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Wer pinkelt schon im Stehen?

LG Düsseldorf, Urteil vom 12.11.15, Az. 21 S 13/15
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Das Landgericht (LG) in Düsseldorf hat mit seinem Urteil vom 12.11.15 unter dem Az. 21 S 13/15 entschieden, dass das Urinieren im Stehen eine übliche Verhaltensweise ist. Für daraus entstehende Schäden auf dem Toilettenfußboden haftet der Mieter nicht.

Damit hat das LG die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Vorinstanz (AG Düsseldorf) nur teilweise stattgegeben.

Die Kläger waren Mieter einer Wohnung der Beklagten und begehren von dieser die Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde und die Rückzahlung von aus ihrer Sicht überhöhten Betriebskosten sowie Ersatz von Rechtsanwaltskosten. Den Forderungen hält die Beklagte Gegenansprüche auf Schadensersatz entgegen, zum Teil im Wege der Widerklage. Das Amtsgericht gab der Klage im Hinblick auf die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten statt und wies sie im Übrigen ab. Die Widerklage wurde überwiegend abgewiesen. Mit der Berufung der Beklagten und der Anschlussberufung der Kläger werden die erstinstanzlichen Ziele weiterverfolgt.
Die Berufung der Beklagten hatte nur geringen Erfolg, die der Kläger war hingegen überwiegend erfolgreich.
Diese hätten Anspruch auf die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde, Zahlung von 658 Euro Hausverwaltungskosten und Freistellung von Rechtsanwaltskosten i.H.v. 148 Euro.
Die Beklagte könne die Bürgschaftsurkunde mangels sicherungsbedürftiger Gegenansprüche auch nicht zurückbehalten. Die Beklagte könne die Herausgabe auch nicht deshalb verweigern, weil ihr eventuelle Betriebskostennachzahlungsansprüche aus dem Zeitraum von Januar bis Februar 2014 zustehen könnten.
Der Beklagten stehe kein Schadensersatzanspruch von den Klägern für die Auswechslung der Marmorböden im Badezimmer und im Gäste-WC zu. Diese beliefen sich auf 1936 Euro.
Die Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch der Beklagten nach den §§ 280 und 241 BGB wegen Obhutspflichtverletzung wäre ein schuldhaftes Handeln seitens der Kläger. Wie jedoch das Amtsgericht zutreffender Weise ausgeführt habe, könne dahinstehen, ob von einer Pflichtverletzung bzw. vertragswidrigem Gebrauch ausgegangen werden müsse. Denn die Vermutung, das Verhalten wäre schuldhaft erfolgt, könne als widerlegt angesehen werden. Denn die Kläger hätten den Schaden an dem Boden nicht zu vertreten. Sie hätten lediglich eine fahrlässige Schadensverursachung zu vertreten gehabt.
Nach § 276 BGB handele fahrlässig, wer die erforderliche Sorgfalt außer Acht lasse. Fahrlässigkeit setze die Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit des drohenden Schadens voraus. Es komme dabei darauf an, was von einem durchschnittlichen Mieter in der betreffenden Situation habe erwartet werden können, unabhängig davon, ob der Handelnde nach seinen Fähigkeiten und Kenntnissen die gebotene Sorgfalt hätte erkennen und anwenden können. Das Maß der Sorgfalt richte sich also nach durchschnittlichen Anforderungen des entsprechenden Verkehrskreises.
Unter Zugrundelegung dieses Sorgfaltsmaßstabs sei es für die Kläger nicht erkennbar gewesen, dass durch ihr Verhalten, bzw. das des Klägers, ein irreparabler Schaden für den Bodenbelag im Bad drohte. Durch das regelmäßige Urinieren im Stehen hätten sich die Marmorböden optisch und haptisch verändert. Eine Schadensverursachung durch Reinigungsmittel komme nicht in Betracht, da der Fußboden um die Toilette herum mit den gleichen Mitteln gereinigt worden sei wie die restliche Bodenfläche.
Dem Beklagten sei auch nicht zuzustimmen, dass der Kläger durch sorgfältigeres Urinieren im Stehen Urinspritzer hätte vermeiden oder sofort beseitigen müssen.
Der Kläger hätte nicht damit rechnen müssen, dass der Boden durch das „Urinieren im Stehen“ einen erheblichen Schaden nehmen würde. Es könne auch nicht als bekannt vorausgesetzt werden, dass hierdurch ein Schaden für einen Marmorboden drohe. Auch eine bestimmte Reinigungsfrequenz hätte den Klägern mangels Kenntnis von der besonderen Empfindlichkeit des Bodens nicht abverlangt werden können.
Ein entsprechender Pflegehinweis hätte zumindest vom Beklagten erteilt werden müssen, was nicht geschehen sei. Wie ein Zeuge bekundet habe, erteile er bei der Verlegung vergleichbarer Böden solche Hinweise. Der Beklagte sei als Vermieter gehalten, einen ebensolchen Hinweis zu erteilen, da das Urinieren im Stehen bei männlichen Personen üblich sei.

Anmerkung: Üblich ist auch die Nutzung von Schuhen mit hohen Absätzen, hier ist jedoch dem durchschnittlichen Mieter bzw. Mieterin klar, dass hierdurch Schäden auf Fußböden zu erwarten sind.

LG Düsseldorf, Urteil vom 12.11.15, Az. 21 S 13/15

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