Zeitung kürzt Artikel ohne Zustimmung? LG Köln: Urheberrechtsverletzung!

Was darf eine Zeitung mit einem Artikel tun, den sie bei einem freien Journalisten in Auftrag gibt – und was nicht? Diese Frage beantwortet das Landgericht Köln mit seinem Urteil vom 10. August 2023 (Az. 14 O 144/23) unmissverständlich: Eine eigenmächtige Kürzung des Textes ist unzulässig, wenn der Autor vorher ausdrücklich Änderungen zur Abstimmung verlangt hat.
Damit stärkt das Gericht nicht nur die Rechte von freien Autoren – sondern erinnert auch Verlage daran, dass Urheberrecht nicht mit redaktionellem Hausrecht verwechselt werden darf.
Der Fall: Autor liefert, Zeitung kürzt – ohne Rücksprache
Ein freier Autor wurde von einer Zeitung beauftragt, einen Artikel über ein politisch brisantes Thema zu schreiben. Der Autor verfasste ein sprachlich wie inhaltlich originelles Stück und wies bei der Einreichung ausdrücklich darauf hin, dass jegliche Änderungen mit ihm abzustimmen seien.
Doch das Blatt veröffentlichte den Artikel gekürzt – ohne Rückmeldung an den Autor. Besonders betroffen: kritische Passagen über politische Verflechtungen und ein pointiertes Fazit. Das wollte der Journalist nicht hinnehmen und zog vor Gericht. Mit Erfolg.
Das Urteil des LG Köln: Kein Zweifel – das ist eine Urheberrechtsverletzung
Das Landgericht Köln stellte klar:
„Bei dem Artikel handelt es sich um ein geschütztes Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG.“
Die Richter würdigten die individuelle Ausdrucksweise, den Aufbau, die sprachlichen Bilder und den klaren eigenen Standpunkt des Autors. Besonders das Fazit „Wendehälse mit schlechtem Gewissen sind für Richtungswechsel besonders geeignet“ unterstrich nach Ansicht des Gerichts die persönliche geistige Schöpfung.
Die Zeitung hatte mehrere Passagen entfernt, unter anderem:
- Eine kritische Bemerkung über eine prominente Politikerin,
- Das persönliche Fazit des Autors,
- Wesentliche inhaltliche Klammern zur politischen Vernetzung des Unternehmens B.
Diese Kürzungen beeinträchtigten nach objektiven Maßstäben den Gesamteindruck des Werks und damit das Urheberpersönlichkeitsrecht (§ 14 UrhG).
§ 14 UrhG: Schutz vor Entstellung – das „Herzstück“ des Urheberrechts
Nach § 14 UrhG darf ein Werk nicht entstellt oder auf andere Weise beeinträchtigt werden, wenn dadurch die berechtigten Interessen des Urhebers verletzt werden. Das umfasst nicht nur grafische oder visuelle Werke – sondern ausdrücklich auch Texte.
Was das Gericht betont:
- Schon objektiv nachweisbare Änderungen, die den Eindruck des Werkes wesentlich verändern, können eine Beeinträchtigung darstellen.
- Es genügt, wenn die Kürzung geeignet ist, die persönliche Ausdrucksform und Aussageabsicht des Autors zu verwässern oder zu entstellen.
§ 39 UrhG: Änderungen an einem Werk – aber nur im Rahmen
Auch § 39 UrhG spielt in diesem Fall eine Rolle: Er regelt, inwieweit ein Auftraggeber Änderungen an einem Werk vornehmen darf. Zwar erlaubt diese Norm gewisse Anpassungen – jedoch nur im Rahmen des Zumutbaren. Im konkreten Fall war das nicht gegeben.
Das Gericht stellte klar:
„Die durch die Verfügungsbeklagte vorgenommenen Änderungen sind nicht im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung gerechtfertigt.“
Denn der Autor hatte ausdrücklich auf seinem Recht bestanden, vorher über Änderungen informiert zu werden. Die Zeitung hatte diese klare Bedingung missachtet – und somit das Urheberrecht gebrochen.
Der zentrale Punkt: Ein Werk ist mehr als die Summe seiner Wörter
Der Artikel war keine einfache Nachrichtenmeldung – sondern ein komplexes, journalistisches Werk, das durch Struktur, Stil und Pointierung seinen Charakter erhielt. Das Urteil macht deutlich:
Wer solche Werke kürzt, ohne mit dem Urheber zu sprechen, ändert nicht nur Worte – sondern zerstört das Gesamtbild.
Besonders interessant: Die Zeitung hatte den Autor gerade wegen seiner besonderen Fähigkeit beauftragt, politische Verflechtungen aufzudecken und sprachlich zuzuspitzen. Diese Leistungen dann im Druck zu streichen, sei „widersprüchlich und nicht tragfähig“.
Das bedeutet das Urteil für Verlage, Redaktionen – und Autoren
Für Verlage und Redaktionen:
- Klar kommunizieren: Wenn eine Redaktion plant, einen Text zu kürzen oder zu ändern, muss sie das mit dem Urheber abstimmen – besonders bei Auftragsarbeiten.
- Verträge sorgfältig gestalten: Die Änderungsbefugnisse müssen klar geregelt sein. Wer bewusst gegen schriftlich formulierte Absprachen verstößt, riskiert gerichtliche Konsequenzen.
Für freie Autoren:
- Änderungsvorbehalte immer schriftlich formulieren.
- Urheberrecht bewusst nutzen, insbesondere § 14 und § 39 UrhG.
- Im Zweifel rechtlich beraten lassen, wenn es um eigenmächtige Kürzungen, Änderungen oder Veröffentlichungen geht.
Rechtlicher Ausblick: Verhältnis zwischen § 14 und § 39 UrhG bleibt spannend
Das Urteil geht auch auf eine juristische Grauzone ein: das nicht abschließend geklärte Verhältnis zwischen § 14 UrhG (Persönlichkeitsrecht) und § 39 UrhG (Vertragsrecht).
Das LG Köln ließ diese Frage offen – stellte jedoch klar: Selbst wenn § 39 grundsätzlich Änderungen erlaubt, darf das Persönlichkeitsrecht des Autors nicht verletzt werden.
Das heißt konkret: Die künstlerische Aussage und der Gesamteindruck eines Werkes dürfen nicht zerstört werden, auch wenn vertraglich Änderungen grundsätzlich erlaubt wären.
Fazit: Freie Autoren haben starke Rechte – und sollten sie kennen
Dieses Urteil ist ein deutliches Signal an Redaktionen: Wer Texte bestellt, darf sie nicht nach Belieben umschreiben. Gerade bei politisch sensiblen oder stilistisch geprägten Artikeln müssen Verlage respektvoll mit dem Werk und dem Autor umgehen.
Für Autoren bietet das Urteil eine starke Grundlage, sich gegen eigenmächtige Veränderungen zu wehren. Und für Verlage ist es eine Erinnerung daran, dass das Urheberrecht kein bloßer Formalismus, sondern ein Kern des kreativen Schaffens ist.
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