Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern für Hyaluron wettbewerbswidrig

Instagram ist der moderne Laufsteg für Beauty-Trends. Immer häufiger nutzen Schönheitszentren die Plattform, um spektakuläre Vorher-Nachher-Bilder von Lippenunterspritzungen mit Hyaluronsäure zu zeigen. Die Botschaft: ein kurzer Eingriff, ein beeindruckender Effekt – alles scheinbar harmlos. Doch rechtlich sieht die Sache ganz anders aus. Das Landgericht Hamburg hat in einem aktuellen Urteil (Urt. v. 05.12.2024 – Az.: 312 O 209/23) klargestellt: Solche Werbung ist wettbewerbswidrig – und zwar aus gutem Grund.
Der Fall vor dem LG Hamburg: Beauty-Post mit juristischem Nachspiel
Ein Schönheitszentrum bewarb auf Instagram und seiner Website Lippenunterspritzungen mit Vorher-Nachher-Bildern. Die Behandlungsform: Unterspritzen mit Hyaluronsäure – ein beliebter Eingriff zur Lippenmodellierung, ohne chirurgisches Skalpell, dafür aber mit Nadel. Die Klägerin sah in dieser Werbung einen klaren Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG), genauer gesagt gegen § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 HWG. Die Beklagte widersprach: Da es sich nicht um eine Operation handle, finde das HWG keine Anwendung.
Das LG Hamburg folgte dieser Argumentation nicht – und das mit bemerkenswerter Begründung.
Was sagt das Heilmittelwerbegesetz (HWG)?
§ 11 HWG verbietet:
Die Werbung mit Vorher-Nachher-Darstellungen bei plastisch-chirurgischen Eingriffen ohne medizinische Notwendigkeit.
Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass Menschen durch verharmlosende Bildvergleiche zu Eingriffen verleitet werden, die Risiken bergen und nicht medizinisch erforderlich sind – also rein kosmetischer Natur.
Wann ist ein Eingriff "plastisch-chirurgisch"?
Entscheidend ist nicht, ob operiert wird, sondern ob ein instrumenteller Eingriff mit Risiken vorliegt. Genau hier liegt der Kern des Urteils.
Das LG Hamburg betont:
Auch wenn kein Skalpell verwendet wird, handelt es sich bei einer Lippenunterspritzung mit Hyaluronsäure um einen plastisch-chirurgischen Eingriff, denn:
- Die Haut wird mit einer Nadel durchdrungen (also "invasiv"),
- Es bestehen gesundheitliche Risiken: Schwellungen, Entzündungen, Sehstörungen,
- Der Eingriff dient ästhetischen, nicht medizinischen Zwecken.
Das Gericht schließt sich ausdrücklich der Auffassung des OLG Düsseldorf (Brazilian Butt Lift, GRUR 2022, 1768 Rn. 36) an. Die Kammer stellte klar:
Der Begriff des operativen Eingriffs ist nicht auf chirurgische Schnitte begrenzt – auch instrumentelle, nicht-chirurgische Maßnahmen können darunter fallen.
Warum Vorher-Nachher-Bilder besonders problematisch sind
Vorher-Nachher-Darstellungen wirken auf potenzielle Kunden emotional und suggestiv: Sie zeigen ein "Problem" und direkt daneben die vermeintlich perfekte Lösung. Genau das will der Gesetzgeber verhindern – vor allem bei Eingriffen mit Risiken.
Das LG Hamburg betont daher:
Die Bildpaare verleiten zur Nachahmung und verharmlosen den Eingriff, was dem Schutzzweck des HWG zuwiderläuft.
Der wettbewerbsrechtliche Verstoß: Was bedeutet das?
Wer gegen das HWG verstößt, handelt gleichzeitig wettbewerbswidrig (§ 3a UWG i.V.m. § 11 HWG). Das heißt konkret:
- Konkurrenten, Verbraucherschützer oder Verbände können Abmahnungen aussprechen,
- Es drohen gerichtliche Unterlassungsverfügungen,
- Im Wiederholungsfall auch Kosten und Ordnungsgelder.
Für Anbieter von ästhetischen Behandlungen wird damit klar: Werbung muss sich nicht nur an kosmetischen, sondern auch an rechtlichen Schönheitsidealen messen lassen.
Auswirkungen auf die Praxis
Das Urteil des LG Hamburg hat Signalwirkung – gerade für die Beauty-Branche auf Social Media:
- Instagram-Posts mit Vorher-Nachher-Bildern zu Hyaluron-Unterspritzungen sind rechtlich nicht zulässig.
- Auch andere Plattformen (TikTok, Facebook, Webseiten) sind betroffen.
- Gleiches gilt für ähnliche Behandlungen wie Botox, Filler, PRP-Therapien.
Werbung für ästhetische Eingriffe muss daher besonders sorgfältig gestaltet werden – nicht nur mit Blick auf die Bildsprache, sondern auch auf die zugrunde liegende rechtliche Zulässigkeit.
Ausnahme? Medizinische Notwendigkeit – aber wann liegt die vor?
Nur bei einer echten medizinischen Indikation – z. B. nach einem Unfall, einer Lippenfehlbildung oder schweren psychischen Leiden – wäre die Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern zulässig. Doch das ist bei reinen Beauty-Behandlungen wie Lippenunterspritzungen fast nie der Fall.
Fazit: Schönheit darf nicht täuschen – Recht geht vor Reichweite
Das Urteil des LG Hamburg (Az.: 312 O 209/23) bringt Klarheit: Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern für kosmetische Behandlungen wie Hyaluronsäure-Injektionen ist unzulässig. Auch ohne Skalpell kann ein Eingriff medizinisch riskant – und damit rechtlich streng reguliert – sein.
Für Kosmetikstudios und Schönheitszentren heißt das:
- Rechtliche Beratung vor der Werbemaßnahme einholen,
- Blickfang-Werbung mit Vorher-Nachher-Effekt vermeiden,
- Transparente, sachliche Information bevorzugen.
Ansprechpartner
Frank Weiß
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