Werbung mit „unabhängiger Beratung“ unzulässig

Die Bezeichnung „unabhängige Beratung“ vermittelt Verbrauchern das Bild einer objektiven, allein an ihren Interessen orientierten Dienstleistung. Im Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbereich ist diese Formulierung jedoch rechtlich problematisch. Das Landgericht Bremen hat in seinem Urteil vom 11. Juli 2023 (Az. 9 O 1081/22) entschieden, dass Versicherungsmakler nicht mit „unabhängiger Beratung“ werben dürfen, da dies eine irreführende geschäftliche Handlung darstellt.
Sachverhalt
Die Beklagte, eine Versicherungsmakler-GmbH, warb auf ihrer Website mit den Aussagen:
- „Wir bieten bundesweit produktunabhängige Beratung an“
- „Wir bieten bundesweit eine unabhängige Beratung zu folgenden Themen“
Unter dem Menüpunkt „Anlageberatung“ erläuterte die Beklagte ihre Vergütungsmodelle:
„Wir bieten Ihnen verschiedene Vergütungsmodelle an. Sie haben die Wahl zwischen traditionellen Provisionsmodellen bis hin zu Honorar-Modellen, in denen wir keine Provisionen erhalten.“
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) mahnte die Beklagte ab, da die Werbung mit „unabhängiger Beratung“ irreführend sei. Da die Beklagte keine Unterlassungserklärung abgab, erhob der vzbv Klage vor dem LG Bremen.
Entscheidungsgründe des LG Bremen
Das LG Bremen gab der Klage des vzbv statt und untersagte der Beklagten die Werbung mit „unabhängiger Beratung“. Die wesentlichen Entscheidungsgründe lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Unwahre Angaben gemäß § 5 Abs. 1 UWG
Das Gericht stellte fest, dass die Aussagen der Beklagten unwahre Angaben im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG darstellen. Nach den Regelungen in § 34f Abs. 1 GewO und § 34h GewO könne nur ein Honorar-Anlagenberater im Sinne von § 34h GewO als unabhängig gelten. Ein Finanzanlagenberater, der Provisionen erhält, könne sich nicht als unabhängig bezeichnen, selbst wenn er in Einzelfällen ein Honorar vom Anleger erhält.
2. Verbrauchererwartung an Unabhängigkeit
Das Gericht betonte, dass Verbraucher unter „unabhängiger Beratung“ verstehen, dass der Berater nicht in einem Provisionsinteresse tätig wird, sondern vollständig unabhängig von etwaigen Provisionen oder anderen Zuwendungen agiert. Eine irgendwie geartete Abhängigkeit von einem Produktgeber, sei es auch nur über eine Provision, stehe aus Sicht des angesprochenen Verkehrs einer „Unabhängigkeit“ entgegen.
3. Irreführung durch Werbung
Die Werbung mit „unabhängiger Beratung“ sei geeignet, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Verbraucher, denen es gerade auf eine vollends unabhängige Beratung ankomme, würden ohne die täuschungsbedingten Angaben der Beklagten ihre Entscheidung sicherlich anders treffen.
Rechtliche Bewertung
Die Entscheidung des LG Bremen basiert auf der Annahme, dass der Begriff „unabhängig“ im Kontext der Finanz- und Versicherungsberatung eine rechtlich geschützte Bedeutung hat. Nur Berater, die ausschließlich vom Kunden honoriert werden und keine Provisionen von Produktanbietern erhalten, dürfen sich als unabhängig bezeichnen. Diese Sichtweise wird durch § 94 Abs. 1 WpHG gestützt, der eine Verwendung der Bezeichnung „Unabhängigkeit“ nur zulässt, wenn der Werbende im Register unabhängiger Anlageberater eingetragen ist.
Das Urteil des LG Bremen ist jedoch nicht rechtskräftig. Es wurde Berufung zum OLG Bremen eingelegt (Az. 2 U 102/23). Kritiker des Urteils argumentieren, dass Versicherungsmakler gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 VVG als treuhänderische Sachwalter des Kunden agieren und daher eine gewisse Unabhängigkeit besitzen. Der Gesetzgeber verlangt vom Makler eine objektive und ausgewogene Beratung des Versicherungsnehmers, was eine gewisse Unabhängigkeit impliziert.
Praktische Konsequenzen für Versicherungsmakler
Bis zur rechtskräftigen Klärung der Rechtslage sollten Versicherungsmakler vorsichtig mit der Verwendung des Begriffs „unabhängig“ in ihrer Werbung sein. Empfehlenswert sind alternative Formulierungen wie:
- „Wir beraten anbieterübergreifend.“
- „Wir vergleichen Produkte zahlreicher Versicherer.“
- „Wir vermitteln Versicherungen auf Grundlage Ihrer individuellen Bedürfnisse.“
Zudem sollten Makler ihre Vergütungsmodelle transparent darstellen und klar zwischen Honorar- und Provisionsmodellen unterscheiden. Eine rechtliche Überprüfung der Werbeaussagen durch einen Fachanwalt für Wettbewerbsrecht ist ratsam, um Abmahnungen und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Fazit
Das Urteil des LG Bremen verdeutlicht die rechtlichen Grenzen der Werbung mit „unabhängiger Beratung“ im Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbereich. Makler, die Provisionen von Produktanbietern erhalten, dürfen sich nicht als unabhängig bezeichnen, da dies eine Irreführung der Verbraucher darstellt. Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung sollten Makler ihre Werbeaussagen entsprechend anpassen und auf transparente Kommunikation setzen
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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