Werbung für Schönheitsoperationen mit Avataren - Das ist erlaubt

Der Markt für ästhetisch-plastische Chirurgie boomt – und mit ihm wächst auch der Wettbewerb unter den Anbietern. In einer Welt, in der das äußere Erscheinungsbild eine immer größere Rolle spielt, setzen viele Kliniken auf ausgeklügelte Werbestrategien, um potenzielle Patienten anzusprechen. Doch wo liegen die rechtlichen Grenzen?
Während klassische Vorher-Nachher-Fotos von operativen Eingriffen in der Werbung längst verboten sind, versuchen einige Anbieter, diese Vorschrift zu umgehen – mit einer scheinbar innovativen Lösung: computergenerierte Avatare. Doch ist diese Form der Werbung tatsächlich legal? Kann ein digital erstelltes Modell die gleichen suggestiven Effekte auf Verbraucher haben wie echte Bilder?
Ein aktuelles Urteil des OLG Koblenz sorgt nun für Klarheit und könnte weitreichende Konsequenzen für die gesamte Branche haben. Dieser Artikel beleuchtet die entscheidenden rechtlichen Aspekte, zeigt auf, welche Werbemaßnahmen im Schönheitssektor erlaubt sind – und wo die Grenzen liegen.
Gesetzliche Grundlagen: Das Heilmittelwerbegesetz (HWG)
Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) dient in Deutschland dem Schutz der Verbraucher vor irreführender oder unsachlicher Werbung im Gesundheitswesen. Es soll sicherstellen, dass medizinische Werbemaßnahmen nicht zu Fehlvorstellungen führen und keine unangemessenen Anreize für medizinisch nicht notwendige Eingriffe schaffen.
Verbot von Vorher-Nachher-Darstellungen
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG ist es untersagt, außerhalb der Fachkreise für operative plastisch-chirurgische Eingriffe mit vergleichenden Darstellungen des Körperzustands oder Aussehens vor und nach dem Eingriff zu werben. Dieses Verbot zielt darauf ab, die suggestive Wirkung solcher Darstellungen zu unterbinden, die bei Verbrauchern unrealistische Erwartungen wecken könnten.
Aktuelle Rechtsprechung: OLG Koblenz zur Werbung mit Avataren
Ein wegweisendes Urteil zu diesem Thema fällte das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz am 23. April 2024 (Az.: 9 U 1097/23). Eine Spezialklinik für plastisch-ästhetische Chirurgie hatte auf ihrer Website für Lippenunterspritzungen mit Hyaluronsäure geworben und dabei computergenerierte Avatare verwendet, die den Zustand der Lippen vor und nach der Behandlung zeigten.
Argumentation der Klinik
Die Klinik vertrat die Auffassung, dass das Verbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG nur für fotografische Darstellungen gelte. Sie argumentierte, dass Avatare als schematische und unrealistische Darstellungen keine suggestive Wirkung auf Verbraucher hätten und daher nicht unter das Verbot fielen.
Entscheidung des OLG Koblenz
Das OLG Koblenz wies diese Argumentation zurück und stellte klar, dass das Verbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG alle Formen von Darstellungen umfasst, die geeignet sind, eine suggestive Wirkung zu entfalten. Auf Technik, Stil oder Art der medialen Wiedergabe kommt es gerade nicht an. Vielmehr ist jede erkennbare Darstellung des menschlichen Körpers geeignet, Suggestivwirkung zu entfalten.
Das Gericht betonte, dass auch stilisierte oder schematische Darstellungen, wie Avatare, die Wirkung eines plastisch-chirurgischen Eingriffs übertrieben positiv darstellen und somit falsche Erwartungen bei Verbrauchern wecken können.
Vergleichbare Urteile und deren Bedeutung
Die Entscheidung des OLG Koblenz steht im Einklang mit weiteren Urteilen deutscher Gerichte, die die Werbung mit Vorher-Nachher-Darstellungen für Schönheitsoperationen untersagen.
OLG Hamm: Verbot von Vorher-Nachher-Fotos bei Faltenunterspritzungen
Das Oberlandesgericht Hamm entschied am 29. August 2024 (Az.: 4 UKl 2/24), dass die Werbung für Faltenunterspritzungen mit Hyaluronsäure mittels Vorher-Nachher-Fotos unzulässig ist. Das Gericht stellte fest, dass solche Darstellungen einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff im Sinne des HWG darstellen und daher dem Werbeverbot unterliegen. In der Urteilsbegründung heißt es:
"Das Werbeverbot mit vergleichenden Darstellungen erfasst hierbei alle operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe, sofern sich nicht aus der jeweiligen Werbung selbst ergibt, dass der Eingriff auf einer medizinischen Notwendigkeit beruht."
BGH bestätigt Verbot von Vorher-Nachher-Fotos
Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte in einem Beschluss vom 29. Mai 2024 (Az.: I ZR 159/23) die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Köln, wonach die Werbung für ästhetische Hautunterspritzungen mit Hyaluronsäure durch Vorher-Nachher-Fotos unzulässig ist. Der BGH wies die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des OLG Köln zurück und machte damit die Entscheidung rechtskräftig.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die aktuelle Rechtsprechung verdeutlicht, dass bei der Werbung für Schönheitsoperationen größte Vorsicht geboten ist. Unabhängig davon, ob reale Fotos oder computergenerierte Avatare verwendet werden, können vergleichende Vorher-Nachher-Darstellungen gegen das Heilmittelwerbegesetz verstoßen und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Kliniken und Praxen sollten daher ihre Werbemaßnahmen sorgfältig prüfen und sicherstellen, dass sie den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Es empfiehlt sich, auf vergleichende Darstellungen zu verzichten und stattdessen auf sachliche Informationen über die angebotenen Leistungen zu setzen. Bei Unsicherheiten ist es ratsam, rechtlichen Rat einzuholen, um Abmahnungen oder Bußgelder zu vermeiden.
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