Werbung mit „Innovation“: Wann sie irreführend ist

„Innovation“ – ein Begriff, der nach Fortschritt, Exklusivität und Wettbewerbsvorsprung klingt. Unternehmen nutzen ihn gern, um ihre Produkte besonders attraktiv erscheinen zu lassen. Doch wo „Innovation“ draufsteht, ist nicht immer echte Neuerung drin. Das hat das Oberlandesgericht Hamburg in einem Urteil klargestellt: Werbung mit dem Begriff „Innovation“ kann irreführend sein – und damit wettbewerbswidrig nach § 5 UWG.
Im Zentrum der Entscheidung: Eine Sonnencreme, deren Verpackung suggerierte, dass sie bahnbrechend neuen Schutz gegen sogenanntes HEV Blue Light bietet. Doch das Gericht urteilte: Der Eindruck, den die Werbung beim Verbraucher hinterließ, war unzutreffend – und damit unzulässig.
Die rechtliche Grundlage: § 5 UWG – Irreführung durch Werbung
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, durch die Verbraucher zu einer Entscheidung veranlasst werden können, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Besonders relevant ist § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 UWG, wonach irreführende Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung oder über besondere Vorteile eines Angebots unzulässig sind.
Wer also mit einem Begriff wie „Innovation“ wirbt, muss sicherstellen, dass damit keine unzutreffenden Vorstellungen beim Durchschnittsverbraucher geweckt werden – weder über die tatsächliche Produktbeschaffenheit noch über die Marktstellung.
Der Fall: Werbung für Sonnencreme mit „Innovation“ und „HEV Blue Light Filter“
Die Beklagte warb für ihre Sonnencreme mit dem Hinweis:
„Innovation – UVB UVA HEV Blue Light“
Diese Formulierung suggeriert dem Verbraucher eine besondere, neuartige Wirkung – nämlich, dass der Sonnenschutz nicht nur gegen UVB- und UVA-Strahlen wirkt, sondern auch gegen sogenanntes „HEV Blue Light“ (High Energy Visible Light), das unter anderem über Bildschirme und Tageslicht auf die Haut einwirken kann.
Das Problem: Innovation wird behauptet, aber nicht erklärt
Der Begriff „Innovation“ stand dabei plakativ auf dem Produkt. Nur im Kleingedruckten fand sich die Aussage:
„SONNENSCHUTZ aus der P.F. Forschung mit HEV BLUE LIGHT FILTER“
Das OLG Hamburg stellte klar: Diese Form der Darstellung ist geeignet, Verbraucher zu täuschen – selbst wenn das Produkt möglicherweise tatsächlich neue Filtertechnologie enthält.
Die Entscheidung des OLG Hamburg (Urteil vom 07.09.2023 – Az.: 15 U 113/22)
a) Innovation bedeutet Fortschritt – aber welchen?
Das Gericht argumentierte:
„Beim Begriff „Innovation“ in der Werbung für ein Sonnenschutzmittel denkt der Verbraucher an eine positive, also produktverbessernde Neuerung oder Erfindung, die einen Fortschritt im Bereich Sonnenschutz mit sich bringt.“
Das Problem: Der Verbraucher kann nicht erkennen, worin genau diese angebliche Innovation liegt. Es wird weder erläutert, was genau neu ist, noch wie sich das Produkt von bestehenden unterscheidet.
Die pauschale Behauptung einer „Innovation“ reicht nicht aus, um eine informierte Kaufentscheidung zu ermöglichen. Vielmehr entsteht der Eindruck, das Produkt sei der erste und einzige wirksame Schutz gegen HEV Blue Light – was nachweislich nicht stimmt.
b) Täuschung durch Auslassung
Das Gericht führt aus:
„Indessen wird genau diese Tatsache dem Verbraucher in der streitgegenständlichen Werbung vorenthalten.“
Obwohl es sich tatsächlich um einen neuartigen, organischen Filter handeln könnte, wird dem Verbraucher nicht mitgeteilt, worin der innovative Charakter liegt. Dadurch entsteht ein falscher Eindruck über Alleinstellungsmerkmale.
c) Wettbewerbswidrigkeit bejaht – wegen Irreführung
Die Werbung ist laut OLG Hamburg nicht nur undeutlich, sondern auch aktiv irreführend:
„Der Verbraucher nimmt angesichts dieser Formulierung an, es handele sich um den ersten Sonnenschutz überhaupt mit HEV Blue Light Filter.“
Dieser Eindruck ist objektiv falsch, weil das Produkt nicht das erste seiner Art ist und andere vergleichbare Sonnenschutzmittel bereits existieren.
Was bedeutet das für die Werbepraxis?
a) „Innovation“ ist kein Freifahrtschein
Das Urteil stellt klar: Werbung mit dem Begriff „Innovation“ ist riskant, wenn sie nicht transparent macht, was genau die Neuheit ist. Bloß weil etwas „neu entwickelt“ wurde, heißt das nicht, dass man es auch als „Innovation“ vermarkten darf – jedenfalls nicht, ohne konkrete Erläuterung.
b) Kontext ist entscheidend
Der Begriff „Innovation“ mag für sich genommen neutral oder sogar sachlich korrekt sein. Entscheidend ist jedoch der Gesamtkontext der Werbung, wie bereits der BGH betont hat:
„Einzelne Äußerungen [...] dürfen nicht aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet werden.“
(BGH, Urt. v. 18.12.2014 – I ZR 129/13 – „Schlafzimmer komplett“)
Daher reicht es nicht, wenn Unternehmen im Kleingedruckten korrekt informieren – der Gesamteindruck der Werbung muss objektiv richtig und nicht irreführend sein.
Praxistipps für Unternehmen und Werbetreibende
✅ Transparenz herstellen:
Wenn Sie mit einer „Innovation“ werben, erklären Sie genau, was neu ist – am besten im direkten Zusammenhang mit der Werbeaussage.
✅ Kontext prüfen:
Bewerten Sie Ihre Werbung immer aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers – was versteht er unter dem Begriff? Welche Schlussfolgerungen zieht er?
✅ Risiken vermeiden:
Verzichten Sie auf Superlative („einzigartig“, „revolutionär“, „weltweit erste“) ohne Beleg. Auch wenn solche Aussagen rechtlich erlaubt sein können, bergen sie ein hohes Abmahnrisiko.
✅ Kleingedrucktes reicht nicht aus:
Wichtige Informationen dürfen nicht nur versteckt im Fließtext oder in Fußnoten stehen – sie müssen unmittelbar mit der Werbeaussage verknüpft sein.
✅ Beratung einholen:
Gerade im sensiblen Bereich des Wettbewerbsrechts empfiehlt es sich, juristische Expertise hinzuzuziehen, bevor Marketingmaßnahmen gestartet werden.
Fazit: Innovation muss erklärt werden – nicht behauptet
Das Urteil des OLG Hamburg setzt ein deutliches Zeichen gegen Marketingfloskeln ohne Substanz. Wer mit „Innovation“ wirbt, trägt die Verantwortung, die Neuheit klar, verständlich und wahrheitsgemäß zu erklären. Andernfalls drohen Abmahnungen, Unterlassungsverfügungen und Imageschäden.
Das Gericht hat damit nicht nur einen Einzelfall entschieden, sondern einen wichtigen Maßstab für künftige Werbepraktiken gesetzt. Für Unternehmen bedeutet das: Vorsicht bei Werbewörtern mit Signalwirkung – der gute Ruf steht schneller auf dem Spiel, als es scheint.
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