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Werbung mit dem Prädikat „unabhängig“

Werbung mit dem Prädikat „unabhängig“ bedarf einer tatsächlichen Unabhängigkeit
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Wirbt ein Dienstleitungsunternehmen mit dem Prädikat „unabhängig“, so muss eine tatsächliche Unabhängigkeit von anderen Marktteilnehmern bestehen. Werden hingegen maßgebliche Teile des Unternehmens durch andere Marktteilnehmer gehalten, ohne dass diese erkennbaren Einfluss auf die organisatorische Tätigkeit des scheinbar unabhängigen Unternehmens ausüben, so reicht alleine die Möglichkeit der Einflussnahme aus, um das Prädikat „unabhängig“ nicht mehr nutzten zu dürfen.

Hintergrund war die Klage eines unabhängigen Verlagsvertriebes (Pressewesen) gegen einen Mitbewerber, der damit warb, der „größte unabhängige Nationalvertrieb Deutschlands“ zu sein. Dabei wurde lediglich der Aussageteil „unabhängig“ angegriffen, da Hauptanteilseigner des Unternehmens zu je mehr als 40% zwei Kommanditisten seien, die jeweils einer von zwei großen Verlagsgruppen angehörten. Das angegriffene Unternehmen wies hingegen darauf hin, dass diese Anteilseigner nie Einfluss auf die organisatorische Tätigkeiten des Vertriebes nehmen, ja sich sogar gegenseitig „neutralisierten“, da sie am Markt als Konkurrenten auftreten würden. Schließlich sei das Unternehmen ausdrücklich als unabhängiger Vertriebsdienstleister für Drittverlage gegründet worden.

Maßgeblich sei hier jedoch das Verständnis des Begriffs "unabhängig" für die angesprochenen Kundenkreise, so das Gericht. Wären in diesem Zusammenhang jedoch Verbindungen erkennbar, welche die Unabhängigkeit zumindest für die Kunden des Dienstleisters in Frage stellen könnten, so sei eine Unabhängigkeit eben nicht mehr erkennbar (vgl. BGH, Az. Ib ZR 60/66).

Im vorliegenden Falle sei also von entscheidender Bedeutung, ob die unabhängigen, insbesondere kleineren Verlage in dem Vertriebsunternehmen eine Verquickung mit Konkurrenzunternehmen vermuten könnten. Sei dies der Fall, könne nicht mehr von einer Unabhängigkeit ausgegangen werden.

Das Gericht weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch auf Aussagen des Bundeskartellamts vom 27.01.2010 hin, in dem auf die Konkurrenz zwischen „Gemeinschaftsunternehmen“ und unabhängigen Vertriebsunternehmen hingewiesen wird. Da es also eindeutig tatsächlich unabhängige Unternehmen gebe, könne ein Dienstleister, der in einer klaren Verbindung zu Konkurrenzunternehmen stehe, sich nicht als unabhängig bezeichnen. Selbst eine tatsächliche „organisatorische Selbständigkeit“ könne hierbei keine Unabhängigkeit im Sinne des Verständnisses der angesprochenen Kundenkreise bedeuten.

Weiterhin verwirft das Gericht den Gedanken, dass hier keine Abhängigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG) greifen würde, da im vorliegenden Fall nicht ein beherrschendes Unternehmen zu erkennen sei, denn auch bei einer gleich hohen Beteiligung mehrerer Unternehmen am Gemeinschaftsunternehmen sei eine Abhängigkeit durchaus denkbar (vgl. BGH, Az. II ZR 89/72). Vielmehr würden die Überlegungen des § 37 Abs. 1 Nr. 3b GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) greifen, die bereits bei einer Beteiligung von 25% eine kartellrechtliche Relevanz erkennen. Auch sei bei einer Beteiligung zweier Großunternehmen von zusammen mindestens 80% durchaus von einer Abhängigkeit auszugehen (vgl. BGH, Az. I ZR 228/10 im Umkehrschluss).

Für die angesprochenen Kundenkreise seien diese Überlegungen jedoch unwichtig, da gerade für kleinere unabhängige Verlage lediglich die Möglichkeit der Einflussnahme durch Konkurrenzunternehmen auf den Vertrieb von Belang sei (vgl. OLG Frankfurt, Az. 6 U 238/09). Da diese Möglichkeit hier klar vorliege, sei eine Werbung mit dem Prädikat „unabhängig“ folglich irreführend.

Das Urteil ist insbesondere für Gemeinschaftsunternehmen – nicht nur im Verlagswesen – von Bedeutung, da hierdurch die Verwendung des Wortes „unabhängig“ immer dann unmöglich gemacht wird, wenn die potentiellen Kundenkreise bei der Nutzung dieses Prädikats klar von einer tatsächlichen Unabhängigkeit ausgehen. Alleine die Möglichkeit der Einflussnahme durch Konkurrenten auf ein Unternehmen kann dessen Unabhängigkeit für die angesprochenen Kundenkreise aufheben.

OLG Köln, Urteil vom 05.07.2013, Az. 6 U 4/13

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