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YouTube haftet für Urheberrechtsverstöße nur bei klarem Hinweis

| Rechtsanwalt Frank Weiß

In der digitalen Ära ist YouTube die zentrale Plattform für den Austausch von Videos, Musik und Informationen. Täglich werden dort hunderttausende Inhalte hochgeladen – darunter auch solche, die urheberrechtlich geschützt sind. Immer wieder stehen Rechteinhaber vor dem Problem, dass ihre Werke ohne Zustimmung verwendet werden. Die zentrale Frage: Wann haftet YouTube für fremde Inhalte?

Das Oberlandesgericht Hamburg hat in seinem Urteil vom 21. Januar 2023 (Az. 5 U 22/19) eine wichtige Weichenstellung vorgenommen. YouTube haftet nur dann für fremde Urheberrechtsverstöße, wenn ein klarer und eindeutiger Hinweis auf die Verletzung vorliegt. Das Urteil bringt mehr Rechtssicherheit für Plattformbetreiber und formuliert klare Anforderungen für Rechteinhaber.

 

Der zugrunde liegende Sachverhalt

Der Antragsteller, ein Rechteinhaber im Musikbereich, machte geltend, Inhaber sämtlicher Verwertungsrechte an den Ton- und Bildaufnahmen mehrerer Künstler zu sein. Konkret ging es um:

  • Sarah Brightman
  • Gregorian
  • Narcis
  • The Royal Christmas Gala

Im Dezember 2017 informierte der Antragsteller YouTube per E-Mail über angebliche Urheberrechtsverletzungen. In seinem Schreiben heißt es u.a.:

"...to inform you that I am the sole owner of the copyrights of all recording and visual content in regards to these artists and projects..."

YouTube reagierte zunächst nicht. Der Rechteinhaber schaltete daraufhin einen Anwalt ein. Auch nach dessen Schreiben entfernte YouTube die Inhalte nicht. Der Antragsteller erhob schließlich Klage auf Unterlassung und machte geltend, YouTube sei aufgrund des Hinweises zur Sperrung verpflichtet gewesen.

Rechtlicher Hintergrund: Providerhaftung in der Abwägung

Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, ob und ab wann YouTube als Störer oder Täter für Rechtsverletzungen haftet, die Nutzer der Plattform begehen. Dabei knüpft das OLG Hamburg an die Rechtsprechung des BGH (YouTube II, GRUR 2022, 1308 Rn. 117) und des EuGH (C-682/18 und C-683/18) an.

Die zentrale Prämisse:

Ein Plattformbetreiber haftet erst dann, wenn er Kenntnis von der konkreten Rechtsverletzung erlangt und nicht unverzüglich handelt.

Dabei muss die Kenntnis durch einen klaren, konkreten und nachvollziehbaren Hinweis vermittelt worden sein.

Entscheidungsgründe des OLG Hamburg im Detail

Keine klare und eindeutige Rechtsberühmung

Das Gericht stellte fest, dass die Hinweise des Antragstellers nicht hinreichend bestimmt waren. Die Formulierung "sole owner of the copyrights" ist zu unspezifisch und unkonkret, um eine Prüfpflicht auszulösen.

Zudem sei sie faktisch falsch oder zumindest irreführend:

  • Für das Projekt "Gregorian" bestand ein Bandübernahmevertrag vom 27./28.11.2017 mit einem Dritten (T.).
  • Der Antragsteller versäumte es, diesen Vertrag zu erwähnen oder zu erläutern, weshalb der Adressat (YouTube) nicht nachvollziehen konnte, ob und inwieweit der Antragsteller überhaupt zur Geltendmachung der Rechte berechtigt war.

Fazit des Gerichts:

"Das Vorliegen einer Rechtsverletzung kann [...] nur auf Grundlage einer klaren und zweifelsfreien Rechtsberühmung erfolgen."

Fehlende Nachvollziehbarkeit bei der Rechtekette

Selbst in den Anwaltsschreiben war laut Gericht nicht eindeutig erkennbar, ob und welche Rechte der Antragsteller für die Verwertung auf YouTube hielt. Zwar wurde dort auf die Rolle als "originärer Tonträgerhersteller" verwiesen, aber ohne:

  • Darlegung des konkreten Umfangs der Rechte
  • Erklärung, warum trotz des Bandübernahmevertrags exklusive Rechte verblieben seien
  • Nachweis der Abtretung oder vertraglichen Ausgestaltung

Auch der Umstand, dass die Musikaufnahmen im Jahr 2018 mit (C)- und (P)-Vermerk auf T. auf Amazon Music und Spotify erschienen waren, widersprach den Ausführungen des Antragstellers.

Objektiver Maßstab für die Prüfung

Besonders wichtig: Die Frage, ob ein Hinweis ausreicht, ist objektiv zu beurteilen. Entscheidend ist nicht, ob der Rechteinhaber sich im Recht glaubt, sondern ob ein Dritter ohne tiefgreifende juristische Prüfung erkennen kann, dass eine Verletzung vorliegt.

"Eine klare und zweifelsfreie Rechtsberühmung liegt nicht vor, wenn der Hinweis unkonkret, widersprüchlich oder rechtsunsicher ist."

Im Ergebnis fehlt es laut OLG Hamburg an der erforderlichen Klarheit.

Bedeutung für die Praxis

Anforderungen an Rechteinhaber

Rechteinhaber müssen in Zukunft darauf achten, dass Hinweise auf Urheberrechtsverletzungen konkret, detailliert und juristisch nachvollziehbar formuliert sind. Dazu gehört:

  • Exakte Benennung der verletzten Werke
  • Angabe der konkreten URLs
  • Nachweis der eigenen Rechtsinhaberschaft
  • Darstellung der Rechtekette und vertraglichen Grundlage

Schutz für Plattformbetreiber

Das Urteil bringt Klarheit: Plattformen wie YouTube müssen nicht bei jedem unklaren Hinweis handeln, sondern nur bei eindeutigen. Das verhindert überzogene Sperrpflichten und wahrt die Balance zwischen Meinungsfreiheit und Schutz geistigen Eigentums.

Keine "Vorsichts-Sperren"

Die Entscheidung zeigt auch: Plattformbetreiber müssen Inhalte nicht aus reiner Vorsicht entfernen. Eine Prüfpflicht entsteht erst nach eindeutiger Kenntnisnahme – nicht bei bloßer Behauptung.

Fazit: Klarheit ist Pflicht – für beide Seiten

Das OLG Hamburg setzt mit seiner Entscheidung klare Maßstäbe:

  • YouTube haftet nur dann für fremde Urheberrechtsverstöße, wenn ein Hinweis auf die Verletzung klar, konkret und zweifelsfrei ist.
  • Allgemeine Hinweise, pauschale Rechtsberühmungen und fehlende Angaben zur Rechtekette reichen nicht aus, um eine Prüfpflicht auszulösen.
  • Rechteinhaber müssen daher professionell und juristisch sauber argumentieren, um Plattformen zur Haftung zu bewegen.

Für YouTube und andere Plattformen bedeutet das: Sie sind nicht verpflichtet, auf vage Vorwürfe zu reagieren. Für Rechteinhaber heißt es: Wer seine Rechte durchsetzen will, muss sorgfältig und konkret vortragen.

Unser Tipp als Kanzlei: Wenn Sie mutmaßliche Urheberrechtsverletzungen bei Plattformen melden möchten, lassen Sie sich vorab juristisch beraten. Denn nur ein rechtlich klarer Hinweis kann Schutz und Wirkung entfalten.

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