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Bierwerbung mit "klimaneutral" und "CO2 positiv" wettbewerbswidrig

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Kaum ein Produkt kommt heute ohne Umweltversprechen aus. Besonders in der Lebensmittelbranche setzen Unternehmen verstärkt auf sogenannte "Green Claims", um ein umweltbewusstes Image zu erzeugen. Doch nicht alle Aussagen halten einer rechtlichen Prüfung stand. Das zeigt eindrucksvoll das Urteil des Landgerichts München I vom 30. Januar 2024 (Az. 37 O 2041/23), das sich mit der Bewerbung eines Bieres der Marke "WUNDERBRAEU" befasst. Im Zentrum: die Aussagen "klimaneutrale Herstellung" und "CO2 positiv" sowie eine Adresse in München, die fälschlich den Eindruck erweckt, das Bier werde dort gebraut.

Der zugrunde liegende Sachverhalt – Eine detaillierte Aufarbeitung

Im Kern des Falls steht die Bewerbung eines Bieres unter der Bezeichnung „WUNDERBRAEU“. Das Produkt wird von einem Handelsunternehmen in Deutschland vertrieben. Dieses Unternehmen ist in München ansässig – allerdings nur mit seinem Verwaltungssitz. Das eigentliche Bier wird in einer fremden Braustätte außerhalb Münchens hergestellt.

Auf den Flaschenetiketten des Bieres fanden sich unter anderem folgende Merkmale:

  1. Der Markenname „WUNDERBRAEU“ – ein Kunstwort, das den Eindruck einer traditionsreichen oder handwerklich geprägten Münchner Brauerei erweckt.
  2. Eine konkrete Adresse in München – gelegen in einer Straße, die gemeinhin mit bekannten Brauereien assoziiert wird.
  3. Umweltbezogene Werbeaussagen: „klimaneutrale Herstellung“ und „CO2 positiv“.
  4. Ein QR-Code, der auf die Unternehmenswebseite führte.

Der Kläger – ein Wettbewerbsverband – rügte diese Aufmachung in mehrfacher Hinsicht. Die zentralen Vorwürfe lauteten:

  • Täuschung über die geografische Herkunft des Produktes,
  • Irreführung durch unklare und nicht belegte umweltbezogene Werbeaussagen (Greenwashing),
  • Fehlende Transparenz bei der Erläuterung der Nachhaltigkeitsversprechen.

Die Beklagte verteidigte sich unter anderem mit dem Argument, dass die Adresse in München ihrem Verwaltungssitz entspreche und nach den lebensmittelrechtlichen Vorschriften auf dem Etikett anzugeben sei. Zudem könne man durch Scannen des QR-Codes nähere Informationen über die Klimabilanz erhalten.

Das Landgericht München I prüfte alle Argumente sehr genau und kam zu einer klaren Entscheidung.

Die Entscheidungsgründe des LG München I

a) Herkunftstäuschung: Die Münchner Adresse auf dem Etikett

Die Kammer stellte fest, dass die Angabe einer Adresse auf einem Lebensmitteletikett grundsätzlich zulässig sei – wenn es sich um den Sitz des Herstellers oder des verantwortlichen Unternehmers handelt. In diesem Fall wurde jedoch die Kombination aus Markenname und Ortsangabe beanstandet.

Das Gericht begründete die Herkunftstäuschung wie folgt:

  • Die Wortmarke „WUNDERBRAEU“ sei zwar als Kunstname zulässig, aber sie wecke Assoziationen zu einer Brauerei. In Verbindung mit der Münchner Adresse entstehe beim Durchschnittsverbraucher der Eindruck, das Bier werde auch tatsächlich in München gebraut.
  • Die konkrete Adresse befinde sich zudem in einer Straße, die für ihre traditionellen Braustätten bekannt sei – dies verstärke die Irreführungsgefahr erheblich.
  • Die tatsächliche Braustätte befinde sich nach unstreitigem Sachverhalt nicht in München. Es handle sich lediglich um den Verwaltungssitz.

„Zwar möge die Angabe für sich genommen zulässig sein, in der konkreten Gestaltung des Etiketts werde jedoch ein falscher Herkunftseindruck erzeugt, der wettbewerbsrechtlich unzulässig ist.“

Rechtliche Grundlage: Diese Form der Täuschung wurde als Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG gewertet – also eine irreführende geschäftliche Handlung bezüglich der geografischen Herkunft.

b) Werbung mit „klimaneutraler Herstellung“ und „CO2 positiv“

Noch weitreichender waren die Ausführungen des Gerichts zur Umweltwerbung. Das Unternehmen hatte sein Bier mit den Aussagen „klimaneutrale Herstellung“ und „CO2 positiv“ beworben. Auf der Flasche selbst gab es keine erläuternden Informationen dazu.

Die Kernaussagen des Gerichts dazu:

  • Umweltbezogene Werbung genießt ein hohes Maß an Vertrauen durch die Verbraucher. Sie sei besonders sensibel, da sie sich direkt auf ethische und gesellschaftlich bedeutsame Themen beziehe.
  • Die Begriffe „klimaneutral“ und „CO2 positiv“ sind wissenschaftlich nicht eindeutig definiert und daher interpretationsbedürftig.
  • Es müsse klar erkennbar sein, ob die Klimaneutralität durch Einsparung von Emissionen oder durch Kompensation (z. B. durch CO2-Zertifikate) erreicht werde.

„Verbraucher haben ein legitimes Interesse daran, ob und inwieweit behauptete Klimaneutralität durch tatsächliche Einsparmaßnahmen oder durch den Ankauf von Zertifikaten erreicht wurde.“

Zur konkreten Aufmachung auf der Flasche:

  • Es gab keinen erklärenden Text zu den Begriffen.
  • Der vorhandene QR-Code wurde nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Aussagen platziert.
  • Der QR-Code verwies nicht direkt auf eine Seite mit Informationen zur Klimabilanz, sondern auf die allgemeine Startseite der Unternehmenshomepage.
  • Verbraucher mussten sich die Informationen erst mühsam zusammensuchen.

„Für einen zulässigen Medienbruch wäre zumindest ein klarer Hinweis auf den QR-Code erforderlich gewesen. Dieser Hinweis fehlt vollständig.“

Zusätzlich kritisierte das Gericht:

  • Die auf der Homepage aufgeführten Informationen seien nicht ausreichend.
  • Es fehlten konkrete Angaben über den Umfang der Emissionen, die Höhe der Kompensation und die eingesetzten Projekte.

Das Gericht kam daher zu dem Ergebnis, dass die Aussagen nicht nur unvollständig, sondern irreführend seien – insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden öffentlichen Diskussion über Greenwashing.

Greenwashing im Fokus der Rechtsprechung

Die Entscheidung des LG München I steht in einer Reihe zunehmender Urteile, die sogenannte Green Claims besonders kritisch hinterfragen. Unternehmen dürfen sich kein nachhaltiges Image durch unklare oder gar falsche Aussagen erkaufen.

Typische Verstöße sind:

  • Vage Begriffe ohne Erläuterung („klimaneutral“, „CO2 kompensiert“)
  • Fehlende Belege für Aussagen zur Umweltverträglichkeit
  • Irreführende Labels oder Siegel ohne Zertifizierung
  • Keine Angaben zum Maßstab oder zur Berechnung der Umweltwirkung

Das Urteil zeigt deutlich: Die Beweislast liegt beim Unternehmen. Wer Umweltaussagen trifft, muss konkrete und nachprüfbare Fakten liefern – und diese dem Verbraucher auf einfache Weise zugänglich machen.

Rechtsfolgen und praktische Auswirkungen

a) Unterlassungsanspruch

Das LG München I verurteilte die Beklagte dazu, es künftig zu unterlassen:

  • das Bier unter dem Namen „WUNDERBRAEU“ mit der genannten Münchner Adresse zu bewerben,
  • das Bier mit den Aussagen „CO2 positiv“ oder „klimaneutrale Herstellung“ zu bewerben, sofern die Bewertungsmaßstäbe nicht transparent offengelegt werden.

b) Bedeutung für die Praxis

Das Urteil mahnt zu besonderer Sorgfalt bei der Verwendung ökologischer Begriffe. Unternehmen sollten:

  • Aussagen zur Klimabilanz stets mit klaren Fakten belegen,
  • Umweltwerbung auf der Verpackung vollständig oder mit direkter, klar sichtbarer Verlinkung erläutern,
  • Herkunftsangaben nicht in irreführender Weise mit regionalen Bezügen kombinieren.

Fazit: Transparenz ist Pflicht, nicht Kür

Das Urteil des LG München I verdeutlicht eindrucksvoll: Verbraucherwerbung mit Umweltbezug steht unter besonderer Beobachtung. Aussagen wie „klimaneutral“ oder „CO2 positiv“ mögen gut gemeint sein – doch sie müssen auch transparent, überprüfbar und verständlich sein.

Insbesondere der Vorwurf des Greenwashing wiegt schwer. Er kann nicht nur rechtliche, sondern auch reputative Schäden nach sich ziehen. Die Werbung mit Nachhaltigkeit muss deshalb ehrlich, nachvollziehbar und konkret sein.

Unsere Empfehlung: Lassen Sie sämtliche Marketingaussagen mit Umweltbezug rechtlich prüfen, bevor Sie diese auf Verpackungen, Webseiten oder Werbemitteln verwenden. Unsere Kanzlei steht Ihnen als erfahrene Ansprechpartnerin zur Seite – kompetent, präventiv und zielorientiert.

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