Zugang einer E-Mail trotz Auto-Reply

In der digitalen Welt ist die E-Mail längst ein zentraler Bestandteil der Geschäftskommunikation – schnell, effizient und (vermeintlich) zuverlässig. Doch was passiert, wenn eine versendete E-Mail zwar im Postfach des Empfängers eingeht, aber automatisch mit der Mitteilung quittiert wird, dass die E-Mail-Adresse nicht mehr verwendet wird? Gilt die Nachricht dann als zugegangen – und damit rechtlich wirksam?
Mit genau dieser Frage hatte sich das Amtsgericht Hanau in seinem Beschluss vom 03.03.2025 (Az.: 32 C 226/24) zu befassen. Das Ergebnis: Der Zugang der E-Mail ist dennoch wirksam – mit weitreichenden Folgen für die rechtliche Bewertung digitaler Kommunikation. Der folgende Beitrag analysiert den Fall ausführlich und erklärt verständlich die rechtlichen Grundlagen und praktischen Implikationen.
Der Hintergrund: Streit im Mietverhältnis
Der konkrete Rechtsstreit entfaltete sich im Rahmen eines ganz alltäglichen Mietverhältnisses.
- Der Mieter (Beklagter) hatte eine E-Mail mit einer Zustimmungserklärung zu einer von der Vermieterin (Klägerin) beabsichtigten Mieterhöhung gesendet.
- Adressiert wurde diese E-Mail an die bekannte und bislang genutzte E-Mail-Adresse der Vermieterin.
- Kurze Zeit später erhielt der Mieter jedoch eine automatische Antwort (Auto-Reply), mit dem Hinweis: Diese E-Mail-Adresse werde nicht mehr verwendet, E-Mails würden nicht weitergeleitet.
- Die Vermieterin hatte zwischenzeitlich eine neue E-Mail-Adresse eingerichtet, was dem Mieter nicht mitgeteilt worden war.
Als die Zustimmung zur Mieterhöhung ausblieb, klagte die Vermieterin – unter anderem mit der Begründung, dass die E-Mail des Mieters nicht zugegangen sei.
Die zentrale Rechtsfrage: Ist eine E-Mail trotz Auto-Reply zugegangen?
Das Gericht hatte nun zu klären:
Gilt eine E-Mail, die an eine (noch aktive) E-Mail-Adresse geschickt und automatisch mit einem Hinweis auf Nichtnutzung beantwortet wird, dennoch als zugegangen im Sinne des § 130 BGB?
Die rechtliche Einordnung: Zugang nach § 130 BGB
Gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wirksam, wenn sie zugeht.
Nach ständiger Rechtsprechung gilt eine Erklärung als zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen Kenntnis nehmen kann. Im digitalen Zeitalter ist dies bei einer E-Mail grundsätzlich dann der Fall, wenn sie auf dem Server oder im Postfach des Empfängers gespeichert ist – also potenziell abrufbar ist.
Entscheidung des AG Hanau: Eindeutig zugegangen!
Das Amtsgericht Hanau entschied klar und unmissverständlich: Die E-Mail des Mieters war der Vermieterin zugegangen. Und zwar trotz der automatischen Antwort mit dem Hinweis auf eine Nichtverwendung der Adresse.
1. Technischer Zugang war gegeben
Die zentrale Argumentation des Gerichts:
„Denn diese war für sie zumindest potenziell abrufbar (…).“
Die E-Mail-Adresse war weiterhin aktiv. Das heißt, sie war technisch in der Lage, Nachrichten zu empfangen – und genau das ist entscheidend. Der Empfangsbereich war also noch eröffnet, auch wenn er vielleicht organisatorisch nicht mehr genutzt wurde.
Das Gericht verweist hier auf die sogenannte Empfangstheorie: Der Zugang einer Willenserklärung erfolgt nicht durch tatsächliche Kenntnisnahme, sondern durch die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme.
2. Auto-Reply als „Beweis“ für den Zugang
Besonders interessant und praxisrelevant ist folgende Feststellung des Gerichts:
„Die nachträgliche Mitteilung, man werde die E-Mail nicht zur Kenntnis nehmen, kann dem also nicht entgegnen. Im Gegenteil, sie bestätigt gerade den Zugang der E-Mail, weil sie wie eine Abwesenheitsnotiz durch diese ausgelöst wird und somit einer Lesebestätigung gleichkommt.“
Ein solcher Auto-Reply ist also kein Beweis für den Nicht-Zugang, sondern das genaue Gegenteil: Er zeigt, dass die E-Mail das System des Empfängers erreicht hat.
Pflicht des Absenders zur Nachbesserung: § 242 BGB
Trotz der Annahme eines wirksamen Zugangs bekam auch der Mieter einen deutlichen Hinweis mit auf den Weg.
Das AG Hanau betonte, dass den Beklagten eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Mietverhältnis getroffen habe. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hätte der Mieter nach Erhalt der automatischen Antwort tätig werden müssen:
„Allerdings hätte es dem Beklagten aufgrund seiner vertraglichen Nebenpflichten oblegen, die Zustimmungserklärung auf anderem Weg abzugeben, so dieser zumutbar ist, oder sich sonst mit der Klägerin in Verbindung zu setzen.“
Mit anderen Worten: Der Mieter hätte die Rückmeldung nicht einfach ignorieren dürfen. Selbst wenn die E-Mail formal als zugegangen galt, hätte eine sorgfältige Partei den Inhalt vorsorglich noch einmal übermittelt – etwa per Post oder an die neue E-Mail-Adresse, sofern bekannt.
Zusammenfassung der Entscheidungsgründe
- Eine E-Mail gilt als zugegangen, wenn sie den Server oder das Postfach des Empfängers erreicht und potenziell abrufbar ist.
- Der Zugang wird nicht verhindert durch eine automatische Antwort mit dem Hinweis, dass die Adresse nicht mehr verwendet wird.
- Im Gegenteil: Ein Auto-Reply belegt sogar, dass die E-Mail empfangen wurde.
- Der Absender muss jedoch – insbesondere bei bestehenden Vertragsbeziehungen – mitwirken und die Kommunikation bei Zweifeln erneut versuchen (z. B. per Post).
- Ein Versand an eine veraltete, aber technisch funktionierende E-Mail-Adresse ist dem Empfänger zuzurechnen, wenn er sie zuvor im Geschäftsverkehr genutzt hat.
Praktische Konsequenzen
Für die Praxis ergeben sich aus dem Beschluss des AG Hanau wertvolle Hinweise, die insbesondere bei Streitigkeiten über den Zugang von Erklärungen beachtet werden sollten:
✅ Für Empfänger (z. B. Unternehmen, Vermieter, Kanzleien):
- Löschen Sie alte E-Mail-Adressen konsequent oder richten Sie automatische Weiterleitungen ein.
- Ein „stiller“ Übergang zu einer neuen Adresse ohne Mitteilung kann haftungsträchtig sein.
- Auto-Replies reichen nicht aus, um sich vor dem Zugang von Willenserklärungen zu schützen.
✅ Für Absender (z. B. Mieter, Kunden, Vertragspartner):
- Nehmen Sie automatische Rückmeldungen ernst.
- Bei Zweifeln an der Zustellung: Nachfassen, ggf. über andere Kanäle wie Post oder Telefon.
- Im Zweifel ist ein Einschreiben mit Rückschein oder eine Zustellung durch Boten die sicherste Variante.
Fazit
Die Entscheidung des AG Hanau ist ein Lehrstück über die feinen, aber bedeutenden Details digitaler Kommunikation. Eine E-Mail kann auch dann rechtlich wirksam zugehen, wenn sie automatisch mit einem Hinweis auf Nichtverwendung quittiert wird – solange sie den Empfangsbereich des Empfängers erreicht hat.
Wer auf digitale Kommunikation setzt, sollte sich ihrer Rechtsfolgen bewusst sein – und im Zweifel nicht allein auf den Schein einer Abwesenheitsnotiz vertrauen. Kommunikation ist mehr als Technik – sie ist auch juristische Realität.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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