Werbung mit Sternebewertung – Aufschlüsselung nicht erforderlich

Bewertungen im Internet bestimmen heute maßgeblich Kaufentscheidungen. Durchschnittliche Sternebewertungen sind dabei zu einem der wichtigsten Verkaufsargumente geworden.
Doch wie transparent muss Werbung mit solchen Durchschnittsbewertungen tatsächlich sein?
Muss ein Unternehmen offenlegen, wie viele Kunden 5, 4, 3 oder weniger Sterne vergeben haben?
Genau diese Fragen hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 25. Juli 2024 – I ZR 143/23 geklärt.
Die Antwort fiel deutlich aus: Eine Aufschlüsselung nach Sterneklassen ist grundsätzlich nicht erforderlich – aber unter klaren Voraussetzungen.
Der Sachverhalt im Detail
Wer war beteiligt?
- Beklagter: Betreiber eines Online-Shops für Haushaltswaren.
- Kläger: Ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen (Wettbewerbsverband).
Was war geschehen?
Der Online-Händler warb auf seiner Webseite prominent mit der Angabe:
„4,8 von 5 Sternen – basierend auf über 1.500 Kundenbewertungen“
Dabei war aber nicht ersichtlich:
- Wie viele Bewertungen 5, 4, 3 oder weniger Sterne vergaben,
- Auf welche Bewertungsplattform oder welchen Zeitraum sich die Bewertungen genau bezogen.
Der Wettbewerbsverband sah hierin eine irreführende Werbung und verlangte Unterlassung.
Er argumentierte: Ein durchschnittlicher Verbraucher könne die Aussagekraft der Durchschnittsbewertung nicht zutreffend einschätzen, ohne die Verteilung der einzelnen Sternebewertungen zu kennen.
Zentrale Vorwürfe:
- Unvollständige Information über die Bewertungsstruktur
- Gefahr einer übermäßigen Beeinflussung von Verbrauchern
- Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG (irreführende geschäftliche Handlung)
Der Weg durch die Instanzen
Landgericht:
- Urteil: Der Klage wurde stattgegeben.
- Begründung: Durchschnittswerte ohne Aufschlüsselung seien geeignet, Verbraucher zu täuschen.
Berufungsgericht (OLG):
- Urteil: Das Landgericht wurde bestätigt.
- Begründung: Transparenz sei zwingend erforderlich, andernfalls werde die Bewertungsangabe zu stark verkürzt und beeinflusse Verbraucher unangemessen.
Revision beim BGH:
- Der Online-Händler legte Revision ein.
- Der BGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage ab.
Die Entscheidungsgründe des BGH im Einzelnen
1. Kein Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG
Der BGH stellte zunächst klar:
Eine geschäftliche Handlung ist nur dann unlauter, wenn sie
- unwahre oder
- sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält.
Eine Angabe kann auch dann irreführend sein, wenn sie zwar formal richtig, aber unvollständig oder verkürzt ist.
Dies setzt jedoch voraus, dass die Verkürzung geeignet ist, den Verbraucher wesentlich irrezuführen.
2. Maßstab: Der durchschnittliche Verbraucher
Entscheidend ist die Sichtweise eines
- durchschnittlich informierten,
- aufmerksamen und
- verständigen Verbrauchers.
Der BGH betonte:
Verbraucher verstehen heute sehr wohl, was eine Durchschnittsbewertung bedeutet.
Sie erkennen, dass diese ein statistischer Wert ist und dass Einzelbewertungen davon abweichen können.
Es bestehe keine Erwartungshaltung, dass bei der Angabe einer Durchschnittsbewertung automatisch eine vollständige Aufschlüsselung nach Sterneklassen erfolgt.
Zitat aus dem Urteil:
„Der Verbraucher begreift, dass die Durchschnittsangabe eine zusammenfassende Darstellung ist und keine Detailanalyse der Einzelbewertungen ersetzt.“
3. Übliche Praxis und Markterwartung
Die Durchschnittsbewertung ist ein etabliertes Kommunikationsmittel im E-Commerce.
Eine Erwartung an eine darüber hinausgehende Aufgliederung würde der tatsächlichen Praxis im Internet widersprechen.
Der BGH stellte fest:
- Verbraucher sind an solche vereinfachten Bewertungsangaben gewöhnt.
- Sie erwarten keine wissenschaftliche Auswertung der Bewertungsdaten.
Ergebnis:
Die Werbung mit einer bloßen Durchschnittsbewertung ist nicht irreführend.
4. Keine Pflicht zur zusätzlichen Aufklärung
Eine Pflicht zur Aufschlüsselung der Bewertungen nach Sterneklassen würde Unternehmen unzumutbar belasten, ohne dass daraus ein wesentlicher Informationsgewinn für den Verbraucher entstünde.
Der BGH wies auch darauf hin, dass es Unternehmen freistehe, bei Bedarf einen Link auf die vollständigen Bewertungen zu setzen – eine Verpflichtung hierzu bestehe jedoch nicht.
Zusammengefasst: Die wichtigsten Leitsätze der Entscheidung
- Keine Aufschlüsselungspflicht:
Es ist zulässig, mit einer Durchschnittsbewertung zu werben, ohne diese in 5-, 4-, 3-Sternebewertungen aufzudröseln. - Maßgeblich ist die Verbrauchererwartung:
Durchschnittliche Verbraucher verstehen die Natur einer Durchschnittsbewertung und wissen, dass sie eine vereinfachte Darstellung darstellt. - Irreführung nur bei besonderen Umständen:
Eine Irreführung könnte nur dann angenommen werden, wenn die Durchschnittsbewertung - falsch berechnet wurde,
- veraltet ist oder
- gezielt manipulativ dargestellt wird.
- Freiwillige Transparenz bleibt sinnvoll:
Auch wenn keine Pflicht besteht, kann ein Link zur Bewertungsquelle hilfreich sein, um Vertrauensbildung zu unterstützen.
Praxistipps für Unternehmen
- Korrekte Angaben:
Die Durchschnittsbewertung muss nachprüfbar korrekt sein. - Aktualität prüfen:
Werbung sollte regelmäßig überprüft werden, um veraltete Bewertungen zu vermeiden. - Manipulation vermeiden:
Bewertungen dürfen nicht selektiv herausgegriffen oder geschönt dargestellt werden. - Optional: Link auf Bewertungsquelle:
Transparenz schafft Vertrauen, auch wenn sie nicht zwingend vorgeschrieben ist.
Fazit: Mehr Rechtssicherheit für Bewertungswerbung
Das Urteil des BGH vom 25. Juli 2024 (I ZR 143/23) bringt Klarheit für Unternehmen, die mit Bewertungen werben:
Die Angabe eines Durchschnittswerts genügt.
Eine Aufgliederung der Bewertungen nach Sterneklassen ist weder erforderlich noch üblich.
Wer fair, korrekt und aktuell mit Bewertungen umgeht, kann sie effektiv als Werbemittel nutzen – ohne rechtliche Risiken einzugehen.
Gleichzeitig bleibt es dabei:
Irreführende, veraltete oder manipulative Bewertungsangaben bleiben unzulässig und können weiterhin von Wettbewerbsverbänden abgemahnt werden.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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