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Widerrufsrecht gilt auch für Online-Kurse

LG Bielefeld, Urteil vom 05.06.2012, Az. 15 O 49/12
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Muss der Anbieter eines Online-Kurses zur Vorbereitung auf den Sportbootführerschein seine Kunden über ihr Widerrufsrecht aufklären? Nein, meinte der Kursveranstalter, Ja hingegen der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Auf dessen Unterlassungsklage hat das LG Bielefeld die Frage zugunsten des Klägers - und damit zugunsten des Verbrauchers - entschieden. Der Beklagte hatte im Internet Online-Kurse zur Vorbereitung auf die Theorieprüfung zum Sportbootführerschein angeboten. Interessenten konnten einen Vertrag über einen Kurs abschließen, indem sie einige Daten eingaben und die gewünschte Kursdauer auswählten. Nach Bestätigung, die AGB des Anbieters gelesen zu haben, und Abschluss des Bezahlvorgangs konnte der Kurs für die gebuchte Dauer genutzt werden. Das Angebot enthielt keine Belehrung über ein Widerrufsrecht. Der Beklagte fühlte sich dazu auch nicht verpflichtet. Er verwies auf die Ausnahme von der Belehrungspflicht gemäß § 312 Abs. 3 Nr. 6 BGB (alte Fassung) bei Fernabsatzverträgen, deren Gegenstand Dienstleistungen im Bereich Freizeitgestaltung sind und bei denen sich der Unternehmer bei Vertragsabschluss zur Erbringung der Dienstleistungen "zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums" verpflichtet. Die Ausnahmevoraussetzungen seien bei ihm erfüllt. Zum einen gehöre das Führen von Sportbooten zur Freizeitgestaltung, so dass auch der Vorbereitungskurs auf die Führerscheinprüfung diesem Bereich zuzurechnen sei. Zum anderen sei der Beklagte zur Erbringung seiner Leistungen binnen eines genau festgelegten Zeitrahmens verpflichtet, nämlich der vom Kunden bei der Bestellung ausgewählten Nutzungsdauer. Für den Ausnahmetatbestand sei es unerheblich, ob eine den gesamten Zeitraum ausfüllende Dauerleistung oder punktuelle Leistungen bei Abruf durch den Nutzer innerhalb des vereinbarten Zeitraums geschuldet seien. Außerdem drohten ihm unverhältnismäßige Nachteile, wenn seine Kunden ein Widerrufsrecht hätten und davon erst nach teilweiser Nutzung des Kurses Gebrauch machen würden. Auch im Hinblick auf bereitzustellende Netzwerk- und Serverkapazitäten müsse er Planungssicherheit haben, die bei einem Widerrufsrecht nicht gegeben wäre. Der Kläger dagegen hielt die Ausnahmeregelung des § 312b BGB nicht für einschlägig. Weder gehe es bei dem Kurs um eine Tätigkeit der Freizeitgestaltung, noch bestehe bei einem Online-Kurs das Problem, dass die zu vergebenen Plätze von vornherein auf eine bestimmte Kursteilnehmerzahl, die der Veranstalter nur gleichzeitig bedienen könne, limitiert seien. Mit der Ausnahme in § 312b BGB solle den Besonderheiten klassischer Präsenzkurse Rechnung getragen werden, die beim Beklagten nicht vorlägen. Etwaige Planungsunsicherheiten gehörten im Übrigen zu seinem unternehmerischen Risiko. Dieser Sicht hat sich das LG Bielefeld angeschlossen und dem Beklagten eine Befreiung von der Belehrungspflicht versagt. Die Frage, ob der Kurs zum Bereich Freizeitgestaltung gehört, ist dabei offen geblieben. Das Gericht hat bei der Entscheidung allein auf die gesetzliche Voraussetzung abgestellt, dass der Unternehmer, der die Ausnahme für sich beanspruchen will, zur Erbringung seiner Leistungen "zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums" verpflichtet sein muss. Dies hat das Gericht beim Beklagten verneint. Dabei hat es nicht verkannt, dass der Beklagte in seinem Angebot den Kunden verschiedene Nutzungszeiträume zur Auswahl gestellt hat. Das Gericht hat darin aber bloße Regelungen zur Vertragslaufzeit gesehen, die man mit einer Pflicht, seine Leistung zum Zeitpunkt oder im Zeitraum x zu erbringen, nicht gleichsetzen könne. Der Beklagte sei nicht darauf angewiesen, die Zeit seiner Leistungserbringung im Voraus exakt festzulegen, um den Vertrag überhaupt sicher erfüllen zu können. Er habe auch nicht das Risiko herkömmlicher Kursveranstalter, im Falle kurzfristiger Stornierungen frei werdende Kursplätze eventuell nicht mehr neu besetzen zu können und dadurch Nachteile zu erleiden. Auch das LG Bielefeld hat die Notwendigkeit zur Vorhaltung von Kapazitäten dem allgemeinen Unternehmerrisiko zugerechnet und keinen direkten Zusammenhang mit einem Widerrufsrecht gesehen. Es hat im Ergebnis einen Verstoß des Beklagten gegen die gesetzlichen Regelungen zum Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften und damit einen Wettbewerbsverstoß bejaht und ihn zur Unterlassung und zur Zahlung der Abmahnkosten des Klägers verurteilt.

LG Bielefeld, Urteil vom 05.06.2012, Az. 15 O 49/12

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