Zahlreiche AGB des Sport-Streaminganbieters DAZN wettbewerbswidrig

Überblick – Worum geht es?
Das Oberlandesgericht (OLG) München hat mit Urteil vom 11. Oktober 2024 (Az. 39 U 2482/23 e) zahlreiche Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Sport-Streaminganbieters DAZN für unwirksam und wettbewerbswidrig erklärt. Die Entscheidung ist für Verbraucher, Unternehmen im digitalen Dienstleistungsbereich sowie für die AGB-Kontrollpraxis von erheblicher Bedeutung.
Die Richter beanstandeten insbesondere Klauseln zur Preisanpassung und zur Änderung des Leistungsumfangs, die DAZN einseitig weitreichende Rechte eingeräumt hatten. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) – mit vollem Erfolg: Die Berufung von DAZN gegen das vorherige Urteil des Landgerichts München I wurde vollständig zurückgewiesen.
Der Fall im Detail – Sachverhalt und AGB-Klauseln
DAZN ist einer der führenden Anbieter im Sport-Streaming-Bereich und bietet Live- und On-Demand-Übertragungen u.a. von Fußball, Boxen, Basketball oder Motorsport an. Das Geschäftsmodell basiert auf kostenpflichtigen Abonnementverträgen. Im Streit standen zentrale Bestimmungen der Nutzungsbedingungen (AGB), die unter anderem folgende Klauseln enthielten:
1. Leistungsänderungsvorbehalt (Ziffern 2.1, 2.3, 4.7 DAZN-AGB)
„Die Inhalte unterliegen gewöhnlich gewissen Beschränkungen (...), deren Gestaltung und Verfügbarkeit mit der Zeit variieren kann.“
„Wir sind berechtigt, diese Bedingungen zu ändern (...) wobei die Abonnement-Struktur (...) nicht zu Deinen Lasten eingeschränkt wird.“
„Vorbehaltlich der Mitteilungspflichten gemäß Ziffer 2.3 können wir unseren Serviceplan (...) ändern, sofern die Änderungen für Dich zumutbar sind.“
2. Preisanpassungsklausel (Ziffer 4.8 DAZN-AGB)
„Wir behalten uns das Recht vor, den Preis für den DAZN Service an sich verändernde Marktbedingungen, bei erheblichen Veränderungen in den Beschaffungs- oder Bereitstellungskosten oder bei Änderungen der Umsatzsteuer (...) anzupassen.“
„Zusätzlich behalten wir uns vor, den Preis bei erheblichen Veränderungen im Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts entsprechend anzupassen (...).“
Die Entscheidung des OLG München – rechtliche Bewertung
1. Unwirksamkeit des Leistungsänderungsvorbehalts (§ 308 Nr. 4 BGB)
a) Unbegrenzter Spielraum zulasten der Kunden
Das OLG München bewertete insbesondere die Klausel zur Änderung des Leistungsangebots (also der angebotenen Inhalte) als unwirksam. Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist ein einseitiger Leistungsänderungsvorbehalt in AGB nur zulässig, wenn er unter Berücksichtigung beiderseitiger Interessen zumutbar ist.
Kritikpunkt des Gerichts:
„Die Klauseln ermöglichen DAZN Änderungen ohne nachvollziehbare Kriterien – und eröffnen damit einen einseitig nicht kalkulierbaren Spielraum.“
Die Klauseln seien zu unbestimmt, insbesondere fehle es an:
- einer konkreten Begrenzung des Änderungsrechts,
- einer transparenten Darlegung der Änderungsvoraussetzungen, und
- einer Verpflichtung zur Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien.
Das Gericht betonte, dass Verbraucher ein Mindestmaß an Kalkulierbarkeit hinsichtlich der Nutzung und des Leistungsumfangs haben müssen. Bei digitalen Diensten wie DAZN sei der angebotene Inhalt ein wesentlicher Vertragsgegenstand – wenn dieser sich beliebig ändern könne, verliere der Vertrag seine Grundlage.
b) Ergebnis: Intransparenz und Unzumutbarkeit
Die Leistungsänderungsklauseln seien in der aktuellen Fassung nicht hinreichend begrenzt und daher nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Ein angemessener Vorbehalt müsste konkrete Voraussetzungen und Grenzen definieren, was hier nicht der Fall war.
2. Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel (§ 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB)
a) Fehlende Transparenz und einseitige Belastung
Besonders deutlich äußerte sich das Gericht zur Preisanpassungsklausel. Diese verstößt aus Sicht des OLG gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und benachteiligt Verbraucher unangemessen.
Kritikpunkte im Einzelnen:
- Die Klausel definiert nicht ausreichend, welche Kostenarten maßgeblich für eine Preisanpassung sein sollen.
- Die Voraussetzungen und der Umfang einer möglichen Preiserhöhung bleiben vage.
- Es gibt keine Offenlegung der Kalkulationsgrundlage.
- Preisreduktionen bei gesunkenen Kosten sind nicht vorgesehen – was ein deutliches Ungleichgewicht schafft.
b) Rechtsprechung zur Preisgleitklausel bestätigt
Das OLG München folgt hier der bestehenden BGH-Rechtsprechung zu sogenannten Preisgleitklauseln: Preisänderungen in AGB müssen so ausgestaltet sein, dass der Verbraucher bei Vertragsschluss realistisch einschätzen kann, was auf ihn zukommt. Außerdem muss klar sein, wie stark einzelne Faktoren wie z. B. gestiegene Lizenzkosten oder Inflation das Abo beeinflussen.
c) Ergebnis: Intransparenz = Unwirksamkeit
„Der Abonnent hat nach Klausel 4.8 keine realistische Möglichkeit, etwaige Preiserhöhungen anhand der Klausel auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen.“
Die Klausel genügt weder dem Transparenzgebot noch den Anforderungen an eine wirksame Preisgleitklausel. Sie ist daher unwirksam.
Konsequenzen des Urteils für DAZN – und für Verbraucher
DAZN verliert auf ganzer Linie
Die Berufung von DAZN gegen das Urteil des LG München I wurde vollumfänglich zurückgewiesen. Das bedeutet: Die beanstandeten AGB-Klauseln dürfen nicht weiterverwendet werden. Bereits bestehende Abonnements können ggf. angefochten werden, wenn sie auf den beanstandeten Klauseln beruhen.
Rechtssicherheit für Verbraucher
Die Entscheidung stärkt die Verbraucherrechte im digitalen Zeitalter deutlich. Abonnenten von Streaming-Diensten dürfen darauf vertrauen, dass Leistungen und Preise vertraglich bindend sind – und nicht nach Belieben geändert werden dürfen.
Wirkung über DAZN hinaus
Das Urteil wirkt über den Einzelfall hinaus. Es wird erwartet, dass auch andere Anbieter von Streaming-, Cloud- oder Softwarediensten ihre AGB anpassen müssen, um vergleichbare Risiken zu vermeiden.
Noch nicht das letzte Wort?
DAZN hat Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt (Az. I ZR 211/24). Ob der Bundesgerichtshof die Revision zulässt und sich mit dem Fall befasst, bleibt abzuwarten. Aktuell ist das Urteil jedoch rechtskräftig – mit weitreichenden Folgen.
Parallel läuft eine Sammelklage des vzbv gegen DAZN vor dem OLG Hamm. Dort geht es um konkrete Preiserhöhungen für Bestandskunden in den Jahren 2021 und 2022. Auch hier droht DAZN weiterer juristischer Ärger.
Fazit – Ein Urteil mit Signalwirkung
Das Urteil des OLG München vom 11. Oktober 2024 ist ein Meilenstein in der AGB-Kontrollrechtsprechung. Es zeigt eindrücklich, dass Unternehmen ihre Vertragsbedingungen nicht einseitig zu Lasten der Verbraucher gestalten dürfen. Der Fall DAZN mahnt:
▶ Preiserhöhungen müssen nachvollziehbar begründet sein.
▶ Leistungsänderungen dürfen nicht beliebig und intransparent erfolgen.
▶ Verbraucher müssen wissen, worauf sie sich vertraglich einlassen.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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