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Zeitlich beschränktes Nutzungsrecht für Online-Archive

BGH, Urteil vom 5. 10. 2010, Az. I ZR 127/09

Abbildungen von urheberrechtlich geschützten Werken, die im Rahmen der Online-Berichterstattung über eine Veranstaltung, beispielsweise eine Ausstellungseröffnung, zu sehen sind, dürfen im Internet nicht für unbegrenzte Zeit zugänglich sein. Sobald die Veranstaltung keinen tagesaktuellen Nachrichtenwert mehr hat, ist der Zugriff auf die Abbildungen zu entfernen. Dies entschied der Bundesgerichtshof im Oktober 2010.

Ein Zeitungsverlag, der die in seinen Zeitungen publizierten Artikel seit 2002 auch online veröffentlicht, machte diese Artikel über ein Online-Archiv inklusive der Abbildungen dauerhaft abrufbar. Zu diesen Artikeln gehörten auch Berichte über bevorstehende Ausstellungseröffnungen, die mit Fotografien der ausgestellten Kunstwerke illustriert waren. Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, die in Deutschland die urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Urheber an Werken der bildenden Künste wahrnimmt, hatte daran Anstoß genommen, dass die Abbildungen der Kunstwerke in diesem Online-Archiv auch nach Ende der Ausstellungen noch verfügbar waren. Das Amtsgericht der ersten Instanz hatte der Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz zuerkannt, in der Berufung hatte das Landgericht Braunschweig die Klage allerdings abgewiesen. Über die Revision hatte nun der Bundesgerichtshof zu entscheiden.

Die Berufungsinstanz war davon ausgegangen, dass die Veröffentlichung von Abbildungen urheberrechtlich geschützter Werke gemäß § 50 UrhG auch im Online-Archiv von Zeitungen rechtmäßig sei. Die zulässige Berichterstattung über Tagesereignisse würde nicht durch Zeitablauf unzulässig, da die Aktualität der Ereignisse zum Erscheinungstermin der Artikel gegeben sei. Die dauerhafte Ablage von Artikel und Bild im Online-Archiv sei daher legal. Die aktuelle Formulierung des § 50 UrhG erlaubt die Veröffentlichung von Berichten zu tagesaktuellen Ereignissen, in denen urheberrechtlich geschützte Werke sichtbar werden. Im Jahr 2003 war in den Paragraph auch die Erwähnung von dem Funk „ähnliche technische Mittel“ aufgenommen worden. Da zu dieser Zeit bereits alle großen Tageszeitungen Online-Archive betrieben hätten, ging das Landgericht davon aus, dass der Gesetzgeber auch diese technische Möglichkeit bedacht habe. Zu einer laufenden Prüfung der Online-Archive auf Aktualität der Artikel und Abbildungen seien die Seitenbetreiber nicht verpflichtet.

Nach Ansicht des BGH war die Einschätzung des Berufungsgerichts jedoch falsch. Die Frage, ob ein Bericht über eine Kunstausstellung tagesaktuell ist, darf nach Ansicht des BGH nicht nur anhand des ursprünglichen Erscheinungstermins beantwortet werden. Vielmehr bedarf der Eingriff in die Rechte des Urhebers – der durch die Abbildung der geschützten Werke gegeben ist – solange einer Rechtfertigung wie er tatsächlich andauert. Die vom Urhebergesetz geforderte Tagesaktualität der Berichterstattung muss demnach für die gesamte Dauer des Bereithaltens der Abbildungen im Internet gegeben sein. Die 2003 geänderte Formulierung von § 50 UrhG habe zwar die elektronische Veröffentlichung von Berichten im Sinne gehabt, nicht jedoch deren dauerhafte öffentliche Zugänglichmachung, so der BGH. Der Verwaltungsaufwand für den Betreiber des Online-Archivs sei auch nicht über Gebühr hoch. Zum einen könnten Abbildungen urheberrechtlich geschützter Werke automatisch nach einer gewissen Frist entfernt, oder überhaupt nicht eingestellt werden. Eine Archivierung dieser Abbildung sei selbstverständlich weiterhin möglich, aber nicht, wenn sie einer Nutzung durch Außenstehende zugänglich gemacht würden.

Der BGH beantwortete auch die Frage, ob die dauerhafte Veröffentlichung der Abbildung urheberrechtlich geschützter Werke durch das Zitatrecht nach § 51 UrhG möglich sei. Die Zitatfreiheit dient dazu, eine geistige Auseinandersetzung mit fremden Werken zu ermöglichen. Dazu sei es erforderlich, dass eine geistige Auseinandersetzung mit dem dargestellten Werk erfolge, dass also eigene Gedanken des Autors sich direkt auf das abgebildete Werk bezögen. Die archivierten Zeitungsartikel berichteten aber lediglich allgemein über die Kunstausstellungen, der Zusammenhang zwischen den Kunstwerken und den eigenen Gedanken des Zeitungsartikels würde aber fehlen. Die Abbildungen dienten also nicht dem Zwecke des Zitats, sondern nur der Illustration der Berichterstattung. Das Urteil der Berufungsinstanz war also rechtsfehlerhaft und wurde aufgehoben, die Berufung damit zurückgewiesen. Die Klägerin hatte Anspruch auf Schadensersatz für die dauerhafte Abbildung der Kunstwerke im Online-Archiv der Zeitungen.

BGH, Urteil vom 5. 10. 2010, Az. I ZR 127/09

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