Werbung in Autoreply-E-Mails ist Spam

Einleitung: Kleine Worte, große Wirkung
Viele Unternehmen greifen auf automatische E-Mail-Antworten zurück, um ihren Kundenservice effizient zu gestalten. Ein Kunde sendet eine Anfrage, und unmittelbar danach folgt eine Autoreply-Nachricht, in der sich das Unternehmen für die Kontaktaufnahme bedankt, auf die Bearbeitungsdauer hinweist oder gegebenenfalls weitere Informationen liefert. Was harmlos klingt, kann juristisch brisant sein. Denn sobald solche Autoreply-E-Mails werbende Elemente enthalten, können sie als unzulässige Werbung und damit als Spam eingestuft werden. Dass bereits kleinste Formulierungen diesen Tatbestand erfüllen, zeigt eindrucksvoll eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Stade (Beschl. v. 30.10.2024 - Az.: 3 S 24/24).
Der Fall im Detail: Von der Gutscheinanfrage zur Gerichtsverhandlung
Ein Kunde wandte sich per E-Mail an einen Online-Shop für Bekleidung. Seine Frage war schlicht: Er wollte wissen, ob er einen Geschenkgutschein über 50 EUR erwerben könne. Auf seine Anfrage hin erhielt er umgehend eine automatische E-Mail-Antwort des Unternehmens.
Diese enthielt unter anderem folgende Inhalte:
- Hinweise auf Lieferzeiten bei bestimmten Produkten,
- den Hinweis, dass das Unternehmen „nur hochwertige Produkte“ versende,
- sowie die Information, dass ein Umtausch kostenlos sei.
Der Kunde empfand diese Autoreply nicht als rein technische Eingangsbestätigung, sondern als ungewollte Werbung. Er sah sich in seinem Recht auf werbefreie Kommunikation verletzt und reichte Klage auf Unterlassung ein.
Entscheidung in erster Instanz: AG Gestland verneint Werbecharakter
Das Amtsgericht Gestland (Urt. v. 29.04.2024 - Az.: 3 C 438/23) wies die Klage zunächst zurück. Nach Ansicht der ersten Instanz enthielt die E-Mail keine Werbung im Sinne des Wettbewerbsrechts. Das Gericht argumentierte:
- Die Definition von Werbung erfordere, dass die Aussagen unmittelbar oder mittelbar der Absatzförderung dienen.
- Der Hinweis auf Lieferzeiten sei ein rein informativer Hinweis.
- Die Aussage „nur hochwertige Produkte“ sei als Teil der allgemeinen Unternehmenskommunikation zu verstehen und nicht als werbliche Anpreisung.
- Die Angabe zum kostenlosen Umtausch sei eine Wiedergabe der geltenden Rechtslage nach § 439 Abs. 2 und Abs. 6 Satz 2 BGB.
Damit verneinte das AG Gestland jegliche werbliche Absicht in der Autoreply und wies die Klage ab.
Berufung zum LG Stade: Autoreply mit Werbung ist unzulässig
Der Kläger legte Berufung ein. Das Landgericht Stade kam in seinem Beschluss vom 30.10.2024 (Az.: 3 S 24/24) zu einer diametral entgegengesetzten Einschätzung:
1. Definition von Werbung:
Das LG Stade schloss sich der gefestigten Rechtsprechung und der Definition aus Art. 2 lit. a der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung an:
"Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern."
Das Gericht betonte, dass diese Definition äußerst weit zu verstehen sei. Neben offensichtlicher Produktwerbung fielen auch mittelbare Formen wie Imagepflege oder Servicekommunikation darunter.
2. Konkrete Bewertung der Autoreply-Inhalte:
- Hinweis auf hochwertige Produkte: Die Aussage, man versende „nur hochwertige Produkte“, sei eine klassische Imagewerbung. Damit versuche das Unternehmen, sich positiv darzustellen und Vertrauen in die angebotene Produktqualität zu schaffen. Das sei ein klarer Akt der Absatzförderung.
- Lieferzeiten für bestimmte Produkte: Durch die explizite Nennung bestimmter Produktkategorien in der E-Mail werde das Interesse des Lesers auf konkrete Angebote gelenkt. Auch dies sei als Werbung zu werten, da damit ein Kaufimpuls ausgelöst werden könne.
- Kostenloser Umtausch: Auch wenn die kostenlose Rücksendung gesetzlich verankert sein mag, könne der Hinweis darauf bei Kunden den Eindruck einer besonderen Kulanz erzeugen. Dies stelle eine verkaufsfördernde Information dar und sei damit ebenfalls als Werbung einzustufen.
3. Keine Unschädlichkeit bei teilweiser Werbefreiheit:
Besonders relevant ist die Aussage des LG Stade, dass eine E-Mail nicht allein deshalb zulässig wird, weil sie auch nicht-werbliche Informationen enthält:
"Dies hat nicht zur Folge, dass durch die enthaltene zulässige Bestätigung von vornherein der Werbecharakter ausgeschlossen wäre, sondern stellt lediglich eine Nutzung dieser Kontaktaufnahme in zweifacher Hinsicht dar."
Somit können Mischformen von Sachinformation und Werbung insgesamt unzulässig sein.
Rechtliche Einordnung: Autoreply + Werbung = § 7 UWG-Verstoß
Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist Werbung per elektronischer Post nur zulässig, wenn der Empfänger zuvor ausdrücklich eingewilligt hat. Diese Einwilligung muss:
- vorherig,
- ausdrücklich und
- informiert
erteilt worden sein.
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger weder eine solche Einwilligung abgegeben noch war mit werblichen Inhalten in einer simplen Anfrage-E-Mail zu rechnen. Die Autoreply-Nachricht war daher unzulässig.
Folgen für die Unternehmenspraxis
Die Entscheidung des LG Stade hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis vieler Unternehmen, die auf Autoresponder setzen:
- Reine Eingangsbestätigung: Autoreplies dürfen sich nur auf die tatsächliche Anfrage beziehen.
- Keine Produkt- oder Servicebewerbung: Auch keine subtilen Imagebotschaften.
- Verzicht auf Hinweise zu Qualität oder Versandbedingungen: Diese können als werblich ausgelegt werden.
- Keine Mischformen: Selbst wenn ein Teil der E-Mail legitim ist, reicht ein werblicher Zusatz für die Unzulässigkeit aus.
Muster-Formulierung:
"Vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir werden Ihr Anliegen schnellstmöglich bearbeiten."
Mehr sollte in einer Autoreply-Nachricht aus rechtlicher Sicht nicht stehen.
Fazit: Vorsicht bei der automatisierten Kommunikation
Die Entscheidung des LG Stade führt eindrucksvoll vor Augen, wie eng die Grenzen für elektronische Kommunikation im geschäftlichen Kontext gezogen sind. Unternehmen sollten ihre Autoreply-Texte dringend überprüfen und werbliche Aussagen konsequent entfernen.
Denn schon ein einziger unbedachter Satz kann nicht nur juristisch problematisch werden, sondern auch Kosten für Abmahnung, Unterlassung und Gericht nach sich ziehen. In der Welt des Wettbewerbsrechts gilt: Weniger ist mehr.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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