Werbung mit Schmerzfreiheit durch Heilpraktiker – Wann ist sie ausnahmsweise zulässig?

Die Werbung mit Heilversprechen ist im deutschen Recht traditionell streng reglementiert – insbesondere auch bei Heilpraktikern. Grund dafür ist der besondere Schutz der Patienten vor Irreführung und überhöhten Erwartungen. Umso bemerkenswerter ist ein neues Urteil des OLG Düsseldorf (Urt. v. 20.02.2025 – Az. I-20 U 53/24), das in einem konkreten Fall ausnahmsweise die Werbung eines Heilpraktikers mit der Schmerzfreiheit eines Patienten für zulässig erklärt.
1. Rechtlicher Hintergrund: Werbung im Heilmittelwerberecht
1.1. Heilmittelwerbegesetz (HWG) und das Verbot von Heilversprechen
Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verbietet in § 3 HWG das Werben mit "Heilversprechen", sofern damit suggeriert wird, dass eine bestimmte Behandlung regelmäßig zum Erfolg führt. Auch irreführende Angaben nach § 3 HWG i.V.m. § 5 UWG sind verboten. Besonders Heilpraktiker unterliegen in ihrer Außendarstellung strengen Anforderungen, da ihre Methoden wissenschaftlich meist nicht hinreichend belegt sind.
Zentrale Maßgabe:
Werbung darf keine Erwartung eines garantierten Erfolgs hervorrufen.
1.2. Bisherige Rechtsprechung
Die Gerichte entschieden in der Vergangenheit regelmäßig gegen Heilpraktiker, wenn diese mit Aussagen wie "100 % wirksam" oder "schmerzfrei in wenigen Sitzungen" warben. Auch subjektive Patientenberichte wurden oft als mittelbare Heilversprechen gewertet, wenn nicht deutlich gemacht wurde, dass es sich um einen Einzelfall handelt.
2. Der Fall vor dem OLG Düsseldorf – Sachverhalt
Ein Heilpraktiker warb in einer Zeitungsanzeige mit den Worten eines Patienten:
„Meine Schmerzen sind einfach weg,“ freut sich (...), dass er wieder schmerzfrei laufen kann.
Die Anzeige ließ erkennen, dass die schmerzfreie Situation durch eine Behandlung bei dem Heilpraktiker erreicht wurde. Die Klägerin – ein Wettbewerbsverband – sah darin ein unzulässiges Heilversprechen und klagte auf Unterlassung.
3. Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urt. v. 20.02.2025 – Az. I-20 U 53/24)
Das OLG Düsseldorf wies die Klage ab und entschied, dass in diesem Einzelfall keine unzulässige Werbung vorlag. Dabei stellte das Gericht mehrere wichtige Voraussetzungen für eine zulässige Ausnahme heraus:
3.1. Individuelle Erfolgsgeschichte steht im Vordergrund
Die Anzeige bezog sich ausschließlich auf die persönliche Erfahrung eines einzelnen Patienten. Es wurde nicht verallgemeinert, dass diese Behandlung grundsätzlich oder bei jedem Patienten wirksam sei.
„Der Artikel stellt kein unzulässiges Versprechen eines Heilungserfolges dar.“
3.2. Deutlicher Hinweis: Kein Heilversprechen
Der Patient erklärte explizit:
„Die Beklagte hat mir kein Heilversprechen gegeben.“
Dieser Satz wurde in der Anzeige hervorgehoben, was den Eindruck eines allgemeinen Erfolgs entscheidend abschwächte.
3.3. Individualität der Therapie
Die Anzeige erwähnte, dass die Therapie nach individueller Diagnose und mit Hilfe von medizinischen Unterlagen zusammengestellt wurde. Damit wurde erneut der Bezug zu einem konkret angepassten Behandlungsverlauf hergestellt.
3.4. Kein allgemeines Erfolgsversprechen
„Es wird nicht der Eindruck erweckt, dass im Regelfall die dargestellte Behandlung einen Erfolg verspricht.“
Das Gericht betonte, dass durch die Kombination aus individueller Darstellung und ausdrücklicher Verneinung eines Heilversprechens keine Irreführung beim Verbraucher entstehe.
4. Bedeutung des Urteils
4.1. Kein Freifahrtschein für Heilpraktiker
Das Urteil bedeutet keineswegs, dass Heilpraktiker nun allgemein mit Schmerzfreiheit oder Heilerfolgen werben dürfen. Vielmehr stellt das OLG Düsseldorf strenge Anforderungen auf, unter denen eine solche Werbung ausnahmsweise zulässig ist.
4.2. Kriterien für zulässige Patientenaussagen in der Werbung
Wer Heilpraktiker oder im Gesundheitsbereich tätig ist, muss folgende Checkliste beachten:
Kriterium |
Bedeutung |
Individueller Bericht |
Die Werbung muss einen klar abgegrenzten Einzelfall schildern. |
Keine Verallgemeinerung |
Keine Aussagen wie „viele Patienten berichten...“ oder „regelmäßig erfolgreich“. |
Klarstellung |
Es muss explizit betont werden, dass kein Heilversprechen gegeben wurde. |
Individuelle Therapie |
Die Behandlung muss maßgeschneidert gewesen sein – idealerweise mit medizinischer Grundlage. |
Keine Garantien |
Vermeidung jeglicher Garantiewirkung durch Wortwahl. |
5. Einschätzung: Ein kleiner Richtungswechsel?
Das Urteil könnte als vorsichtige Öffnung der Rechtsprechung interpretiert werden – hin zu mehr Differenzierung bei der Bewertung von Patientenerfahrungen in der Werbung. Während früher schon die bloße Darstellung eines Heilerfolgs als unzulässig galt, differenziert das OLG Düsseldorf nun zwischen allgemeiner Werbeaussage und individuell gefärbtem Erfahrungsbericht.
Dies entspricht auch dem heutigen Verbraucherverständnis, das in Werbung zwischen individueller Meinung und objektivem Werbeversprechen differenzieren kann – insbesondere bei Kenntnis der Debatte um Heilpraktikerleistungen.
6. Fazit: Ausnahme mit klaren Grenzen
Das OLG Düsseldorf hat mit seiner Entscheidung vom 20. Februar 2025 (Az. I-20 U 53/24) klargestellt, dass Werbung mit Schmerzfreiheit nicht per se unzulässig ist. Entscheidend ist jedoch, wie die Aussage eingebettet und kontextualisiert wird. Wer im Gesundheitsbereich tätig ist, sollte sich nicht auf das Urteil als Freibrief verlassen, sondern Werbung mit Patientenberichten weiterhin äußerst sorgfältig formulieren.
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