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Wiederholungsgefahr - Ein Leitfaden

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Ein einzelner Fehltritt kann weitreichende Konsequenzen haben – nicht nur in moralischer Hinsicht, sondern vor allem auch juristisch. Im gewerblichen Rechtsschutz ist es nicht die Tat allein, die zum Problem wird, sondern die Gefahr ihrer Wiederholung. Wer einmal gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen hat, wird als potenzieller Wiederholungstäter betrachtet. Doch wie lässt sich diese Wiederholungsgefahr rechtlich begründen? Und welche Rolle spielt die sogenannte Erstbegehungsgefahr, wenn ein Verstoß zwar noch nicht geschehen ist, aber unmittelbar bevorsteht?

Diese Fragen sind von zentraler Bedeutung für Unternehmen, Wettbewerber und Rechtsanwälte, die sich mit Unterlassungsansprüchen befassen. Denn das Prinzip der Wiederholungsgefahr bildet das Rückgrat zahlreicher rechtlicher Auseinandersetzungen. Dabei genügt bereits eine einmalige Verletzung, um eine dauerhafte Unterlassungspflicht auszulösen – selbst dann, wenn der Täter kein weiteres Fehlverhalten plant. Die juristische Logik dahinter: Wer einmal gegen das Recht verstoßen hat, könnte es erneut tun.

Doch wie lässt sich diese Gefahr widerlegen? Reicht es, die beanstandete Handlung einzustellen, oder sind rechtlich bindende Maßnahmen erforderlich? Wann ist eine Wiederholung ausgeschlossen – und wann genügt eine bloße Vermutung, um sie anzunehmen? Dieser Artikel beleuchtet die Grundprinzipien, zentrale Urteile und mögliche Auswege aus der Wiederholungsfalle und zeigt, warum ein rechtlicher Verstoß oft weit über den eigentlichen Moment hinausreicht.

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Wiederholungsgefahr entsteht durch einmalige Verstöße: Eine einmal begangene Rechtsverletzung begründet automatisch die Vermutung, dass sie wiederholt wird. Diese Gefahr entfällt nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung oder ein rechtskräftiges Urteil – bloße Verhaltensänderungen reichen nicht aus.
  • Erstbegehungsgefahr erlaubt präventive Maßnahmen: Bereits eine konkrete und ernsthafte Gefahr einer erstmaligen Rechtsverletzung kann ausreichen, um eine Unterlassungsklage zu rechtfertigen. Nachweisbare Vorbereitungshandlungen oder öffentliche Ankündigungen können als Beweis dienen.
  • Gerichte setzen hohe Maßstäbe für den Wegfall der Wiederholungsgefahr: Selbst eine lange Unterlassungsphase oder Geschäftsaufgabe beseitigt die Wiederholungsgefahr nicht automatisch. Die Beweislast liegt beim Verletzer – wer eine Wiederholung verhindern will, muss rechtlich bindende Maßnahmen ergreifen.

 

Übersicht

Was versteht man unter Wiederholungsgefahr und Erstbegehungsgefahr
Rechtsverletzung begründet die Wiederholungsgefahr
Wiederholungsgefahr bei der Verletzung von Prüfungspflichten
Ausräumung der Wiederholungsgefahr
Grundsatz: nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung
Reicht die Einstellung der Tätigkeit
Ausnahmen

Was versteht man unter Wiederholungsgefahr und Erstbegehungsgefahr

Im gewerblichen Rechtsschutz spielen die Begriffe Wiederholungsgefahr und Erstbegehungsgefahr eine zentrale Rolle, insbesondere bei der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen.

1. Wiederholungsgefahr

Die Wiederholungsgefahr bezeichnet die ernsthafte Besorgnis, dass eine bereits begangene Rechtsverletzung erneut stattfinden wird. Sie ist im gewerblichen Rechtsschutz eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 Abs. 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) oder § 1004 BGB analog.

Wann besteht eine Wiederholungsgefahr?

  • Die Gefahr der Wiederholung wird grundsätzlich durch eine bereits begangene Verletzungshandlung indiziert.
  • Es reicht aus, dass die Verletzung einmal geschehen ist – es muss nicht bewiesen werden, dass der Verletzer eine erneute Handlung plant.
  • Die Wiederholungsgefahr entfällt erst, wenn der Verletzer eine ernsthafte und rechtlich bindende Unterlassungserklärung mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgibt.

2. Erstbegehungsgefahr

Die Erstbegehungsgefahr liegt vor, wenn eine konkrete und ernsthafte Gefahr besteht, dass eine Rechtsverletzung erstmalig begangen wird. Dies ist relevant, wenn eine Verletzungshandlung zwar noch nicht erfolgt ist, aber unmittelbar bevorsteht.

Wann besteht eine Erstbegehungsgefahr?

  • Es müssen objektive Tatsachen vorliegen, die darauf schließen lassen, dass eine Rechtsverletzung unmittelbar bevorsteht.
  • Bloße Spekulationen reichen nicht aus – es muss eine konkrete Absicht oder bereits vorbereitende Maßnahmen geben.
  • Die Gefahr kann durch eine öffentliche Ankündigung oder andere nachweisbare Vorbereitungshandlungen belegt werden.

Sowohl die Wiederholungsgefahr als auch die Erstbegehungsgefahr sind wichtige Grundlagen für die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs im gewerblichen Rechtsschutz. Während bei der Wiederholungsgefahr bereits eine Rechtsverletzung erfolgt sein muss, genügt bei der Erstbegehungsgefahr eine drohende, konkret absehbare Verletzung. In beiden Fällen kann der Betroffene eine Abmahnung oder sogar eine einstweilige Verfügung erwirken, um die unzulässige Handlung zu unterbinden.

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Rechtsverletzung begründet die Wiederholungsgefahr

Die Wiederholungsgefahr ergibt sich aus einer bereits begangenen Rechtsverletzung und erstreckt sich nicht nur auf identische Verstöße, sondern auf alle kerngleichen Verletzungshandlungen. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr kann nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung oder einen rechtskräftigen Unterlassungstitel entkräftet werden.

Zentrale Urteile zur Wiederholungsgefahr

BGH, Urt. v. 30.4.2009, I ZR 42/07 – DAX

Eine – auch nur einmalige – Rechtsverletzung begründet die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, die grundsätzlich nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung oder einen rechtskräftigen Unterlassungstitel ausgeräumt wird.

BGH, Urt. v. 12.1.2023, I ZR 49/22 – Unterwerfung durch PDF

Bestätigt die allgemeine Rechtsprechung zur Wiederholungsgefahr und betont, dass bereits eine einzelne Verletzungshandlung eine dauerhafte Wiederholungsgefahr begründet.

BGH, Urt. v. 9.12.2021, I ZR 146/20 – Werbung für Fernbehandlung

Die für einen geltend gemachten Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr erstreckt sich im Ausgangspunkt auf mit der konkreten Verletzungshandlung identische Verletzungshandlungen. Im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes besteht eine Wiederholungsgefahr darüber hinausgehend für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt.

BGH, Urt. v. 17.9.2015, I ZR 92/14 – Smartphone-Werbung

Ergänzt, dass die Wiederholungsgefahr sich auch auf kerngleiche Varianten einer Werbemaßnahme bezieht, etwa verschiedene Versionen einer irreführenden Werbung.

BGH, Urt. v. 29.4.2010, I ZR 202/07 – Erinnerungswerbung im Internet

Bestätigt, dass eine einzelne unerlaubte Werbemaßnahme genügt, um eine Wiederholungsgefahr anzunehmen.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.1.2016, 6 W 1/16

Eine Verletzungshandlung begründet die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern auch für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen." Die Wiederholungsgefahr erstreckt sich also nicht nur auf die identische Werbeaussage, sondern auch auf inhaltlich vergleichbare Aussagen in anderen Medien oder gegenüber anderen Adressaten.

OLG Köln, Urt. v. 24.5.2017, 6 U 161/16, Tz. 71

Begeht der Schuldner nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, mit der die Wiederholungsgefahr beseitigt wurde, einen identischen Wettbewerbsverstoß, entsteht ein neuer Unterlassungsanspruch." Wiederholte Verstöße nach einer Unterlassungserklärung begründen eine neue Wiederholungsgefahr, die nur durch eine verschärfte Vertragsstrafe ausgeräumt werden kann.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.2.2024, 6 W 5/24

Die Wiederholungsgefahr ist nicht auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen beschränkt, sondern umfasst alle Verstöße im Kernbereich der Rechtsverletzung, selbst wenn die Parteien nur in einzelnen Bereichen in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Die Entscheidung betont, dass das UWG nicht nur dem Schutz der Mitbewerber, sondern auch dem Schutz der Verbraucher und des Wettbewerbs an sich dient.

OLG Nürnberg, Urt. v. 29.11.2022, 3 U 493/22, Tz. 14

Unterstreicht, dass sich die Wiederholungsgefahr auf verschiedene Werbeformen und Medien erstreckt – eine Online-Werbung kann also eine Wiederholungsgefahr auch für Print-Werbung begründen.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.6.2024, 6 U 5/24, Tz. 54

Macht deutlich, dass die Wiederholungsgefahr nicht durch bloßes Einstellen der rechtswidrigen Handlung entfällt, sondern dass eine rechtlich bindende Maßnahme notwendig ist.

OLG Stuttgart, Urt. v. 15.8.2024, 2 U 198/22 (WRP 2024, 1405)

Betont erneut, dass eine einmalige Verletzung eine andauernde Wiederholungsgefahr begründet, selbst wenn sich das Unternehmen von der fraglichen Praxis distanziert.

Fazit: Strenge Anforderungen an die Entkräftung der Wiederholungsgefahr

  • Bereits eine einmalige Rechtsverletzung führt zur Annahme der Wiederholungsgefahr.
  • Die Wiederholungsgefahr umfasst nicht nur identische, sondern auch kerngleiche Handlungen.
  • Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung oder ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil sind die einzigen wirksamen Mittel zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr.
  • Verstöße nach einer Unterlassungserklärung begründen eine neue, verschärfte Wiederholungsgefahr, die durch eine höhere Vertragsstrafe abgesichert werden muss.
  • Die Wiederholungsgefahr ist nicht auf ein bestimmtes Produkt oder einen bestimmten Markt beschränkt, sondern betrifft alle potenziellen Verstöße im Kernbereich der ursprünglichen Rechtsverletzung.

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Wiederholungsgefahr bei der Verletzung von Prüfungspflichten

Im Unterschied zur klassischen Täterhaftung aufgrund einer direkten Rechtsverletzung setzt die Wiederholungsgefahr bei der Verletzung von Prüfungspflichten spezifische Voraussetzungen voraus. Zentral ist hier, dass eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht zur Unterbindung von Rechtsverletzungen erst dann entsteht, wenn der Betroffene auf die Rechtsverletzung hingewiesen wurde. Das hat erhebliche Auswirkungen darauf, wann eine Wiederholungsgefahr besteht.

Zentrale Urteile zur Wiederholungsgefahr bei Prüfungspflichten

BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 57/09 – Stiftparfum

Eine Verhaltenspflicht des Betreibers, deren Verletzung eine Wiederholungsgefahr begründen kann, kann erst nach Erlangung der Kenntnis von der Rechtsverletzung entstehen. Damit kann in derjenigen Verletzungshandlung, die Gegenstand einer Abmahnung oder sonstigen Mitteilung ist, mit der der Betreiber des Online-Marktplatzes erstmalig Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt, keine Verletzungshandlung gesehen werden, die eine Wiederholungsgefahr im Sinne eines Verletzungsunterlassungsanspruchs begründet. Für die Annahme von Wiederholungsgefahr ist vielmehr eine vollendete Verletzung nach Begründung der Pflicht zur Verhinderung weiterer derartiger Rechtsverletzungen erforderlich.

Bedeutung:

  • Ein Plattformbetreiber oder Anbieter einer Dienstleistung, der eine Rechtsverletzung ermöglicht, haftet erst ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung.
  • Die Handlung, die zur Abmahnung geführt hat, begründet allein noch keine Wiederholungsgefahr, da die Prüfungspflicht erst mit dem Hinweis auf die Rechtsverletzung entsteht.

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20 – Rundfunkhaftung

Wird eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht zur Unterbindung eines rechtswidrigen Angebots erst durch den Hinweis auf die Rechtsverletzung in einer Abmahnung oder einer sonstigen Mitteilung ausgelöst, so liegt in der Handlung, die Gegenstand der Mitteilung ist, noch keine Verletzungshandlung, die eine Wiederholungsgefahr im Sinne eines Verletzungsunterlassungsanspruchs begründet. Für die Annahme von Wiederholungsgefahr ist vielmehr eine vollendete Verletzung nach Begründung der wettbewerbsrechtlichen Pflicht zur Verhinderung weiterer derartiger Rechtsverletzungen erforderlich.

Bedeutung:

  • Die Pflicht zur Überprüfung eines rechtswidrigen Angebots oder einer wettbewerbswidrigen Handlung entsteht erst mit einer Abmahnung oder einem anderen Hinweis.
  • Erst wenn nach diesem Hinweis keine angemessenen Maßnahmen ergriffen werden, liegt eine Verletzung von Prüfungspflichten vor, die eine Wiederholungsgefahr begründen kann.

BGH, Urt. v. 15.4.2010, I ZR 145/08 – Femur-Teil

Auf das in die Zukunft gerichtete Unterlassungsbegehren sind die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der zur Zeit der Entscheidung geltenden Fassung anzuwenden. Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten auch zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war.

Bedeutung:

  • Für eine Wiederholungsgefahr ist entscheidend, dass die ursprüngliche Rechtsverletzung zum Zeitpunkt der Begehung bereits wettbewerbswidrig war.
  • Dies bedeutet, dass sich spätere Änderungen in der Gesetzeslage nicht rückwirkend auf bereits begangene Handlungen auswirken.

Besonderheiten bei Prüfungspflichten und Wiederholungsgefahr

  1. Erst ab Kenntniserlangung entsteht eine Haftung:
    • Die Pflicht, eine Rechtsverletzung zu verhindern, setzt voraus, dass der Betroffene auf diese explizit hingewiesen wurde.
  2. Die Verletzung der Prüfungspflichten kann eine Wiederholungsgefahr auslösen:
    • Wenn nach einer Abmahnung keine angemessenen Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Verstöße getroffen werden, entsteht eine neue Wiederholungsgefahr.
    • Dies betrifft vor allem Plattformbetreiber, Hosting-Anbieter und Marktplatz-Betreiber, die nutzergenerierte Inhalte verwalten.
  3. Keine Haftung für vergangene Verstöße ohne erneute Prüfungspflichtverletzung:
    • Wenn ein Unternehmen nach Kenntniserlangung und Hinweis auf eine Rechtsverletzung angemessen handelt, besteht keine Wiederholungsgefahr mehr.
  4. Vollendete Rechtsverletzung nach Kenntniserlangung erforderlich:
    • Die Wiederholungsgefahr wird erst durch eine erneute oder fortgesetzte Verletzung nach Kenntniserlangung begründet.

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Ausräumung der Wiederholungsgefahr

A) Grundsatz: nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung

Die Wiederholungsgefahr entsteht mit einer einmaligen Rechtsverletzung und kann grundsätzlich nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung oder ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil entfallen. Bloße Verhaltensänderungen oder die Einstellung der verletzenden Handlung sind nicht ausreichend, solange eine Wiederaufnahme nicht mit Sicherheit ausgeschlossen ist.

Zentrale Urteile zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr

BGH, Urt. v. 1.12.2022, I ZR 144/21 – Wegfall der Wiederholungsgefahr III

„Es ist Aufgabe des Verletzers, die für die Wiederholungsgefahr bestehende tatsächliche Vermutung zu widerlegen.“

Bedeutung:

  • Der Schuldner (Verletzer) trägt die Beweislast für das Wegfallen der Wiederholungsgefahr.
  • Das bloße Einstellen der Handlung reicht nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

BGH, Urt. v. 10.1.2024, I ZR 95/22 – Peek & Cloppenburg V

Grundsätzlich kann die Wiederholungsgefahr nur durch ein rechtskräftiges, mit einer Ordnungsmittelandrohung verbundenes Unterlassungsurteil oder eine ernst gemeinte, den Anspruchsgegenstand uneingeschränkt abdeckende, eindeutige und unwiderrufliche Unterlassungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für den Fall zukünftiger Zuwiderhandlung entfallen. Einem rechtskräftigen Urteil in der Hauptsache steht eine einstweilige Verfügung gleich, die der Schuldner durch Abschlusserklärung als endgültige Regelung anerkannt hat.

Bedeutung:

  • Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ist in der Regel erforderlich.
  • Alternativ kann die Wiederholungsgefahr durch ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil oder eine einstweilige Verfügung, die als endgültige Regelung anerkannt wurde, entfallen.

BGH, Urt. v. 4.7.2019, I ZR 161/18 – IVD-Gütesiegel

Die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr entfällt grundsätzlich nur dann, wenn der Schuldner eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, ein rechtskräftiger Unterlassungstitel in der Hauptsache ergangen ist oder nach Erlass eines Verbotstitels im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Abschlusserklärung erfolgt. Bloße nachträgliche Verhaltensänderungen führen nicht zum Entfallen der Wiederholungsgefahr, solange nicht jede Wahrscheinlichkeit für eine Wiederaufnahme ähnlicher Tätigkeiten beseitigt ist.

Bedeutung:

  • Selbst wenn der Verletzer sein Verhalten nachträglich ändert, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.
  • Die Unterlassungserklärung muss ernst gemeint, eindeutig und unwiderruflich sein.

BGH, Urt. v. 11.7.2024, I ZR 164/23 – nikotinhaltige Liquids

Bestätigt den Grundsatz, dass eine Wiederholungsgefahr nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung oder ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil entfällt.

OLG Köln, Urt. v. 21.9.2012, 6 U 106/12

Wird nach der Abgabe einer Unterlassungserklärung die Handlung wiederholt, entsteht eine neue Wiederholungsgefahr.

Bedeutung:

  • Eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung schützt nicht unbegrenzt.
  • Wiederholte Verstöße begründen eine neue Wiederholungsgefahr und erfordern eine verschärfte Unterlassungserklärung mit höherer Vertragsstrafe.

OLG Köln, Urt. v. 5.12.2014, 6 U 57/14

Begeht der Schuldner nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, mit der die Wiederholungsgefahr beseitigt wurde, einen identischen Wettbewerbsverstoß, entsteht ein neuer Unterlassungsanspruch. Die nach Abgabe einer Unterlassungserklärung durch einen erneuten Wettbewerbsverstoß begründete Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich allenfalls durch eine weitere Unterlassungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewährung ausgeräumt werden.

Bedeutung:

  • Falls der Schuldner trotz abgegebener Unterlassungserklärung erneut verstößt, genügt eine einfache erneute Erklärung nicht.
  • Die neue Unterlassungserklärung muss mit einer höheren Vertragsstrafe versehen sein.

BGH, GRUR 1990, 534 – Abruf-Coupon

Bei einem Vertragsstrafeversprechen nach „neuem Hamburger Brauch“ kann die erforderliche Verschärfung durch das Versprechen einer Vertragsstrafe „nicht unter …“ ausgedrückt werden.

Bedeutung:

  • Die Vertragsstrafe kann flexibel gestaltet werden, indem sie z.B. nach "neuem Hamburger Brauch" als "nicht unter X Euro" festgelegt wird.
  • Dies verhindert, dass die Vertragsstrafe unangemessen niedrig bleibt und somit keine abschreckende Wirkung hat.

Regel: Wiederholungsgefahr entfällt nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung

  • Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ist der Regelfall zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr.
  • Alternativ kann eine einstweilige Verfügung oder ein Unterlassungsurteil mit Ordnungsmittelandrohung die Wiederholungsgefahr entfallen lassen.

Sonderfall: Wiederholte Verstöße nach einer Unterlassungserklärung

  • Falls der Schuldner trotz Unterlassungserklärung erneut einen Verstoß begeht, entsteht eine neue Wiederholungsgefahr.
  • In diesem Fall kann eine neue Unterlassungserklärung mit höherer Vertragsstrafe verlangt werden.
  • Zudem schuldet der Schuldner für den erneuten Verstoß eine Vertragsstrafe aus der ersten Unterlassungserklärung.

Fazit: Hohe Anforderungen an die Ausräumung der Wiederholungsgefahr

Die Wiederholungsgefahr entfällt grundsätzlich nur durch:

  1. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die eindeutig, uneingeschränkt und unwiderruflich ist.
  2. Ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil mit Ordnungsmittelandrohung.
  3. Eine einstweilige Verfügung, sofern diese durch Abschlusserklärung als endgültige Regelung anerkannt wurde.

Die Wiederholungsgefahr entfällt nicht durch:

  • Die bloße Einstellung der rechtswidrigen Handlung.
  • Eine unverbindliche oder unzureichende Unterlassungserklärung.
  • Eine Verhaltensänderung ohne rechtliche Absicherung.

Wichtig:
Wird die Unterlassungserklärung verletzt, entsteht eine neue Wiederholungsgefahr, die nur durch eine neue Erklärung mit erhöhter Vertragsstrafe ausgeräumt werden kann.

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B) Reicht die Einstellung der Tätigkeit

Die bloße Einstellung der rechtsverletzenden Handlung oder der Geschäftstätigkeit führt in der Regel nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen, solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verletzer seine Tätigkeit wieder aufnimmt oder in ähnlicher Weise erneut handelt.

Zentrale Urteile zur Wiederholungsgefahr trotz Einstellung der Tätigkeit

1. BGH, Urt. v. 12.9.2013, I ZR 208/12 – Empfehlungs-E-Mail

Durch die Aufgabe des rechtsverletzenden Verhaltens entfällt die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht. Die aus einem früheren rechtswidrigen Handeln erfahrungsgemäß abgeleitete ernsthafte Besorgnis, dass der Verletzer auch weiterhin in gleicher Weise handeln wird, endet daher im Allgemeinen nicht aufgrund der Aufgabe der Betätigung, in deren Rahmen die Verletzung erfolgt ist.

Bedeutung:

  • Allein die Beendigung der Verletzungshandlung beseitigt die Wiederholungsgefahr nicht.
  • Es bleibt die ernsthafte Besorgnis, dass der Verletzer seine Handlung zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnimmt.

2. BGH, Urt. v. 10.1.2024, I ZR 95/22 – Peek & Cloppenburg V

Die Erwägung, die Beklagte habe die von der Klägerin beanstandete Verletzungshandlung sofort abgestellt und über längere Zeit nicht wiederholt, so dass absehbar nicht mit weiteren Verletzungen zu rechnen sei, ist kein Gesichtspunkt, der für einen Wegfall der Wiederholungsgefahr spricht. Eine solche Beurteilung läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass die Klägerin das Vorliegen der Wiederholungsgefahr darzulegen und zu beweisen hat.

Bedeutung:

  • Die Dauer der Unterlassung spielt keine Rolle – selbst wenn über längere Zeit kein neuer Verstoß erfolgt, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.
  • Die Beweislast liegt beim Verletzer, nicht beim Anspruchsteller.

3. BGH, Urt. v. 30.4.2014, I ZR 170/10 – Betriebskrankenkasse II

Die Wiederholungsgefahr entfällt insbesondere nicht schon mit der Aufgabe der Tätigkeit, in deren Rahmen die Verletzungshandlung erfolgt ist, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Wiederaufnahme ähnlicher Tätigkeiten durch den Verletzer beseitigt ist.

Bedeutung:

  • Auch bei Geschäftsaufgabe bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen, wenn eine Wiederaufnahme nicht ausgeschlossen werden kann.
  • Dies gilt auch für Körperschaften des öffentlichen Rechts, die im geschäftlichen Verkehr auftreten.

4. OLG Hamburg, Urt. v. 17.12.2020, 15 U 129/19, Tz. 99

Die Aufgabe des Geschäftsbetriebs lässt die Wiederholungsgefahr in aller Regel ebenfalls nicht entfallen.

Bedeutung:

  • Selbst die vollständige Geschäftsaufgabe ist kein automatischer Grund für den Wegfall der Wiederholungsgefahr.
  • Es könnte jederzeit eine Reaktivierung oder eine Neugründung erfolgen.

5. OLG Frankfurt, Urt. v. 3.7.2014, 6 U 240/13, Tz. 15

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt die Aufgabe des Geschäftsbetriebs die Wiederholungsgefahr nur dann entfallen, wenn ausgeschlossen ist, dass der Verletzer denselben oder einen ähnlichen Geschäftsbetrieb wieder aufnimmt.

Bedeutung:

  • Der Verletzer muss nachweisen, dass eine erneute Aufnahme der Geschäftstätigkeit ausgeschlossen ist.
  • Solange diese Möglichkeit besteht, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.

Zusammenfassung: Warum reicht die Einstellung der Tätigkeit nicht aus?

Wiederholungsgefahr bleibt bestehen, weil:

  1. Der Verletzer könnte seine Tätigkeit jederzeit wieder aufnehmen.
  2. Auch nach längerer Zeit ohne neue Verstöße bleibt die ursprüngliche Rechtsverletzung relevant.
  3. Die Beweislast für das Wegfallen der Wiederholungsgefahr liegt beim Verletzer, nicht beim Anspruchsteller.
  4. Selbst die vollständige Geschäftsaufgabe genügt nicht, wenn nicht ausgeschlossen ist, dass der Verletzer oder eine Nachfolgefirma die Tätigkeit wieder aufnimmt.

Die Wiederholungsgefahr entfällt nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel:

  • Wenn der Verletzer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt.
  • Wenn ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil ergangen ist.
  • Wenn nachweislich eine dauerhafte und unwiderrufliche Geschäftsaufgabe ohne Nachfolgeunternehmen erfolgt.

Fazit: Strafbewehrte Unterlassungserklärung erforderlich

Die bloße Aufgabe der rechtsverletzenden Handlung oder der Geschäftstätigkeit reicht nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
Zur sicheren Ausräumung ist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung oder ein Unterlassungsurteil notwendig.

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C) Ausnahmen:

aa) Keine Wiederholung möglich

Die Wiederholungsgefahr wird grundsätzlich durch eine einmal begangene Rechtsverletzung indiziert. Es gibt jedoch enge Ausnahmen, in denen keine Wiederholungsgefahr angenommen wird, insbesondere wenn eine Wiederholung objektiv ausgeschlossen oder nur theoretisch denkbar ist.

Zentrale Urteile zur Ausnahme „Keine Wiederholung möglich“

1. OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 318 f

Eine Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn eine Wiederholung des wettbewerbswidrigen Verhaltens ernsthaft und greifbar zu besorgen, nicht schon, wenn sie nur denkbar oder möglich ist.
Die Klägerin wendet sich im vorliegenden Verfahren ausdrücklich nicht dagegen, dass die Beklagte generell ein Telemedienangebot betreibt. Angegriffen wird allein die konkrete Verletzungshandlung, nicht auch kerngleiche Verstöße. Eine nochmalige Bereitstellung des – allein von der Antragstellung umfassten – Telemedienangebots vom 15.05.2017 durch die Beklagte wäre zwar theoretisch möglich, aber keinesfalls ernsthaft zu besorgen. Die Möglichkeit muss vielmehr als fernliegend beurteilt werden.

Bedeutung:

  • Die bloße theoretische Möglichkeit einer Wiederholung reicht nicht aus, um eine Wiederholungsgefahr zu begründen.
  • Es muss eine ernsthafte und greifbare Besorgnis bestehen, dass der Rechtsverstoß erneut begangen wird.
  • Falls es sich um ein einmaliges, nicht wiederholbares Ereignis handelt (z. B. eine befristete Werbekampagne oder ein spezifisches Telemedienangebot an einem bestimmten Tag), kann eine Wiederholungsgefahr verneint werden.

Wann entfällt die Wiederholungsgefahr wegen Unmöglichkeit einer Wiederholung?

Die Ausnahme greift, wenn:

  1. Die konkrete Verletzungshandlung technisch oder praktisch nicht wiederholbar ist.
  2. Das Verhalten nur einmalig möglich war und kein vergleichbarer zukünftiger Verstoß zu erwarten ist.
  3. Die Wiederholungsmöglichkeit nur rein theoretisch besteht, aber praktisch ausgeschlossen werden kann.
  4. Der Kläger ausdrücklich nur eine einzelne Handlung angreift, nicht aber kerngleiche Verstöße.

Die Ausnahme greift nicht, wenn:

  • Die Handlung leicht erneut begangen werden könnte.
  • Ein zukünftiges ähnliches Verhalten im Geschäftsmodell des Beklagten angelegt ist.
  • Die Gefahr besteht, dass der Beklagte sein Verhalten wieder aufnimmt oder in leicht veränderter Form fortsetzt.

Fazit: Enge Ausnahmen bei Unmöglichkeit der Wiederholung

  • Eine Wiederholungsgefahr besteht nicht, wenn eine erneute Rechtsverletzung objektiv ausgeschlossen oder extrem unwahrscheinlich ist.
  • Eine bloß theoretische Möglichkeit einer Wiederholung genügt nicht für die Annahme einer Wiederholungsgefahr.
  • Der Kläger muss in diesen Fällen nachweisen, dass eine erneute Verletzung nicht ernsthaft zu besorgen ist.

bb) Veränderte Umstände

Grundsätzlich bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen, selbst wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände ändern. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn durch die Veränderung der Umstände eine Wiederholung des beanstandeten Verhaltens ausgeschlossen oder extrem unwahrscheinlich wird. Die Beweislast für den Wegfall der Wiederholungsgefahr liegt beim Unterlassungsschuldner.

Zentrale Urteile zur Ausnahme „Veränderte Umstände“

1. OLG Frankfurt, Urt. v. 4.12.2014, 6 U 30/14

Bei der Frage des Fortbestands der Wiederholungsgefahr ist im vorliegenden Verfahren … zu berücksichtigen, dass die einstweilige Verfügung, die Gegenstand der unlauteren Pressemitteilung war, durch das - inzwischen rechtskräftige - Urteil des Landgerichts … aufgehoben worden ist. Seit dieser Entscheidung wäre eine erneute Verwendung der streitgegenständlichen Presseerklärung auf jeden Fall unlauter im Sinne von § 4 Nr. 8 UWG, weil bereits die darin mitgeteilten Tatsachen nicht (mehr) zutreffend sind. (…)
In den Fällen der dargestellten Art wird die Wiederholungsgefahr jedoch nicht schon durch die Veränderung der tatsächlichen Umstände oder der Rechtslage selbst beseitigt. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Unterlassungsschuldner sich auch auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr beruft und klar zu erkennen gibt, dass er im Hinblick auf die geänderten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse die Verletzungshandlung (selbstverständlich) nicht erneut begehen wird.

Bedeutung:

  • Eine bloße Veränderung der Umstände (z. B. eine geänderte Rechtslage) reicht nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
  • Der Schuldner muss sich ausdrücklich auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr berufen und glaubhaft machen, dass er die Handlung nicht wiederholen wird.
  • Falls eine gerichtliche Entscheidung die frühere Verletzungshandlung als rechtswidrig bewertet, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.

2. OLG Hamburg, Urt. v. 17.12.2020, 15 U 129/19

Eine erneute Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, infolge derer das werbende Unternehmen die Position als ‚größter Anbieter‘ bzw. hier des ‚besten Netzes‘ wieder verliert, ist jederzeit möglich. (…) Jedenfalls abgesehen von besonders liegenden Fällen gilt jedoch der Grundsatz, dass die bloße Veränderung tatsächlicher Verhältnisse nicht zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr führt.

Bedeutung:

  • Selbst wenn eine Werbeaussage heute nicht mehr irreführend wäre, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.
  • Falls sich die tatsächlichen Umstände erneut ändern könnten (z. B. ein Unternehmen könnte seinen Marktführerstatus wieder verlieren), bleibt die Möglichkeit einer Wiederholung bestehen.
  • Dies zeigt, dass nur eine dauerhafte und irreversible Veränderung der Umstände die Wiederholungsgefahr entfallen lassen kann.

3. OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2021, 6 W 23/21

Die Erlangung des Zertifikates nach Art. 27 ÖkoVO durch die Antragsgegnerin kann nicht zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr führen. Dem steht schon entgegen, dass der Gültigkeitszeitraum des Zertifikats bis zum 31.08.2021 beschränkt ist.

Bedeutung:

  • Die Erteilung eines Zertifikats (z. B. Bio-Siegel) führt nicht automatisch zum Wegfall der Wiederholungsgefahr.
  • Falls das Zertifikat zeitlich begrenzt ist, bleibt die Möglichkeit bestehen, dass das Unternehmen in Zukunft ohne Berechtigung weiter wirbt.
  • Nur wenn eine dauerhafte Berechtigung besteht und eine zukünftige Täuschung ausgeschlossen ist, könnte die Wiederholungsgefahr entfallen.

4. OLG München, Urt. v. 23.11.2023, 29 U 3309/22

Die Wiederholungsgefahr ist durch die Erteilung des Bio-Zertifikats nicht entfallen. (…) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte die Berechtigung, das Bio-Zertifikat zu führen, in der Zukunft wieder verliert und dennoch weiter in der beanstandeten Weise wirbt.

Bedeutung:

  • Selbst wenn sich die aktuelle Situation geändert hat, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen, wenn sich die Umstände später wieder ändern könnten.
  • Dies gilt insbesondere bei zertifikats- oder genehmigungsabhängigen Werbeaussagen, da eine spätere Aberkennung der Berechtigung möglich bleibt.

Wann führt eine Veränderung der Umstände zum Wegfall der Wiederholungsgefahr?

Die Ausnahme greift, wenn:

  1. Die Umstände sich derart verändert haben, dass eine Wiederholung der Verletzung objektiv ausgeschlossen ist.
  2. Der Schuldner sich ausdrücklich auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr beruft und glaubhaft macht, dass er die Handlung nicht wiederholen wird.
  3. Die Veränderung irreversibel ist, z. B. wenn eine gesetzliche Änderung die frühere Verletzungshandlung heute unmöglich macht.

Die Ausnahme greift nicht, wenn:

  • Die Umstände sich wieder ändern könnten, sodass die Handlung erneut möglich wäre.
  • Die Änderung nur vorübergehend ist (z. B. Zertifikatsvergabe mit befristeter Gültigkeit).
  • Der Schuldner sich nicht ausdrücklich auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr beruft und keine klare Distanzierung vornimmt.

Fazit: Strenge Anforderungen an den Wegfall der Wiederholungsgefahr durch veränderte Umständ

  • Eine bloße Veränderung der Umstände oder der Rechtslage reicht in der Regel nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
  • Der Unterlassungsschuldner muss sich ausdrücklich auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr berufen und glaubhaft machen, dass eine Wiederholung ausgeschlossen ist.
  • Falls sich die Umstände zukünftig erneut ändern könnten, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.
  • Dauerhafte, irreversible Änderungen (z. B. rechtliche Neuregelungen, die eine Wiederholung unmöglich machen) können die Wiederholungsgefahr in Ausnahmefällen entfallen lassen. 

cc)Wiederholung nicht möglich

In bestimmten Fällen kann die Wiederholungsgefahr entfallen, wenn eine erneute Begehung der Rechtsverletzung objektiv ausgeschlossen oder extrem unwahrscheinlich ist. Dabei reicht es nicht aus, dass eine Wiederholung theoretisch denkbar ist – sie muss ernsthaft zu befürchten sein.

Zentrales Urteil zur Wiederholungsgefahr bei nicht möglicher Wiederholung

OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 318 f

Eine Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn eine Wiederholung des wettbewerbswidrigen Verhaltens ernsthaft und greifbar zu besorgen, nicht schon, wenn sie nur denkbar oder möglich ist.
Die Klägerin wendet sich im vorliegenden Verfahren ausdrücklich nicht dagegen, dass die Beklagte generell ein Telemedienangebot betreibt. Angegriffen wird allein die konkrete Verletzungshandlung, nicht auch kerngleiche Verstöße.
Eine nochmalige Bereitstellung des – allein von der Antragstellung umfassten – Telemedienangebots vom 15.05.2017 durch die Beklagte wäre zwar theoretisch möglich, aber keinesfalls ernsthaft zu besorgen. Die Möglichkeit muss vielmehr als fernliegend beurteilt werden.

Bedeutung:

  • Die Wiederholungsgefahr besteht nur dann, wenn eine erneute Rechtsverletzung ernsthaft zu befürchten ist.
  • Wenn eine Rechtsverletzung nur einmalig möglich war (z. B. eine einmalige Veröffentlichung oder ein nicht wiederholbarer Vorfall), entfällt die Wiederholungsgefahr.
  • Rein theoretische Möglichkeiten einer Wiederholung reichen nicht aus, um eine Unterlassungspflicht zu begründen.

Wann entfällt die Wiederholungsgefahr aufgrund Unmöglichkeit der Wiederholung?

Die Ausnahme greift, wenn:

  1. Die angegriffene Handlung nur einmalig stattfinden konnte und nicht mehr wiederholbar ist.
  2. Die Verletzungshandlung an spezifische Umstände gebunden war, die sich nicht rekonstruieren lassen.
  3. Die Möglichkeit einer erneuten Durchführung der Rechtsverletzung so fernliegend ist, dass sie nicht ernsthaft zu befürchten ist.

Die Ausnahme greift nicht, wenn:

  • Die Handlung zwar beendet wurde, aber jederzeit wiederholt werden könnte.
  • Das Verhalten zwar verändert wurde, aber der Kernverstoß erneut begangen werden kann.
  • Eine Wiederholung zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist.

Fazit: Wann ist eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen?

  • Die bloße Beendigung der Handlung reicht in der Regel nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
  • Eine Wiederholungsgefahr entfällt nur, wenn eine erneute Verletzung objektiv ausgeschlossen ist oder extrem unwahrscheinlich erscheint.
  • Wenn eine Handlung nur einmalig stattfinden konnte und nicht wiederholt werden kann, besteht keine Wiederholungsgefahr.
  • In allen anderen Fällen bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen, solange eine erneute Begehung nicht ausgeschlossen werden kann.

dd) Klärung einer umstrittenen Rechtslage

Grundsätzlich wird im Wettbewerbsrecht vermutet, dass ein Wettbewerber eine in der Vergangenheit begangene Rechtsverletzung auch in Zukunft wiederholen wird. Diese Wiederholungsgefahr entfällt jedoch, wenn die Rechtslage zum Zeitpunkt der Handlung umstritten war und erst durch eine Gesetzesänderung oder eine höchstrichterliche Entscheidung geklärt wurde.

Wichtig: Diese Ausnahme gilt nur, wenn der Täter sein Verhalten ursprünglich mit vertretbaren Gründen für rechtmäßig hielt und nun klar ist, dass dieses Verhalten tatsächlich verboten ist. War das Verhalten schon vorher eindeutig rechtswidrig, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.

Zentrale Urteile zur Ausnahme „Klärung einer umstrittenen Rechtslage“

1. BGH, Urt. v. 25.10.2001, I ZR 29/99 – Vertretung der Anwalts-GmbH

Die im Wettbewerbsrecht geltende Vermutung, ein Wettbewerber werde sein in der Vergangenheit gezeigtes Verhalten auch in der Zukunft fortsetzen oder wiederholen, entfällt immer dann, wenn die Wettbewerbswidrigkeit des fraglichen Verhaltens in der Vergangenheit umstritten war, aufgrund einer Gesetzesänderung nunmehr aber eindeutig zu bejahen ist. Denn es kann nicht angenommen werden, dass derjenige, der bei zweifelhafter Rechtslage sein Verhalten mit vertretbaren Gründen gegen den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verteidigt, auch dann auf einer Fortsetzung oder Wiederholung seines Handelns besteht, wenn der Gesetzgeber die offene Frage eindeutig im Sinne des zuvor streitigen Verbots entschieden hat.

Bedeutung:

  • Wenn eine Rechtslage umstritten war und erst später eindeutig geklärt wurde, entfällt die Wiederholungsgefahr.
  • Die Beweislast liegt beim Beklagten, der darlegen muss, dass er sich zuvor mit guten Gründen auf eine unklare Rechtslage berufen hat.
  • Hat eine Gesetzesänderung oder ein höchstrichterliches Urteil die Rechtslage geklärt, ist nicht davon auszugehen, dass der Beklagte seine Praxis trotzdem fortsetzen wird.

2. BGH, Beschl. v. 20.1.2016, I ZB 102/14 – Erledigungserklärung nach Gesetzesänderung

Bestätigt den Grundsatz, dass eine gesetzliche Klarstellung zu einer umstrittenen Frage die Wiederholungsgefahr entfallen lassen kann.

3. OLG Frankfurt, Urt. v. 10.5.2012, 6 U 81/11, Tz. 12

Bedeutung:

  • Wenn eine höchstrichterliche Entscheidung eine strittige Rechtslage klärt, kann die Wiederholungsgefahr entfallen.
  • Dies gilt jedoch nur, wenn der Beklagte nicht bereits vorher wissentlich unlauter gehandelt hat.

4. OLG Köln, Urt. v. 19.2.2014, 6 U 113/13, Tz. 34

Bedeutung:

  • Auch Urteile oberer Instanzen, die eine bisher unklare Rechtslage klären, können dazu führen, dass die Wiederholungsgefahr entfällt.
  • Die Handlung muss aber unter vertretbaren Gründen erfolgt sein.

5. OLG München, Urt. v. 26.6.2014, 29 U 800/13, II.1.b

Bedeutung:

  • Die Wiederholungsgefahr kann nur dann entfallen, wenn das frühere Verhalten auf einer plausiblen Rechtsauffassung beruhte.

Grenze der Ausnahme: Wenn das Verhalten bereits vorher unlauter war

Die Ausnahme greift nicht, wenn die Handlung sowohl vor als auch nach der Klärung der Rechtslage unzulässig war.

6. BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 221/15 – Energieverbrauchskennzeichnung im Internet

Die zeitlich nach den von der Beklagten in ihrem Internet-Auftritt eingetretenen Rechtsänderungen sind nur technischer Art. Sie sind daher nicht geeignet, die durch das vollständige Fehlen von Hinweisen auf die Energieeffizienz der in diesem Internet-Auftritt beworbenen Haushaltsgeräte begründete tatsächliche Vermutung der künftigen Wiederholung entsprechender Verstöße entfallen zu lassen.
Der Streitfall lässt sich in dieser Hinsicht nicht mit Fällen vergleichen, in denen der Senat vom Wegfall der Wiederholungsgefahr ausgegangen ist, weil der Verstoß unter der Geltung einer zweifelhaften Rechtslage begangen worden ist, die Zweifel aber durch eine Gesetzesänderung beseitigt worden sind und deshalb nunmehr außer Frage steht, dass das beanstandete Verhalten verboten ist.

Bedeutung:

  • Wenn das Verhalten bereits vor der Gesetzesänderung klar unzulässig war, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.
  • Nur echte Rechtsunsicherheiten können die Wiederholungsgefahr entfallen lassen.
  • Die Änderung einer technischen Anforderung (z. B. neue Kennzeichnungspflichten) reicht nicht aus.

Wann entfällt die Wiederholungsgefahr aufgrund einer geklärten Rechtslage?

Die Ausnahme greift, wenn:

  1. Die Rechtslage zum Zeitpunkt der Handlung umstritten war.
  2. Der Täter die frühere Handlung mit vertretbaren Gründen als zulässig angesehen hat.
  3. Durch eine Gesetzesänderung oder ein höchstrichterliches Urteil nun eindeutig feststeht, dass das Verhalten unzulässig ist.
  4. Kein ernsthafter Grund ersichtlich ist, dass der Beklagte trotz eindeutiger Klarstellung der Rechtslage seine Handlung fortsetzen wird.

Die Ausnahme greift nicht, wenn:

  • Das Verhalten schon vor der Klärung der Rechtslage eindeutig unlauter war.
  • Die Änderung der Rechtslage nur technischer Natur ist (z. B. neue Pflichtangaben in der Werbung).
  • Es keine ernsthafte Rechtsunsicherheit gab, sondern der Beklagte nur bewusst die Unklarheit ausgenutzt hat.

Fazit: Wann kann eine geklärte Rechtslage die Wiederholungsgefahr entfallen lassen?

  • Wenn eine früher unklare Rechtslage nun eindeutig geklärt ist, kann die Wiederholungsgefahr entfallen.
  • Der Beklagte muss darlegen, dass er die frühere Praxis mit vertretbaren Gründen für zulässig hielt.
  • Wenn das Verhalten jedoch auch vorher schon unlauter war, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.
  • Die bloße Änderung von Vorschriften reicht nicht aus, wenn das frühere Verhalten objektiv wettbewerbswidrig war.

ee) Rechtskräftiges Urteil in der Hauptsache

Ein rechtskräftiges Urteil im Hauptsacheverfahren kann die Wiederholungsgefahr entfallen lassen, da davon ausgegangen wird, dass der Schuldner das gerichtliche Verbot ernst nimmt und sich daran hält. Ein solcher Titel entfaltet eine vergleichbare Wirkung wie eine strafbewehrte Unterlassungserklärung.

Allerdings gibt es Ausnahmen, in denen trotz eines rechtskräftigen Urteils die Wiederholungsgefahr bestehen bleiben kann, insbesondere wenn Zweifel daran bestehen, dass der Schuldner das Urteil als endgültige Regelung akzeptiert.

Zentrale Urteile zur Ausnahme „Rechtskräftiges Urteil im Hauptsacheverfahren“

1. BGH, Urt. v. 19.12.2002, I ZR 160/00 – Begrenzte Preissenkung

Ein die streitgegenständliche Werbung betreffendes rechtskräftiges Urteil lässt die Wiederholungsgefahr auch im Verhältnis zu einem Dritten in der Regel entfallen. Es liegt nämlich nahe anzunehmen, dass der Schuldner das Urteil ebenso ernst nehmen und für sein künftiges Verhalten bestimmend erachten wird wie eine eigene vertragliche strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung.

Bedeutung:

  • Ein rechtskräftiges Urteil hat in der Regel die gleiche Wirkung wie eine strafbewehrte Unterlassungserklärung.
  • Der Schuldner muss das Urteil als verbindlich ansehen und sein Verhalten entsprechend ausrichten.
  • Dies gilt grundsätzlich auch im Verhältnis zu Dritten (anderen Wettbewerbern oder Abmahnern), sofern sich der Schuldner auf das Urteil beruft.

2. Ausnahme: Zweifel an der Wirkung des Urteils

Eine andere Beurteilung kann ausnahmsweise angebracht sein, wenn der Vollstreckungsgläubiger an der Durchsetzung des Titels nicht interessiert ist oder wenn das Verhalten des Schuldners Zweifel aufkommen lässt, dass er dem ergangenen Urteil eine den Streit regelnde Wirkung beimisst.

Bedeutung:

  • Falls der Schuldner das Urteil nicht als endgültige Regelung anerkennt oder sich nicht darauf beruft, kann die Wiederholungsgefahr fortbestehen.
  • Wenn er in einer anderen Auseinandersetzung wegen derselben Handlung nicht auf das Urteil verweist, könnte dies ein Indiz sein, dass er es nicht als bindend ansieht.
  • Ein Verhalten des Schuldners, das darauf schließen lässt, dass er die Entscheidung nicht als endgültig akzeptiert, kann dazu führen, dass die Wiederholungsgefahr weiter besteht.

3. BGH, Urt. v. 13.12.2018, I ZR 3/16 – UBER BLACK II

Bestätigt, dass ein rechtskräftiges Urteil in der Hauptsache die Wiederholungsgefahr entfallen lassen kann, sofern der Schuldner dieses als verbindliche Regelung akzeptiert.

4. OLG Oldenburg, Urt. v. 10.2.2012, 6 U 247/11 (= MMR 2012, 312)

Durch den Erlass der einstweiligen Verfügung entfiel die erforderliche Wiederholungsgefahr nicht, solange das Hauptverfahren durchgeführt werden und zu einer Aufhebung der einstweiligen Verfügung führen konnte. Der Beklagte konnte den Entfall einer Wiederholungsgefahr nur dadurch bewirken, dass er eine sog. Abschlusserklärung (bzw. ein Abschlussschreiben) beibrachte.

Bedeutung:

  • Eine einstweilige Verfügung allein beseitigt die Wiederholungsgefahr nicht.
  • Nur eine abschließende Regelung durch eine Abschlusserklärung oder ein Hauptsacheurteil kann dazu führen, dass keine Wiederholungsgefahr mehr besteht.
  • Bis zur endgültigen Klärung bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.

Wann entfällt die Wiederholungsgefahr durch ein rechtskräftiges Urteil?

Die Ausnahme greift, wenn:

  1. Ein rechtskräftiges Urteil in der Hauptsache die Rechtsverletzung eindeutig untersagt.
  2. Der Schuldner sich darauf beruft und sein Verhalten entsprechend ausrichtet.
  3. Kein Anlass besteht, an der Akzeptanz des Urteils durch den Schuldner zu zweifeln.

Die Ausnahme greift nicht, wenn:

  • Das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
  • Der Schuldner sich nicht auf das Urteil beruft oder es ignoriert.
  • Eine einstweilige Verfügung ohne abschließende Anerkennung durch eine Abschlusserklärung vorliegt.
  • Es Anzeichen dafür gibt, dass der Schuldner das Urteil nicht als endgültige Regelung betrachtet und trotzdem in ähnlicher Weise handelt.

Fazit: Wann kann ein rechtskräftiges Urteil die Wiederholungsgefahr entfallen lassen?

  • Ein rechtskräftiges Unterlassungsurteil kann die Wiederholungsgefahr beseitigen, wenn der Schuldner es als verbindlich ansieht und beachtet.
  • Eine einstweilige Verfügung allein reicht nicht aus, solange sie nicht als abschließende Regelung anerkannt wurde.
  • Falls Zweifel bestehen, dass der Schuldner das Urteil tatsächlich beachtet, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.
  • Die Beweislast für den Wegfall der Wiederholungsgefahr liegt beim Schuldner.

ff) Veränderung der Umstände

Eine Veränderung der Umstände kann dazu führen, dass die Wiederholungsgefahr entfällt, wenn eine erneute Begehung der rechtswidrigen Handlung unwahrscheinlich erscheint. Allerdings reicht eine bloße Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Situation nicht automatisch aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

Nach der Rechtsprechung muss der Unterlassungsschuldner sich ausdrücklich auf die veränderten Umstände berufen und glaubhaft machen, dass er die Handlung nicht wiederholen wird.

Zentrale Urteile zur Ausnahme „Veränderung der Umstände“

1. OLG Frankfurt, Urt. v. 4.12.2014, 6 U 30/14

Bei der Frage des Fortbestands der Wiederholungsgefahr ist zu berücksichtigen, dass die einstweilige Verfügung, die Gegenstand der unlauteren Pressemitteilung war, durch das - inzwischen rechtskräftige - Urteil des Landgerichts aufgehoben worden ist. Seit dieser Entscheidung wäre eine erneute Verwendung der streitgegenständlichen Presseerklärung auf jeden Fall unlauter, weil bereits die darin mitgeteilten Tatsachen nicht mehr zutreffend sind.
… Bei dieser Sachlage kann aus der begangenen Verletzungshandlung nicht mehr ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass die Beklagte das beanstandete Verhalten auch unter den veränderten Umständen wiederholen könnte.

Bedeutung:

  • Wenn sich die Umstände so verändert haben, dass eine erneute Begehung der Handlung ausgeschlossen erscheint, kann die Wiederholungsgefahr entfallen.
  • Die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung oder eine andere Veränderung der rechtlichen Situation kann dazu führen, dass eine Wiederholung nicht mehr ernsthaft zu erwarten ist.
  • Dies reicht aber nur dann aus, wenn der Schuldner sich ausdrücklich auf die veränderten Umstände beruft.

2. OLG Hamburg, Urt. v. 17.12.2020, 15 U 129/19

Eine erneute Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, infolge derer das werbende Unternehmen die Position als ‚größter Anbieter‘ bzw. ‚bestes Netz‘ wieder verliert, ist jederzeit möglich. (…)
Letzteres mag etwa zu erwägen sein, wenn der zunächst unzulässig mit einem Doktortitel Werbende den Doktorgrad erwirbt oder wenn ein zunächst ohne die erforderliche Erlaubnis gemäß § 10 RDG werbendes Inkassounternehmen die nötige Erlaubnis erhält.
Jedenfalls abgesehen von besonders liegenden Fällen gilt jedoch der Grundsatz, dass die bloße Veränderung tatsächlicher Verhältnisse nicht zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr führt

Bedeutung:

  • Eine Wiederholungsgefahr entfällt nur dann, wenn die Veränderung der Umstände so stabil ist, dass eine erneute Verletzung ausgeschlossen erscheint.
  • Die bloße Veränderung von Marktverhältnissen oder Testergebnissen reicht nicht aus, da sich diese Umstände wieder ändern könnten.
  • Dauerhafte Veränderungen, wie z. B. der Erwerb einer erforderlichen Erlaubnis oder eines Doktortitels, können dagegen die Wiederholungsgefahr beseitigen.

3. OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2021, 6 W 23/21

Die Erlangung des Zertifikates nach Art. 27 ÖkoVO durch die Antragsgegnerin kann nicht zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr führen. Dem steht schon entgegen, dass der Gültigkeitszeitraum des Zertifikats bis zum 31.08.2021 beschränkt ist.

Bedeutung:

  • Ein zeitlich begrenztes Zertifikat reicht nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, da es später erlöschen könnte und das Unternehmen dann erneut unzulässig werben könnte.
  • Nur wenn die Berechtigung dauerhaft erworben wurde, könnte die Wiederholungsgefahr entfallen.

4. OLG München, Urt. v. 23.11.2023, 29 U 3309/22

Die Wiederholungsgefahr ist durch die Erteilung des Bio-Zertifikats nicht entfallen. (…)
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte die Berechtigung, das Bio-Zertifikat zu führen, in der Zukunft wieder verliert und dennoch weiter in der beanstandeten Weise wirbt.

Bedeutung:

  • Eine bloße Veränderung der Umstände (z. B. Erhalt eines Zertifikats) genügt nicht, wenn sich diese Umstände wieder ändern können.
  • Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Unternehmen erneut unberechtigt werben könnte, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.

Wann kann eine Veränderung der Umstände die Wiederholungsgefahr beseitigen?

Die Ausnahme greift, wenn:

  1. Die veränderten Umstände eine erneute Begehung der Verletzungshandlung praktisch ausschließen.
  2. Die Veränderung dauerhaft ist und nicht einfach wieder rückgängig gemacht werden kann.
  3. Der Unterlassungsschuldner sich ausdrücklich auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr beruft und glaubhaft macht, dass er die Handlung nicht wiederholen wird.

Die Ausnahme greift nicht, wenn:

  • Die Umstände sich wieder ändern könnten, sodass eine Wiederholung der Handlung möglich bleibt.
  • Die Veränderung nur vorübergehend ist (z. B. befristetes Zertifikat, temporäre Marktführerschaft).
  • Der Schuldner sich nicht ausdrücklich auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr beruft.

Fazit: Wann kann eine Veränderung der Umstände die Wiederholungsgefahr entfallen lassen?

  • Eine bloße Veränderung der Umstände reicht nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
  • Die Veränderung muss dauerhaft und unumkehrbar sein.
  • Der Schuldner muss sich ausdrücklich auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr berufen und glaubhaft machen, dass er die Handlung nicht wiederholen wird.
  • Falls die Umstände sich erneut ändern könnten, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen. 

gg) Die Handlung war noch erlaubt

Die Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass die beanstandete Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung rechtswidrig war. War die Handlung nach dem damals geltenden Recht noch erlaubt, fehlt es an einer tatsächlichen Vermutung für eine Wiederholung, da der Schuldner sein Verhalten nicht bewusst rechtswidrig an den Tag gelegt hat.

Allerdings gibt es Ausnahmen – insbesondere bei Dauerhandlungen, die auch nach dem Inkrafttreten eines gesetzlichen Verbots fortgesetzt werden.

Zentrale Urteile zur Ausnahme „Die Handlung war zum Zeitpunkt der Begehung noch erlaubt“

1. BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 110/15 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon

Der Unterlassungsantrag ist nur dann begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten nach dem zur Zeit der Handlung geltenden Recht rechtswidrig war.

Bedeutung:

  • Wenn die Handlung zum damaligen Zeitpunkt rechtlich zulässig war, kann daraus keine Wiederholungsgefahr abgeleitet werden.
  • Eine rückwirkende Anwendung neuer Gesetze oder Vorschriften auf frühere, damals legale Handlungen ist nicht zulässig.

2. BGH, Urt. v. 11.6.2015, I ZR 226/13 – Deltamethrin

Bestätigt den Grundsatz, dass eine Wiederholungsgefahr nur bei einer Handlung besteht, die zum Zeitpunkt der Begehung unzulässig war.

3. OLG Köln, Urt. v. 8.5.2015, 6 U 137/14

Ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es andernfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt.
Im vorliegenden Fall kommt es aber auf die Prüfung nach altem Recht nicht an, da der Internetauftritt der Beklagten auch nach dem Inkrafttreten der Neuregelung am 13.06.2014 unverändert fortbestand, so dass spätestens dann eine Rechtsverletzung und mit ihr auch eine Wiederholungsgefahr bestand.

Bedeutung:

  • Wenn eine Handlung bei ihrer Begehung erlaubt war, aber nach einer Gesetzesänderung fortgesetzt wird, kann die Wiederholungsgefahr ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts entstehen.
  • Eine einmalige Handlung vor einer Gesetzesänderung kann nicht für die Zukunft verboten werden, wohl aber eine fortgesetzte oder wiederholte Handlung nach der Gesetzesänderung.

4. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.7.2015, 6 W 71/15 – Aufbrauchfrist

Vergleichbar soll diese Situation sein, wenn eine Handlung während des Laufs einer Aufbrauchfrist begangen wird. Dann besteht keine Vermutung einer Wiederholungsgefahr für den Zeitraum nach Ablauf der Aufbrauchfrist.

Bedeutung:

  • Falls eine gesetzliche Änderung mit einer Übergangs- oder Aufbrauchfrist versehen ist, bleibt eine Handlung während dieser Zeit zulässig.
  • Die Wiederholungsgefahr besteht erst dann, wenn die Handlung nach Ablauf der Frist weitergeführt wird.

Wann entfällt die Wiederholungsgefahr aufgrund einer ehemals erlaubten Handlung?

Die Ausnahme greift, wenn:

  1. Die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung nach geltendem Recht zulässig war.
  2. Es sich nicht um eine fortgesetzte Dauerhandlung handelt, die nach einer Gesetzesänderung weiterhin besteht.
  3. Keine neuen Verstöße nach einer Gesetzesänderung begangen wurden.
  4. Eine gesetzliche Aufbrauchfrist noch nicht abgelaufen ist.

Die Ausnahme greift nicht, wenn:

  • Die Handlung auch zum Zeitpunkt ihrer Begehung bereits unzulässig war.
  • Die Handlung nach einer Gesetzesänderung fortgesetzt wird (z. B. ein Online-Auftritt, der nicht an die neuen Regelungen angepasst wird).
  • Die Aufbrauchfrist bereits abgelaufen ist und die Handlung dennoch weitergeführt wird.

Fazit: Wann kann eine ehemals erlaubte Handlung die Wiederholungsgefahr entfallen lassen?

  • War die Handlung nach damaligem Recht zulässig, kann keine Wiederholungsgefahr bestehen.
  • Wird die Handlung aber nach einer Gesetzesänderung fortgeführt, entsteht eine neue Wiederholungsgefahr.
  • Eine gesetzliche Übergangsfrist schützt vor Wiederholungsgefahr, solange sie noch läuft.
  • Nach Ablauf einer Aufbrauchfrist oder bei andauernder Rechtsverletzung bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.

hh) Rechtswidrige Handlung wird legal

Die Wiederholungsgefahr entfällt, wenn eine vormals rechtswidrige Handlung durch eine Gesetzesänderung legalisiert wird. Da ein Unterlassungsanspruch immer zukunftsgerichtet ist, kann ein Verhalten nicht mehr untersagt werden, wenn es nach aktueller Rechtslage nicht mehr wettbewerbswidrig ist.

Allerdings führt nicht jede Gesetzesänderung automatisch zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr – es muss konkret geprüft werden, ob das gesetzliche Verbot tatsächlich aufgehoben oder nur modifiziert wurde.

Zentrale Urteile zur Ausnahme „Legalisierung der vormals rechtswidrigen Handlung“

1. BGH, Urt. v. 11.6.2015, I ZR 226/13 – Deltamethrin

Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das beanstandete Verhalten der Beklagten nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht wettbewerbswidrig sein.

Bedeutung:

  • Ein Unterlassungsanspruch kann nicht aufrechterhalten werden, wenn die beanstandete Handlung nach geltendem Recht erlaubt ist.
  • Wenn eine gesetzliche Regelung ein Verbot aufhebt, entfällt die Wiederholungsgefahr.

2. BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 110/15 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon

Bestätigt, dass eine Wiederholungsgefahr nicht mehr besteht, wenn eine Gesetzesänderung eine frühere Wettbewerbswidrigkeit beseitigt.

3. OLG Stuttgart, Urt. v. 5.9.2013, 2 U 155/12

Einschlägige Gesetzesänderungen müssen nicht zwingend zu einer veränderten, die begründete Wiederholungsgefahr beseitigenden Veränderung der Rechtslage führen. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob das gesetzliche Unwerturteil, aus dem die Unlauterkeit entsteht, unter dem neuen Recht fort gilt.

Bedeutung:

  • Nicht jede Gesetzesänderung führt automatisch zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr.
  • Es muss geprüft werden, ob das frühere gesetzliche Verbot tatsächlich aufgehoben wurde oder ob weiterhin Einschränkungen bestehen.

4. OLG Köln, Urt. v. 8.5.2015, 6 U 137/14

Ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann.

Bedeutung:

  • Wenn eine Handlung durch eine Gesetzesänderung legal wird, kann kein Unterlassungsanspruch mehr geltend gemacht werden.
  • Entscheidend ist das zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Recht, nicht die frühere Rechtslage.

Wann entfällt die Wiederholungsgefahr aufgrund einer Legalisierung der Handlung?

Die Ausnahme greift, wenn:

  1. Das frühere Verbot durch eine eindeutige Gesetzesänderung aufgehoben wurde.
  2. Die Handlung nach dem aktuell geltenden Recht nicht mehr wettbewerbswidrig ist.
  3. Keine anderen Vorschriften die Handlung weiterhin als unzulässig einstufen.

Die Ausnahme greift nicht, wenn:

  • Die Gesetzesänderung nur bestimmte Aspekte der Handlung ändert, aber nicht das Verbot selbst aufhebt.
  • Neue Einschränkungen oder Modifikationen bestehen, die weiterhin eine Wettbewerbswidrigkeit begründen können.
  • Die frühere Rechtslage in wesentlichen Teilen fortbesteht (z. B. wenn das Verbot nur abgeschwächt, aber nicht vollständig aufgehoben wurde).

Fazit: Wann kann eine Gesetzesänderung die Wiederholungsgefahr entfallen lassen?

  • Wenn eine vormals verbotene Handlung nun gesetzlich erlaubt ist, entfällt die Wiederholungsgefahr.
  • Die Wiederholungsgefahr bleibt bestehen, wenn trotz Gesetzesänderung weiterhin Restriktionen oder Wettbewerbswidrigkeit bestehen.
  • Eine sorgfältige Prüfung ist erforderlich, um festzustellen, ob das „gesetzliche Unwerturteil“ tatsächlich aufgehoben wurde.

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