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Werbe-Nachrichten über LinkedIn und Xing sind unzulässiger Spam

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Viele Unternehmen nutzen Social-Media-Plattformen wie Xing, LinkedIn oder X (ehemals Twitter), um neue Kunden zu akquirieren oder Dienstleistungen aktiv zu bewerben. Die direkte Ansprache potenzieller Geschäftspartner oder Kunden erscheint in Zeiten digitaler Vernetzung als naheliegende und effiziente Methode. Doch was vielen Unternehmern als modernes Networking erscheint, ist aus rechtlicher Sicht hochriskant.

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Beschluss vom 03.05.2023 (Az.: 18 U 154/22) entschieden, dass Werbe-Nachrichten über soziale Netzwerke ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Empfängers als unzulässiger Spam im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (a.F.) zu bewerten sind. Die Entscheidung schafft wichtige Klarheit und hat große Relevanz für Unternehmen, Dienstleister und Marketingagenturen.

Der konkrete Fall vor dem OLG Hamm: Was war passiert?

Im Zentrum des Verfahrens stand eine Dienstleisterin, die sich auf Akquisetätigkeiten für Immobilienmakler spezialisiert hatte. Diese bot gegen Entgelt sogenannte "Chiffre-Kontakte" an: Dabei handelt es sich um Kontaktdaten von potenziellen Immobilienverkäufern, die zuvor auf Immobilienportalen oder sozialen Netzwerken Inserate geschaltet hatten.

Ein Immobilienmakler (der Beklagte) hatte mit der Dienstleisterin (der Klägerin) einen Vertrag abgeschlossen. Ziel war es, über verschiedene Kanäle wie E-Mail, Xing, LinkedIn oder X potenzielle Kunden anzusprechen. Die Dienstleisterin nutzte die Nachrichtenfunktionen der jeweiligen Portale, um Kontakt mit Nutzern aufzunehmen, die Immobilieninserate veröffentlicht hatten. Eine ausdrückliche Einwilligung dieser Nutzer in die werbliche Ansprache lag nicht vor.

Die Kontaktaufnahme erfolgte über die Kommunikationsfunktionen der Plattformen. Die Dienstleisterin argumentierte, die Nachrichten seien nicht direkt an die Nutzer, sondern an die Plattformen gerichtet gewesen. Daraus leitete sie ab, dass es sich nicht um elektronische Post im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG handele. Zudem behauptete sie, dass ein grundsätzliches Interesse der Inserenten vorgelegen habe und dies eine Einwilligung ersetze.

Die Entscheidung des OLG Hamm: Klarstellung der rechtlichen Lage

Das OLG Hamm widersprach dieser Argumentation mit deutlichen Worten:

"Die erstmalige Kontaktierung der Inserenten über die einzelnen Portale seitens der Mitarbeiter der Klägerin [...] verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F., weil die Inserenten die [...] erforderliche vorherige ausdrückliche Einwilligung nicht erteilt haben."

Das Gericht stellte klar, dass es sich bei Nachrichten, die über Kommunikationsfunktionen sozialer Netzwerke versendet werden, sehr wohl um elektronische Post handelt. Der Begriff der "elektronischen Post" sei weit zu verstehen und umfasse alle Formen direkter elektronischer Kommunikation, auch über Portale wie Xing oder LinkedIn.

Auch die Behauptung, dass die Nachrichten lediglich an die Plattformen und nicht an die Endnutzer adressiert seien, überzeugte das Gericht nicht. Entscheidend sei, dass der Nutzer die Nachricht erhalte und durch diese in seiner Privatsphäre gestört werde. Die Schutzfunktion des § 7 UWG diene gerade dem Schutz vor unerbetener Werbung, unabhängig vom genauen technischen Übertragungsweg.

Kein Interesse = keine Einwilligung: Differenzierung bei Immobilieninseraten

Ein weiterer Aspekt des Urteils betraf den vermeintlichen "mutmaßlichen Willen" des Empfängers. Die Klägerin berief sich darauf, dass ein Nutzer, der ein Immobilieninserat veröffentlicht, grundsätzlich auch an Maklerdiensten interessiert sei.

Doch auch dieser Ansicht erteilte das OLG Hamm eine klare Absage:

"Kontaktaufnahmen [...], die darauf gerichtet sind, den Inserenten Maklerdienste anzubieten, sind auch bei Vorliegen eines grundsätzlichen Interesses des potentiellen Immobilienverkäufers an einer Kontaktaufnahme nicht von einer entsprechenden Einwilligung gedeckt."

Das heißt: Wenn ein Eigentümer eine Wohnung oder ein Haus inseriert, erlaubt dies nur die Kontaktaufnahme von echten Kaufinteressenten. Nicht aber die Ansprache durch Makler, die eigene Dienste verkaufen wollen.

Auch das OLG Karlsruhe hatte dies bereits mit Urteil vom 12.06.2018 ähnlich bewertet (Az.: 8 U 153/17).

Rechtslage nach UWG: Was genau sagt das Gesetz?

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG liegt eine unzumutbare Belästigung vor, wenn

  • Werbung mittels elektronischer Post
  • ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten

versendet wird.

Dies gilt auch für Nachrichten über Social-Media-Portale. Die Einwilligung muss vorher, ausdrücklich und nachweisbar erteilt worden sein. Eine bloße hypothetische Bereitschaft oder mutmaßliches Interesse reicht nicht aus.

Auswirkungen des Urteils für Unternehmen und Marketingstrategien

Unternehmen und Dienstleister:

  • Wer potenzielle Kunden über Xing, LinkedIn oder X kontaktiert, muss sicherstellen, dass eine Einwilligung vorliegt.
  • Auch B2B-Kommunikation ist nicht automatisch zulässig.
  • Verstöße können Abmahnungen, Unterlassungsklagen und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen.

Marketingagenturen:

  • Die Nutzung von Akquisemodellen über Social Media ist rechtlich nur dann unproblematisch, wenn vorab eine Einwilligung eingeholt wird.
  • Empfehlenswert sind transparente Double-Opt-In-Verfahren.

Betroffene:

  • Empfänger von unerwünschter Werbung können sich auf § 7 UWG berufen.
  • Neben der Unterlassung kann auch ein Auskunftsanspruch bestehen, z.B. über die Herkunft der Daten.

Fazit: Rechtliche Klarheit für die digitale Ansprache

Die Entscheidung des OLG Hamm sorgt für dringend nötige Rechtsklarheit. Unternehmen, die Social-Media-Plattformen für Akquisetätigkeiten nutzen, müssen sich darüber im Klaren sein, dass auch dort die Vorschriften des UWG uneingeschränkt gelten.

Werbe-Nachrichten über LinkedIn, Xing oder X sind Spam, wenn keine ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Das Argument, „soziale Netzwerke seien keine E-Mail“, greift nicht.

Unternehmen tun gut daran, ihre Marketingstrategien zu überprüfen und auf rechtskonforme Kommunikation zu achten. Denn der Grat zwischen moderner Kundenansprache und unzulässiger Belästigung ist schmal – und die Gerichte zeigen zunehmend wenig Toleranz.

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