.2025 (Az.: 32 C 226/24), der für Klarheit beim rechtlichen Zugang von E-Mails sorgt – und gleichzeitig deutlich macht, dass Kommunikationsverantwortung keine Einbahnstraße ist.
Der konkrete Sachverhalt – Was war passiert?
In dem zugrundeliegenden Fall verlangte eine Vermieterin von ihrem Mieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung nach § 558b BGB. Die Zustimmung ist dabei an eine Frist gebunden und muss innerhalb von zwei Monaten nach Zugang des Erhöhungsverlangens erfolgen.
Der Mieter erklärte diese Zustimmung fristgerecht per E-Mail an die Adresse, die im Schriftwechsel mit der Vermieterin bislang stets verwendet worden war. Kurz darauf erhielt der Mieter jedoch eine automatisierte Antwort: Die E-Mail-Adresse sei nicht mehr aktiv, Eingänge würden nicht mehr weitergeleitet und daher auch nicht gelesen.
In Anbetracht der Wichtigkeit seiner Zustimmung versandte der Mieter sicherheitshalber wenige Tage später ein weiteres Schreiben mit der Zustimmung – diesmal postalisch.
Trotzdem ging die Vermieterin anschließend gerichtlich gegen den Mieter vor – mit der Behauptung, dieser habe nicht fristgerecht zugestimmt. Der Mieter wiederum verwies auf die frühzeitig abgesendete E-Mail und die ergänzend nachgereichte postalische Mitteilung.
Der Rechtsstreit wurde schließlich durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beigelegt. Die zentrale Frage, über die das Amtsgericht Hanau dennoch zu entscheiden hatte, war: Wer trägt die Kosten des Verfahrens? Die Beantwortung dieser Frage hing maßgeblich davon ab, ob die E-Mail als rechtlich zugegangen gelten konnte.
Die zentrale Rechtsfrage: Wann gilt eine E-Mail als zugegangen?
Nach ständiger Rechtsprechung gilt eine empfangsbedürftige Willenserklärung dann als zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Im digitalen Kontext stellt sich also die Frage: Genügt es für den Zugang, wenn die E-Mail den Server des Empfängers erreicht – auch wenn dieser automatisiert zurückmeldet, dass die Adresse nicht mehr betreut wird?
Die Entscheidung des AG Hanau im Detail
Das Amtsgericht Hanau stellte in seinem Beschluss klar:
„Die E-Mail ist der Vermieterin rechtlich zugegangen, da sie auf dem Mailserver eingegangen ist.“
Diese Aussage ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert:
- Zugang = Serverempfang: Der Zugang sei bereits mit dem Eingang der E-Mail auf dem Server des Empfängers erfolgt – unabhängig davon, ob diese E-Mail tatsächlich gelesen oder verarbeitet wurde.
- Automatisierte Rückmeldung ist irrelevant: Die automatische Antwort, wonach die Adresse nicht mehr aktiv genutzt werde, ändere nichts am erfolgten Zugang. Im Gegenteil – die automatische Rückmeldung sei sogar ein Indiz dafür, dass die E-Mail den Server erreicht habe.
- Verantwortung beim Empfänger: Wer eine E-Mail-Adresse weiterhin betreibt (also technisch erreichbar hält), trägt auch die Verantwortung für dort eingehende Nachrichten. Wer dies nicht wünscht, muss die Adresse deaktivieren – nicht nur passiv stilllegen.
Damit folgte das Gericht einer technisch und rechtlich logischen Auslegung: Wer seinen digitalen Briefkasten offenlässt, muss sich so behandeln lassen, als habe er die eingehenden Nachrichten entgegengenommen.
Konsequenzen für die Kostenentscheidung
Da der Mieter die Zustimmung zur Mieterhöhung fristgerecht übermittelt hatte – rechtlich wirksam per E-Mail – war die Klage der Vermieterin ursprünglich unbegründet. Die Kosten des Verfahrens wurden daher der Klägerin (Vermieterin) auferlegt, obwohl es später zu einer übereinstimmenden Erledigungserklärung kam.
Weitergehende rechtliche Einordnung
Diese Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der obergerichtlichen Linie zur elektronischen Kommunikation:
- Bereits 2011 urteilte das OLG Köln, dass eine E-Mail mit Eingang auf dem Server als zugegangen gilt (OLG Köln, Beschluss v. 26.01.2011 – 6 W 6/11).
- Auch der BGH bestätigte 2019 im Zusammenhang mit Faxen, dass der Zugang nicht vom tatsächlichen Lesen, sondern vom Erreichen des Machtbereichs abhängt (BGH, Urt. v. 06.11.2019 – VIII ZR 340/18).
Die Besonderheit im Fall des AG Hanau lag also weniger in der Grundsatzfrage des E-Mail-Zugangs, sondern in der neuartigen Konstellation mit der automatisierten Rückmeldung – und der Frage, ob sich dadurch der Machtbereich wieder "schließt". Das Gericht verneinte dies zu Recht.
Wichtige Lehren für die Praxis
Für E-Mail-Empfänger (z. B. Unternehmen, Vermieter, Behörden):
- Wenn eine E-Mail-Adresse offiziell im Verkehr verwendet wird (z. B. auf Briefpapier, Verträgen oder Webseiten), muss sich der Inhaber an dem dort eintreffenden Verkehr festhalten lassen.
- Eine automatisierte Rückmeldung, dass die Adresse nicht betreut wird, entbindet nicht von der rechtlichen Verantwortung.
- Wer eine Adresse nicht mehr nutzen möchte, muss sie entweder ganz deaktivieren oder für eine automatische Weiterleitung sorgen.
Für Absender:
- Eine automatisierte Rückmeldung kann darauf hindeuten, dass die E-Mail formal zugegangen ist – sie ist damit rechtlich grundsätzlich wirksam.
- Dennoch ist Vorsicht geboten: Wer sicherstellen will, dass eine Erklärung auch zur Kenntnis genommen wird, sollte einen zusätzlichen Kommunikationsweg wählen (z. B. Post oder persönliche Übergabe).
- Gerade bei fristgebundenen Willenserklärungen ist ein Nachweis über den Zugang (z. B. Sendebestätigung, Screenshot, Zeuge) empfehlenswert.
Fazit
Der Beschluss des Amtsgerichts Hanau hat große praktische Relevanz für die alltägliche Kommunikation. Er unterstreicht, dass der Zugang einer E-Mail grundsätzlich mit dem Eingang auf dem Server erfolgt – unabhängig von etwaigen automatisierten Rückmeldungen. Die Entscheidung schützt damit die Integrität der elektronischen Kommunikation und schafft mehr Rechtssicherheit.
Zugleich macht das Gericht deutlich: Auch wenn eine Erklärung formal zugegangen ist, kann der Absender – je nach den Umständen – verpflichtet sein, eine zusätzliche Übermittlung zu veranlassen, um seine vertraglichen Nebenpflichten zu erfüllen.
Die digitale Kommunikation bleibt damit zwar rechtlich verbindlich – doch wer auf Nummer sicher gehen will, muss nicht nur senden, sondern auch mitdenken.
Ansprechpartner
Frank Weiß
Frank Weiß
Andere über uns
WEB CHECK SCHUTZ
Gestalten Sie Ihre Internetseite / Ihren Onlineshop rechts- und abmahnsicher.
Erfahren Sie mehr über die Schutzpakete der Anwaltskanzlei Weiß & Partner für die rechtssichere Gestaltung Ihrer Internetpräsenzen.