Verbotene Werbung für medizinisches Cannabis

Medizinisches Cannabis – Heilmittel mit Werbeverbot?
Kaum ein anderes Medikament sorgt für so viel Aufsehen in Öffentlichkeit, Politik und Marketing wie medizinisches Cannabis. Seit der Gesetzesänderung im Jahr 2017 dürfen Ärzte Cannabisarzneimittel unter bestimmten Voraussetzungen verschreiben – und die Nachfrage ist seitdem stetig gestiegen. Parallel dazu wächst das wirtschaftliche Interesse von Unternehmen, Apotheken und Start-ups, die rund um das Thema Cannabis eine neue, boomende Branche wittern.
Doch wo sich wirtschaftliche Chancen eröffnen, sind rechtliche Grenzen meist nicht weit entfernt. Vor allem im Bereich der Werbung ist äußerste Vorsicht geboten: Was für viele wie harmlose Produktinformation erscheint, kann aus juristischer Sicht bereits unzulässige Laienwerbung darstellen – mit zum Teil empfindlichen Konsequenzen.
Der Spagat zwischen Aufklärung und Werbung ist beim Thema medizinisches Cannabis besonders schmal. Einerseits ist sachliche Information dringend notwendig, um Vorurteile abzubauen und Patienten sowie Ärzte fundiert zu informieren. Andererseits verbietet das Heilmittelwerbegesetz (HWG) weite Teile der Öffentlichkeitsarbeit für verschreibungspflichtige Arzneimittel – insbesondere dann, wenn es sich um Betäubungsmittel handelt. Genau das ist bei medizinischem Cannabis der Fall.
Medizinisches Cannabis in Deutschland – Rechtlicher Überblick
Vom Tabu zur Therapie – was medizinisch erlaubt ist
Medizinisches Cannabis ist längst keine Randerscheinung mehr: Immer mehr Ärztinnen und Ärzte setzen es als Therapieoption ein – etwa bei chronischen Schmerzen, Multipler Sklerose oder Krebserkrankungen. Doch obwohl das Gesetz seit 2017 den medizinischen Einsatz erlaubt, ist die rechtliche Lage komplex. Wer Cannabis verordnet, vertreibt oder bewirbt, bewegt sich in einem streng regulierten Raum, in dem schnell rechtliche Fallstricke lauern.
Zulassung und Verschreibungsfähigkeit nach § 31 Abs. 6 SGB V
Die wichtigste Rechtsgrundlage für die medizinische Verwendung von Cannabis findet sich in § 31 Abs. 6 SGB V. Demnach haben gesetzlich Versicherte unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf eine Versorgung mit Cannabisarzneimitteln – etwa in Form getrockneter Blüten oder Extrakte. Voraussetzungen sind:
- eine schwerwiegende Erkrankung,
- keine alternative, anerkannte Therapie,
- begründete Aussicht auf eine positive Wirkung.
Ein Genehmigungsvorbehalt durch die Krankenkasse besteht (noch), wird aber in der Praxis oft innerhalb weniger Tage entschieden.
Wichtig: Es handelt sich dabei ausschließlich um eine medizinische Anwendung unter ärztlicher Kontrolle. Eine freie Abgabe – wie bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln – ist ausgeschlossen.
BtMG und AMG: Zwei Gesetze, viele Hürden
Die rechtliche Behandlung von Cannabis ist doppelt geregelt: Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und Arzneimittelgesetz (AMG) greifen ineinander.
- Das BtMG stuft Cannabis grundsätzlich als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel ein (§ 1 Abs. 1 BtMG i. V. m. Anlage I).
Ausnahmen gelten nur für medizinisch zugelassene Produkte, die unter Anlage III geführt werden (verkehrsfähig, aber verschreibungspflichtig). - Das AMG regelt die Anforderungen an Arzneimittel, insbesondere zur Herstellung, Zulassung, Qualitätssicherung und Werbung.
Cannabisarzneimittel müssen den strengen Standards des AMG entsprechen, auch wenn es sich um ein Naturprodukt handelt.
Kurz gesagt: Nur zugelassene Cannabisprodukte, die ordnungsgemäß ärztlich verschrieben und kontrolliert abgegeben werden, sind rechtlich zulässig. Alles andere kann schnell zu Verstößen gegen das Arzneimittel- oder Betäubungsmittelgesetz führen.
Cannabis ≠ CBD – wichtige Unterschiede für Werbung und Vertrieb
Ein häufiger Fehler im Marketing: Die Gleichsetzung von medizinischem Cannabis mit freiverkäuflichen CBD-Produkten. Dabei bestehen entscheidende Unterschiede:
Medizinisches Cannabis |
CBD-Produkte im freien Handel |
Verschreibungspflichtig |
Frei verkäuflich (sofern kein THC) |
Unterliegt dem BtMG & AMG |
Unterliegt dem LFGB, teilweise AMG |
Strenge Werbeverbote |
Eingeschränkte Werbemöglichkeiten |
Abgabe nur über Apotheken |
Vertrieb auch online oder im Handel |
Achtung: Auch CBD-Produkte dürfen nicht mit gesundheitsbezogenen Aussagen beworben werden, wenn diese nicht wissenschaftlich belegt sind – auch hier drohen schnell wettbewerbsrechtliche Abmahnungen.
Zugelassene Produkte und Anforderungen an Apotheken und Hersteller
In Deutschland zugelassen sind u. a.:
- Cannabisblüten in standardisierter pharmazeutischer Qualität
- Cannabisextrakte zur oralen Einnahme
- Fertigarzneimittel mit Wirkstoffen wie Dronabinol oder Nabilon
Diese Produkte müssen den GMP-Richtlinien (Good Manufacturing Practice) entsprechen und strengen Lagerungs-, Transport- und Abgaberegeln folgen. Apotheken dürfen sie nur auf ärztliches BtM-Rezept hin abgeben und müssen eine lückenlose Dokumentation führen.
Für Hersteller und Vertreiber bedeutet das: Jeder Schritt – von der Importgenehmigung bis zur Patientenabgabe – ist reguliert. Wer Produkte in Verkehr bringt oder bewerben möchte, muss sich zwingend mit den Details des Arzneimittel- und Betäubungsmittelrechts auskennen.
Was ist Werbung? – Definition und juristische Einordnung
Werbung oder doch nur Information? – Eine entscheidende Unterscheidung
Die zentrale Frage bei der rechtlichen Bewertung vieler Kommunikationsmaßnahmen rund um medizinisches Cannabis lautet: Handelt es sich überhaupt um Werbung im rechtlichen Sinne? Oder ist es „nur“ eine sachliche Information? Diese Unterscheidung ist deshalb so entscheidend, weil sich das Heilmittelwerbegesetz (HWG) nur auf Werbung für Arzneimittel bezieht – nicht auf rein informative Inhalte.
Werbung im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes (HWG)
Das HWG selbst liefert keine konkrete Definition des Begriffs „Werbung“. Stattdessen orientieren sich Gerichte und Juristen am allgemeinen Werbebegriff des Europäischen Gerichtshofs:
„Jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern.“
(EuGH, Rs. C-421/07 – Damgaard)
Im Kontext des HWG bedeutet das: Werbung ist jede Maßnahme, die das Ziel hat, ein Arzneimittel zu fördern – und sei es nur mittelbar.
Das umfasst z. B.:
- Hinweise auf die Wirksamkeit eines Präparats
- positive Erfahrungsberichte
- Produktnennungen in sozialen Medien
- Blogartikel mit Bezug auf konkrete Indikationen
Selbst wenn die Information sachlich und korrekt ist – sobald sie auf ein bestimmtes Produkt zielt oder dessen Absatz fördern soll, wird sie als Werbung gewertet.
Information vs. Werbung – Wo verläuft die Grenze?
Die Abgrenzung ist in der Praxis oft schwierig. Gerade bei medizinischem Cannabis verschwimmt die Grenze zwischen medizinischer Aufklärung und werblicher Kommunikation.
Ein paar Grundsätze helfen bei der Einordnung:
Kriterium |
Information |
Werbung |
Zielrichtung |
Neutral, aufklärend |
Absatzfördernd |
Inhalt |
Allgemeine Fakten, keine Produktnennung |
Bezug auf konkrete Produkte, Anwendungsversprechen |
Sprache |
Sachlich-nüchtern |
Emotional, werblich |
Medium |
Fachpublikationen, Patienteninfos |
Social Media, Webseiten, Anzeigen |
Beispiel:
Ein Blogbeitrag auf einer Unternehmensseite, der Cannabis als „bahnbrechende Therapie bei chronischen Schmerzen“ bezeichnet, kann bereits als Werbung gewertet werden – insbesondere, wenn am Ende auf ein bestimmtes Produkt oder eine Praxis verwiesen wird.
Rechtsprechung zur Auslegung des Werbebegriffs
Die Gerichte haben sich mehrfach mit der Frage beschäftigt, wann eine Aussage als Werbung im Sinne des HWG gilt. Einige wichtige Entscheidungen:
- BGH, Urteil vom 06.02.2014 – I ZR 62/11 ("Produktwerbung durch Dritte")
Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass auch Äußerungen Dritter (z. B. Testimonials) als Werbung gelten können, wenn das werbende Unternehmen die Aussage veranlasst oder sich zu eigen macht. - OLG Hamburg, Beschluss vom 13.02.2020 – 3 W 11/20
Das Gericht untersagte einem Unternehmen die Bewerbung eines Cannabisextrakts auf YouTube. Grund: Die Darstellung überschritt die Grenze zur Laienwerbung – auch wenn sie medizinisch korrekt war. - OLG München, Urteil vom 09.05.2019 – 6 U 4092/18
Hier wurde ein Fall beurteilt, in dem ein Anbieter auf seiner Website indirekt für die positiven Effekte von medizinischem Cannabis warb. Das OLG stellte klar: Schon das Hervorrufen eines positiven Produktbildes kann Werbung sein.
Fazit: Vorsicht bei jeder öffentlichen Aussage
Unternehmen, Apotheken oder auch Ärztinnen und Ärzte sollten jede öffentlich zugängliche Äußerung zu medizinischem Cannabis kritisch prüfen. Sobald ein Produktbezug oder eine werbliche Tendenz erkennbar ist, gelten die strengen Regelungen des HWG – und damit auch weitreichende Werbeverbote.
Heilmittelwerbegesetz (HWG) – Zentrale Vorschriften
Warum das HWG beim Thema Cannabis (fast) alles regelt
Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) ist die zentrale Rechtsnorm, wenn es um die Werbung für Arzneimittel, Medizinprodukte und andere Heilmittel geht. Ziel des Gesetzes ist es, Verbraucher – insbesondere Patienten – vor unsachlicher oder irreführender Werbung zu schützen und eine medizinisch fundierte Entscheidungsfindung zu ermöglichen.
Im Zusammenhang mit medizinischem Cannabis, das in aller Regel verschreibungspflichtig und als Betäubungsmittel eingestuft ist, greift das HWG besonders streng. Die folgenden Vorschriften sind für die rechtliche Bewertung von Werbemaßnahmen besonders relevant:
§ 1 HWG – Der Anwendungsbereich: Was fällt unter das Gesetz?
§ 1 HWG legt fest, für welche Produkte das Gesetz überhaupt gilt. Darunter fallen insbesondere:
- Arzneimittel (wie medizinisches Cannabis)
- Medizinprodukte
- Verfahren, Behandlungen, Gegenstände und andere Mittel zur Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden
Kurz gesagt: Jede Werbung, die sich auf medizinisches Cannabis oder dessen Einsatz als Therapie bezieht, fällt in den Anwendungsbereich des HWG. Das gilt auch dann, wenn es sich um bloße Aufklärung handelt, diese aber produktbezogen oder emotional aufgeladen ist.
§ 3 HWG – Verbot der irreführenden Werbung
Nach § 3 HWG ist jede Werbung verboten, die irreführend ist – etwa weil:
- unzutreffende oder unbelegte Wirkungen versprochen werden
- der Eindruck entsteht, eine Heilung sei garantiert
- der Eindruck erweckt wird, das Mittel sei risikofrei oder nebenwirkungsfrei
- Studien oder wissenschaftliche Erkenntnisse falsch oder verkürzt dargestellt werden
Beispiel:
Eine Werbeanzeige, die Cannabisprodukte als „Nebenwirkungsfrei, natürlich und ohne jede Alternative“ anpreist, wäre ein klarer Verstoß – selbst wenn sie nur informativ gemeint war.
Tipp für Unternehmen: Besonders heikel sind Aussagen zu schweren Erkrankungen wie Krebs, Parkinson oder Epilepsie. Hier gelten strenge Nachweispflichten, wenn überhaupt geworben werden darf.
§ 11 HWG – Werbeverbote bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln
Dieser Paragraf ist der „Showstopper“ für viele Marketingabteilungen:
§ 11 Abs. 1 Nr. 1 HWG verbietet jede Werbung gegenüber der Allgemeinheit für verschreibungspflichtige Arzneimittel – wie medizinisches Cannabis.
Das bedeutet konkret:
- Keine Produktwerbung in Zeitungen, Onlineportalen oder Social Media
- Keine Aussagen über die Wirkung gegenüber Laien
- Keine Empfehlungen oder „Patientengeschichten“ mit Produktbezug
Zulässig ist Werbung nur gegenüber Fachkreisen, also Ärzten, Apothekern und Heilberuflern – und auch dort gelten enge Grenzen.
§ 12 HWG – Verbot der Laienwerbung für Betäubungsmittel
Ein weiterer zentraler Baustein ist § 12 HWG:
Betäubungsmittel – zu denen medizinisches Cannabis (nach BtMG Anlage III) gehört – dürfen nicht gegenüber Laien beworben werden.
Das umfasst alle Werbeformen wie:
- klassische Werbung (Print, Online, TV)
- Social Media Postings
- Influencer-Kooperationen
- Blogs, Podcasts oder Videos mit Produktnennung
Wichtig:
Selbst wenn die Darstellung sachlich und medizinisch korrekt ist – sobald ein werblicher Charakter erkennbar ist und sich die Kommunikation an Laien richtet, ist sie unzulässig.
Fazit: Kein Spielraum für öffentliche Werbung
Das HWG zieht bei medizinischem Cannabis klare Grenzen:
- Keine Werbung gegenüber Laien
- Kein Spiel mit Hoffnungen oder Heilversprechen
- Keine Vermischung von Information und Werbung
Für Unternehmen, Apotheken oder Plattformen, die im Bereich Cannabis tätig sind, heißt das: Nur eine exakt juristisch geprüfte Kommunikation schützt vor rechtlichen Konsequenzen.
Werbung für medizinisches Cannabis – Was ist verboten?
Kreativität im Marketing trifft auf klare gesetzliche Grenzen
Medizinisches Cannabis ist ein Thema mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit – auch für Werbetreibende. Doch gerade weil Cannabisprodukte unter das Betäubungsmittelgesetz fallen und verschreibungspflichtig sind, gelten im Werberecht besonders strenge Maßstäbe. Wer zu offensiv wirbt, riskiert nicht nur Abmahnungen oder Bußgelder, sondern unter Umständen sogar strafrechtliche Konsequenzen.
Werbung gegenüber Laien: Absolutes Verbot (§§ 10, 11 HWG)
Einer der wichtigsten Grundsätze des Heilmittelwerbegesetzes:
Verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen gegenüber der Allgemeinheit nicht beworben werden.
Das Verbot ergibt sich im Zusammenspiel aus:
- § 10 HWG: Werbung darf nicht mit krankheitsbezogenen Aussagen oder missverständlichen Begriffen operieren.
- § 11 Abs. 1 Nr. 1 HWG: Verbot der Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel.
- § 12 HWG: Speziell für Betäubungsmittel wie medizinisches Cannabis gilt zusätzlich ein Werbeverbot gegenüber Laien.
Was ist „Laienwerbung“?
Darunter versteht man jede Form der Kommunikation, die sich nicht ausschließlich an medizinisches Fachpersonal richtet – also Werbung in der Tageszeitung, auf Social Media, in einem Patientenmagazin oder auf einer Unternehmenswebsite.
Merke: Selbst sachlich formulierte Informationen sind unzulässig, wenn sie werblich wirken und sich an die breite Öffentlichkeit richten.
Krankheitsbezug, Wirkversprechen oder „Heilung“ – das ist tabu
Besonders sensibel sind Werbeaussagen mit Bezug auf konkrete Krankheitsbilder – etwa:
- „Cannabis hilft bei Krebs!“
- „Wirksame Alternative bei Epilepsie“
- „Natürlich heilen statt chemisch behandeln“
Solche Aussagen sind gleich aus mehreren Gründen problematisch:
- Sie richten sich an Laien (Verstoß gegen § 11 HWG)
- Sie sind meist wissenschaftlich nicht belegt (Verstoß gegen § 3 HWG)
- Sie implizieren eine Heilung – was regelmäßig unzulässig ist
Selbst dann, wenn die Aussagen in Einzelfällen medizinisch begründet sein mögen, dürfen sie in der Werbung nicht verwendet werden, solange sie nicht eindeutig durch allgemein anerkannte, klinische Studien gestützt sind.
Werbung auf Social Media, Influencer, Blogs – (k)ein rechtsfreier Raum
Gerade im Bereich Social Media wird häufig versucht, die Grenzen des Werberechts auszuloten – mit Posts auf Instagram, YouTube-Videos oder Influencer-Kampagnen, die angeblich nur „persönliche Erfahrungen“ wiedergeben.
Doch Vorsicht: Auch hier greift das HWG – mit voller Wucht.
- Eine Apotheke, die auf Instagram Cannabisblüten mit einem kurzen Hinweis auf „natürliche Linderung“ zeigt, verletzt § 11 HWG.
- Ein Influencer, der gegen Bezahlung über seine Cannabis-Therapie berichtet, verstößt ebenfalls gegen die Laienwerbung.
- Selbst ein Blogartikel, der medizinisches Cannabis übermäßig positiv darstellt und dann auf ein bestimmtes Produkt oder eine Praxis verlinkt, kann abgemahnt werden.
Die Rechtsprechung ist hier eindeutig: Es kommt nicht auf die Form, sondern auf die Zielrichtung der Kommunikation an. Sobald ein werblicher Effekt erkennbar ist, greifen die Werbeverbote – unabhängig davon, ob es sich um klassischen Journalismus, ein Video oder einen Instagram-Post handelt.
Beispiele aus der Praxis
🔹 Unzulässige Anzeigen auf Websites und in Printmedien
Ein Hersteller von Cannabisextrakten veröffentlichte eine Anzeige in einem Patientenratgeber mit dem Hinweis:
„Lindert Schmerzen – auf natürliche Weise. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über unsere Therapieoptionen.“
→ Verboten, da sich die Werbung an Laien richtet und ein konkretes Produkt in Verbindung mit einem Krankheitsbild bewirbt.
🔹 Influencer-Kooperationen im Graubereich
Eine Influencerin berichtete in einem Video offen über ihre Erfahrungen mit medizinischem Cannabis bei Migräne. Am Ende verlinkte sie auf die Website eines bestimmten Anbieters, mit dem sie eine Kooperation hatte.
→ Verboten, da hier Werbung durch eine Privatperson mit kommerziellem Hintergrund erfolgte – auch wenn sie subjektiv formuliert wurde.
🔹 Fall: Werbung mit „Cannabis heilt Krebs“
Ein besonders drastisches Beispiel war der Fall eines Start-ups, das auf seiner Webseite und in Facebook-Ads mit der Aussage warb:
„Cannabis heilt Krebs – warum Chemotherapie bald Geschichte ist.“
→ Gleich mehrere Verstöße auf einmal:
- Irreführung nach § 3 HWG
- Laienwerbung nach § 11 HWG
- Verstoß gegen § 12 HWG wegen Bezug zu Betäubungsmitteln
- Zudem Wettbewerbsverstoß nach UWG und potenzieller Eingriff in das Arztvorbehaltsrecht
Die Konsequenzen: Abmahnung durch einen Wettbewerbsverband, Bußgeldbescheid der Aufsichtsbehörde und negative Berichterstattung in Fachmedien.
Fazit: „Ein bisschen Werbung“ gibt es nicht – alles oder nichts
Die Werbevorschriften für medizinisches Cannabis sind streng – und das mit gutem Grund. Das Gesetz will verhindern, dass kranke Menschen durch emotionale oder suggestive Werbung beeinflusst werden. Unternehmen und Apotheken müssen daher auf eine juristisch wasserdichte Kommunikation achten – und im Zweifel lieber verzichten als riskieren.
Empfehlung: Lassen Sie jede Form der Öffentlichkeitsarbeit durch spezialisierte Juristen prüfen. Denn selbst gut gemeinte Aufklärung kann als verbotene Werbung gewertet werden.
Was ist erlaubt? – Zulässige Informationswege
Trotz Werbeverbot: Aufklärung ist nicht nur erlaubt, sondern notwendig
Die strengen Werbevorschriften rund um medizinisches Cannabis bedeuten nicht, dass gar keine Kommunikation mehr möglich ist. Vielmehr erlaubt das Heilmittelwerbegesetz (HWG) unter bestimmten Voraussetzungen sachliche Information – insbesondere gegenüber medizinischem Fachpersonal. Auch Apotheken dürfen im konkreten Einzelfall aufklären. Der rechtssichere Weg ist allerdings schmal und verlangt ein gutes Gespür für juristische Feinheiten.
Information gegenüber Ärzten und Fachkreisen – erlaubt nach § 2 HWG
§ 2 HWG erlaubt ausdrücklich die Werbung innerhalb von Fachkreisen, also gegenüber Personen, die aufgrund ihrer Ausbildung oder Berufsausübung über das notwendige medizinische Fachwissen verfügen.
Dazu zählen:
- Ärztinnen und Ärzte
- Apothekerinnen und Apotheker
- Heilpraktiker, Pflegefachkräfte, medizinische Fachberufe
- auch Personen aus Forschung, Lehre und medizinischen Fachmedien
Was ist erlaubt?
✅ Fachanzeigen in medizinischen Fachzeitschriften
✅ Produktbroschüren auf Kongressen oder per Post
✅ Direkte Arztanschreiben mit Informationen zu Cannabispräparaten
✅ Schulungsunterlagen, Fachseminare, Webinar
Wichtig: Auch hier gilt: Die Aussagen müssen wahr, belegbar und sachlich sein. Reißerische Aussagen, suggestive Grafiken oder übertriebene Wirkversprechen sind auch gegenüber Fachkreisen unzulässig.
Sachliche Aufklärung: Fachartikel, Studienhinweise, medizinische Plattformen
Fachlich fundierte Information ist nicht nur erlaubt – sie ist im Bereich medizinisches Cannabis sogar essenziell. Viele Ärztinnen und Ärzte sind noch unsicher im Umgang mit Cannabisarzneimitteln, es fehlt an evidenzbasierter Erfahrung. Unternehmen und Apotheken dürfen hier unterstützend tätig werden – sofern sie sachlich, produktneutral und ohne werblichen Charakter kommunizieren.
Erlaubt sind zum Beispiel:
✅ Fachartikel in medizinischen Fachportalen (ohne direkte Produktnennung)
✅ Hinweise auf Studien oder Publikationen in Fachmedien
✅ Infomaterialien zur Wirkweise von Cannabinoiden (z. B. THC vs. CBD)
✅ Podcasts oder Webinare für medizinisches Fachpublikum
Tipp: Die Darstellung muss immer „produktfern“ erfolgen. Sobald ein konkreter Produktname auftaucht, besteht die Gefahr, dass der Text als Werbung gewertet wird – und damit unter das Werbeverbot fällt.
Aufklärung durch Apotheken im konkreten Einzelfall
Auch Apotheken dürfen Patientinnen und Patienten informieren – aber ausschließlich im Einzelfall und auf direkte Nachfrage.
Erlaubt ist:
✅ Die mündliche Beratung nach Vorlage eines Rezepts
✅ Allgemeine Aufklärung über Lagerung, Anwendung, Wechselwirkungen
✅ Neutrale Informationen über unterschiedliche Darreichungsformen (z. B. Blüten, Extrakte, Kapseln)
Nicht erlaubt ist hingegen:
🚫 Ein Werbeflyer im Kassenbereich zum Thema „Cannabis in der Schmerztherapie“
🚫 Ein Social Media Post mit dem Hinweis „Wir führen jetzt medizinisches Cannabis“
🚫 Ein Newsletter mit Produktabbildungen und Anwendungshinweisen
Die Apotheke darf also reagieren, aber nicht proaktiv werben – auch nicht subtil.
Informationskampagnen vs. Imagewerbung – ein schmaler Grat
In der Praxis besonders heikel: Imagekampagnen, die nur vordergründig informieren, in Wirklichkeit aber werbliche Wirkung entfalten.
Beispiel:
Ein Unternehmen schaltet auf Facebook eine „Aufklärungskampagne“ zum Thema „Wie Cannabis gegen Schmerzen helfen kann“, versehen mit dem Hashtag #NatürlichHeilen und einem Link zur eigenen Produktseite.
→ Problematisch! Auch wenn das Wort „Werbung“ nicht fällt, hat der Beitrag ganz klar werblichen Charakter – er will das Image verbessern, Interesse wecken und möglicherweise den Absatz fördern.
Grundregel:
Je emotionaler, markenbezogener oder meinungsbildender die Aussage, desto eher handelt es sich um Werbung – selbst wenn die Maßnahme als „Aufklärung“ getarnt ist.
Fazit: Kommunikation ist möglich – aber mit Augenmaß und juristischer Kontrolle
Zulässige Informationswege gibt es – insbesondere im Kontakt mit Fachkreisen und bei individueller Aufklärung. Wer jedoch meint, das Werbeverbot durch kreative Umwege umgehen zu können, riskiert empfindliche Konsequenzen.
Empfehlung:
Erstellen Sie gemeinsam mit spezialisierten Juristen eine Kommunikationsstrategie, die klar unterscheidet zwischen fachlicher Information und verbotener Laienwerbung. Nur so lassen sich Risiken effektiv vermeiden.
Handlungsempfehlungen für Apotheken, Ärzte und Unternehmen
Werbung für medizinisches Cannabis: Was geht, was nicht?
Medizinisches Cannabis ist rechtlich gesehen ein sensibles Produkt: verschreibungspflichtig, betäubungsmittelrechtlich eingestuft – und damit werberechtlich besonders geschützt. Für alle Akteure im Gesundheitsmarkt gilt daher: Vorsicht ist besser als Abmahnung. Um trotzdem professionell zu informieren, braucht es Fingerspitzengefühl, klare Regeln und manchmal auch juristische Unterstützung.
Was ist erlaubt?
✅ Information gegenüber Fachkreisen
✅ Aufklärung im konkreten Einzelfall, z. B. durch eine Apotheke gegenüber einem Patienten mit Rezept
✅ Neutrale, wissenschaftlich belegte Inhalte, etwa in Fachzeitschriften oder bei Fortbildungen
✅ Produktauslobung in Fachportalen – aber nicht gegenüber Laien
Was ist nicht erlaubt?
🚫 Produktwerbung gegenüber Laien (Webseite, Social Media, Flyer, Newsletter)
🚫 Werbung mit Krankheitsbezug, Heilversprechen oder Erfahrungsberichten
🚫 Testimonials und Influencer-Marketing mit Produktbezug
🚫 Blogartikel oder Videos mit emotionaler, laienorientierter Sprache
✅ Checkliste: Zulässige Kommunikation im Überblick
Bevor eine Werbe- oder Informationsmaßnahme umgesetzt wird, lohnt sich ein kurzer juristischer Selbstcheck. Die folgende Checkliste hilft, typische Fehler zu vermeiden:
Frage |
Antwort |
Maßnahme |
Richtet sich die Kommunikation an Laien? |
Ja → Vorsicht! |
Produktbezug unbedingt vermeiden |
Wird ein konkretes Produkt genannt? |
Ja |
Nur gegenüber Fachkreisen erlaubt |
Gibt es Aussagen über Wirkung oder Krankheiten? |
Ja |
Nur zulässig mit wissenschaftlichem Nachweis |
Handelt es sich um Erfahrungsberichte oder Patientenmeinungen? |
Ja |
In der Regel unzulässig |
Erfolgt die Darstellung auf Social Media, Blogs, YouTube? |
Ja |
Risiko für HWG-Verstoß ist hoch |
Ist ein medizinischer Fachartikel ohne Produktbezug geplant? |
Ja |
In der Regel zulässig |
Ist eine Einzelfallberatung durch die Apotheke vorgesehen? |
Ja |
Erlaubt im Rahmen der Berufsaufgaben |
Wenn drei oder mehr Antworten kritisch ausfallen: → juristische Prüfung dringend empfohlen!
Wann ist die Einschaltung eines spezialisierten Rechtsanwalts sinnvoll?
Bei komplexen Fragen zur rechtssicheren Kommunikation rund um medizinisches Cannabis sollte frühzeitig juristische Expertise eingebunden werden – insbesondere:
- vor Launch neuer Produkte oder Kampagnen
- bei der Gestaltung von Webseiten, Flyern, Social Media Content
- bei geplanten Kooperationen mit Ärzten, Apotheken oder Influencern
- wenn Abmahnungen drohen oder bereits eingegangen sind
Ein im Werberecht erfahrener Anwalt kann helfen, rechtliche Grauzonen zu klären, das Risiko von Verstößen zu minimieren und Kampagnen rechtssicher zu begleiten.
Tipp: Rechtliche Beratung ist nicht nur „Schutzmaßnahme“, sondern kann auch strategisch helfen – etwa bei der Formulierung rechtlich zulässiger Botschaften oder der Trennung von Information und Werbung.
Tipps zur Risikominimierung bei Online- und Social-Media-Kommunikation
- Keine Produktnennung auf Social Media, auch nicht „indirekt“ durch Bilder, Hashtags oder Erfahrungsberichte
- Impressum und rechtliche Hinweise auf allen Kanälen korrekt und vollständig angeben
- Keine Links von informativen Inhalten zu Shops oder Produkten, wenn sich die Inhalte an Laien richten
- Vermeidung von Begriffen wie „heilen“, „wirkt sicher“, „sanfte Therapie“ – auch in Blogbeiträgen oder Videos
- Kommentare und Nutzermeinungen moderieren, wenn diese Heilversprechen enthalten
- Kennzeichnungspflichten beachten (z. B. bei Kooperationen mit Influencern oder Fachportalen)
- Trennung von Fachinformationen (Login-Bereich) und öffentlich zugänglichen Bereichen auf der Website
Fazit: Zwischen Informationspflicht und Werbeverbot
Werben in der Grauzone – das ist bei medizinischem Cannabis eher Regel als Ausnahme. Die Rechtslage ist komplex, die Gesetzeslage streng – und die Versuchung groß, die wachsende öffentliche Aufmerksamkeit werblich zu nutzen. Doch die Grenzen sind eindeutig: Der Gesetzgeber hat sich klar positioniert. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten vor unsachlicher Beeinflussung zu schützen, insbesondere dann, wenn es um verschreibungspflichtige Arzneimittel und Betäubungsmittel geht.
Das Heilmittelwerbegesetz lässt in Bezug auf medizinisches Cannabis kaum Spielraum für öffentlichkeitswirksame Werbung. Was auf den ersten Blick wie harmlose Information erscheint, kann rechtlich bereits als unzulässige Laienwerbung gewertet werden – mit teils drastischen Folgen.
Rechtssicherheit gibt es nur durch juristisch geprüfte Kommunikation. Wer auf Social Media, Websites oder in Fachmedien tätig wird, sollte keine Risiken eingehen. Eine klare Kommunikationsstrategie, die zwischen Information und Werbung unterscheidet, schützt nicht nur vor rechtlichen Konsequenzen – sondern trägt auch zur Seriosität und Glaubwürdigkeit in einem sensiblen Marktsegment bei.
Unser Tipp: Setzen Sie auf geprüfte Inhalte, juristische Begleitung und Zurückhaltung, wo das Gesetz keine Klarheit zulässt. So lassen sich Chancen nutzen, ohne in verbotene Werbefallen zu tappen.
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