Wayback-Machine wird Unterlassungsschuldner nicht zugerechnet

Gibt ein Unternehmen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, so schuldet es keine Vertragsstrafe, wenn der Verstoß bei Altversionen der Internet-Seite vorzufinden ist, die noch in der Wayback-Machine online bleiben. Dies hat das Landgericht Karlsruhe mit Urteil vom 16.02.2023 entschieden.
Hintergrund
Eine Onlinemarketing-Agentur hat einen Konkurrenten, die Beklagte, auf mögliche wettbewerbswidrige Alterswerbung auf deren Website hingewiesen. Im Zuge dessen
entfernte die Beklagte die angegriffene Werbung von ihrer Website und ließ den Google-Cache löschen. Vorbeugend hat sie eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Diese nahm die klägerische Onlinemarketing-Agentur erst ca. anderthalb Jahre später an. Wenige Zeit nach der Annahme forderte sie die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 7.500 Euro. Diese begründete sie damit, dass die beanstandete Alterswerbung nicht aus der Wayback-Machine gelöscht worden sei.
Bei einer Wayback-Machine handelt es sich um ein digitales Archiv des Internet, das unter https://archive.org/ öffentlich zugänglich ist. Hierdurch wird es dem Nutzer ermöglicht, „in der Zeit zurückzugehen“ und zu sehen, wie Websites in der Vergangenheit ausgesehen haben.
Unterlassungserklärung kann auch nach Jahren angenommen werden
Im Ergebnis hat das Landgericht Karlsruhe die Zahlungsklage zwar abgewiesen, die klagende Agentur habe keinen Anspruch auf Vertragsstrafenzahlung. Grundsätzlich sei ein Unterlassungsvertrag zwischen den Parteien aber zustanden gekommen. Hieran ändere die Tatsache nichts, dass die vorbeugende strafbewehrte Unterlassungserklärung erst anderthalb Jahre nach Zugang ausdrücklich angenommen worden ist. Das Gericht wies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hin, nach der bei einer auf Abschluss eines Unterlassungsvertrags gerichteten Unterlassungserklärung in der Regel davon auszugehen ist, dass der Schuldner sein Angebot unbefristet abgegeben hat. Dies hat zur Folge, dass eine Annahme durch den Gläubiger jederzeit stattfinden kann (vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2009, Az. I ZR 217/07 – Testfundstelle).
Inhalt der Wayback-Machine ist keine geschäftliche Handlung
Die Unterlassungserklärung hatte die Beklagte dazu verpflichtet, nicht mehr „im geschäftlichen Verkehr“ mit der beanstandeten Äußerung „zu werben“. Eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG bei der Wayback-Machine könne, so das Gericht, in der Unterlassung liegen, eine Löschung zu erreichen. Hierfür müsste dieses Verhalten mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängen. Hier fehle es aber schon an der Eignung, über den Einfluss auf geschäftliche Entscheidungen von Marktteilnehmern den Absatz der Dienstleistung der Beklagten positiv zu beeinflussen. Die Nichtverhinderung der bloßen Abrufbarkeit der ursprünglichen Werbung unter den gegebenen Umständen stelle keine geschäftliche (Werbe-)Handlung dar. Maßgeblich sei dabei der Charakter der Wayback-Machine als Archiv, das zudem nach unstreitig gebliebenem Vortrag keine eigene Suchfunktion aufweise und durch übliche Suchmaschinen nicht durchsucht werden könne. Es sei nach menschlichem Ermessen so gut wie ausgeschlossen, dass die Beklagte Kunden dadurch gewinne, dass die (längst von der Homepage gelöschten und über Suchmaschinen unauffindbaren) alten Versionen ihrer Homepage zur Kenntnis und zum Anlass genommen werden, mit der Beklagten geschäftlich in Kontakt zu treten. Dabei komme es nicht darauf, dass – wie anzunehmen sei – ein kleiner Teil der potenziellen Kunden der Beklagten die Wayback-Machine kenne und gelegentlich nutzen möge. Entscheidend sei vielmehr, dass eine solche Nutzung kein denkbarer Kanal zur Absatzförderung sei.
Fazit
Das Urteil stellt eine Ausnahme von der herrschenden Rechtsprechung dar, dass den Schuldner einer Unterlassungserklärung weitreichende Lösch- und Überwachungspflichten treffen. Insoweit ist dieses sehr einzelfallbezogene Urteil mit einer gewissen Vorsicht zu lesen, da es sich bei der Wayback-Machine um eine Langzeitarchivierung von Daten handelt, von der Unternehmen in der Regel nicht profitieren, was den Absatz betrifft. Nichtsdestoweniger ist es wichtig, dass für diesen Bereich nun eine gewisse Rechtsklarheit herrscht und Unterlassungsschuldner nicht für vergangene, möglicherweise längst vergessene Internetauftritte haften müssen.
Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 16.02.2023, Az. 13 O 2/23 KfH.
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Alexander Bräuer
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