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Werbung für Aufkleber gegen elektromagnetische Strahlung

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Der Glaube an "Wundermittel" im digitalen Zeitalter

In Zeiten wachsender Gesundheitsbewusstheit und digitaler Verunsicherung florieren Produkte, die Schutz vor vermeintlichen Gefahren versprechen. Strahlenschutz-Aufkleber für Handys sind ein Paradebeispiel für solche Angebote. Viele Verbraucher fragen sich: Schützen diese Produkte tatsächlich vor elektromagnetischer Strahlung? Oder handelt es sich um pseudowissenschaftliche Versprechen, die allein dem Profit dienen? Die Antwort auf diese Frage liefert das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 02.05.2024 (Az.: 6 U 51/23).

I. Der Sachverhalt: Werbung mit Schutzversprechen auf Amazon

Die beklagte Firma vertrieb sogenannte Strahlenschutz-Aufkleber über die Online-Plattform Amazon. Dabei handelte es sich um kleine Chips bzw. Aufkleber, die auf Mobiltelefone angebracht werden sollten. Die Beklagte bewarb ihr Produkt mit dem Versprechen, es könne schädliche elektromagnetische Strahlung, wie sie bei der Handynutzung angeblich entstehe, reduzieren oder gar neutralisieren. Diese Schutzwirkung solle sich positiv auf die Gesundheit der Nutzer auswirken, etwa durch die Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit oder die Reduktion von Stress.

In der Werbung wurden unter anderem folgende Aussagen verwendet:

  • "Reduktion hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung"
  • "Besseres Konzentrationsvermögen durch geringere Strahlenbelastung"
  • "Schutz besonders für Kinder und Schwangere"

Zur Unterfütterung dieser Aussagen verwies die Beklagte auf verschiedene Studien und wissenschaftliche Untersuchungen, die angeblich die Wirksamkeit des Produkts belegen sollten.

Ein Wettbewerbsverband hielt diese Aussagen für irreführend und erhob Unterlassungsklage.

II. Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. vom 02.05.2024 (Az.: 6 U 51/23)

Das OLG Frankfurt a.M. entschied zugunsten des klagenden Wettbewerbsverbandes und untersagte der Beklagten die Werbung mit den angegriffenen gesundheitsbezogenen Aussagen. Die Entscheidung fußte im Wesentlichen auf zwei zentralen Erwägungen:

  1. Irreführung durch gesundheitsbezogene Wirkungsaussagen
  2. Fehlende wissenschaftliche Nachweise für die behaupteten Effekte

Die Werbung sei nach Ansicht des Gerichts irreführend im Sinne von §5 Abs. 1 UWG, da sie dem Verbraucher suggeriere, der Aufkleber habe eine therapeutische Wirkung bzw. könne konkret vor gesundheitlichen Gefahren schützen.

Der Verkehr wird die Aussagen dahingehend verstehen, dass der Chip der Beklagten geeignet ist, für den menschlichen Organismus schädliche Strahlung durch die Benutzung von Handys zu verhindern.

Ein solcher Eindruck sei nur dann rechtlich zulässig, wenn die behauptete Wirkung wissenschaftlich gesichert ist. Daran fehle es hier jedoch in eklatanter Weise.

III. Anforderungen an gesundheitsbezogene Werbung laut Gericht

Das OLG stellt klar, dass an gesundheitsbezogene Werbeaussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen sind. Dies folge nicht nur aus dem UWG, sondern auch aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sowie aus europarechtlichen Vorgaben.

Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht.

Dabei gelte:

  • Die bloße Bezugnahme auf eine Gefahrenquelle (hier: Handystrahlung) genügt nicht.
  • Die behauptete Wirkung muss nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durch Studien nachgewiesen sein.
  • Studien müssen methodisch sauber, mit ausreichender Teilnehmerzahl und valider Auswertung durchgeführt worden sein.

IV. Bewertung der vorgelegten Studien durch das Gericht

Die Beklagte legte verschiedene Studien vor, um die Wirksamkeit ihres Produkts zu belegen. Das OLG setzte sich intensiv mit diesen Materialien auseinander und kam zu einem vernichtenden Ergebnis:

  1. Formale Mängel der Studien
  • Die Teilnehmerzahlen waren durchweg zu gering, um aussagekräftige Ergebnisse zu liefern.
  • Beispielhafte Zahlen:
    • Konzentrationsstudie: 30 Probanden
    • Studie mit Jugendlichen: 12 Probanden
    • Studie mit Schwangeren: 8 Probanden
    • Studie im Auto (JGU Mainz): 8 Probanden
    • Headset-Studie: 8 Probanden
  1. Methodische Mängel
  • Keine Doppelblindverfahren
  • Keine Placebo-Kontrollen mit Aussagekraft
  • Unzureichende Randomisierung
  • Keine peer-reviewed Publikationen (oder nur in fragwürdigen Journals)
  1. Inhaltliche Unschärfen
  • Selbst wenn eine Reduktion der HF-Strahlung gemessen wurde, fehlt der Nachweis, dass diese ursächlich für eine gesundheitliche Verbesserung sei.
  • Es wurde nicht belegt, dass Handystrahlung in der im Alltag auftretenden Intensität überhaupt gesundheitsschädlich ist.
  • Ohne Nachweis einer Gefahr lässt sich keine Schutzwirkung postulieren.

"Es finden sich jedoch keine Nachweise dafür, dass eine gesundheitsgefährdende Strahlung bestanden hat, die reduziert worden ist."

V. Relevanz für das Wettbewerbsrecht

Das OLG Frankfurt sieht in der Werbung der Beklagten einen klaren Verstoß gegen § 5 Abs. 1 UWG. Die Aussagen seien geeignet, Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.

Zusätzlich verweist das Gericht auf das Transparenzgebot bei gesundheitsbezogener Werbung: Es sei nicht ausreichend, Behauptungen mit Studien zu belegen, die den Anforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit nicht standhalten.

Das Urteil hat damit eine Signalwirkung für Anbieter von Pseudoprodukten: Wer mit dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung wirbt, begibt sich in einen hochregulierten Rechtsraum und muss mit strenger Kontrolle rechnen.

VI. Einordnung in den allgemeinen Rechtsrahmen: Heilmittelwerbegesetz (HWG)

Ergänzend zu den Vorschriften des UWG ist auch das Heilmittelwerbegesetz (HWG) einschlägig. Dieses findet immer dann Anwendung, wenn Produkten eine medizinische Wirkung zugeschrieben wird.

Nach § 3 HWG ist es unzulässig, mit gesundheitsbezogenen Aussagen zu werben,

  • wenn diese nicht gesichert sind,
  • wenn der wissenschaftliche Meinungsstand dies nicht stützt,
  • oder wenn eine therapeutische Wirkung suggeriert wird, ohne Belege.

Die Werbung der Beklagten erfüllt all diese Kriterien.

VII. Bedeutung für Verbraucher und Anbieter

Für Verbraucher:

  • Das Urteil schützt sie vor teuren, wirkungslosen Produkten.
  • Es schafft mehr Klarheit in einem unübersichtlichen Markt.

Für Anbieter:

  • Es gilt: Keine Werbung mit Gesundheit ohne wissenschaftlich belastbare Belege.
  • Der Hinweis auf Studien reicht nicht, wenn diese nicht den Standards der Wissenschaft entsprechen.

Fazit: Ein wegweisendes Urteil mit klarer Botschaft

Das Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 02.05.2024 (Az.: 6 U 51/23) ist ein deutlicher Appell an Werbetreibende, verantwortungsvoll mit gesundheitsbezogenen Aussagen umzugehen. Produkte, die mit Schutzwirkungen oder medizinischen Effekten werben, müssen diese durch seriöse, wissenschaftlich belastbare Daten nachweisen. Fehlt ein solcher Beleg, drohen empfindliche Sanktionen.

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