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Irreführende Herkunftsangaben: Bier darf nicht mit "Hamburg" oder "ST. PAULI" werben

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Ortsangaben wie "Hamburg", "St. Pauli" oder "Reeperbahn" sind mehr als bloße Begriffe. Sie transportieren Geschichte, Emotionen und vor allem ein Markenimage. Gerade in der Lebensmittel- und Getränkebranche gelten sie als Qualitätsversprechen. In Zeiten des Trends zu regionalen Produkten ist für Verbraucher die Angabe einer geographischen Herkunft von hoher Relevanz. Doch was passiert, wenn solche Angaben werblich genutzt werden, obwohl das Produkt gar nichts mit dem genannten Ort zu tun hat? Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 25.04.2024 (Az.: 312 O 336/20) ein deutliches Zeichen gesetzt.

Der Sachverhalt: Bier mit Hamburg-Image, gebraut in Mönchengladbach

Die Beklagte im Verfahren war ein Unternehmen, das Bier unter verschiedenen Marken vertrieb, unter anderem unter den Bezeichnungen:

  • "Hamburg"
  • "ST. PAULI"
  • "REEPER B."

Die Produktaufmachung spielte bewusst mit hanseatischem Flair. Es fanden sich auf der Website und den Etiketten:

  • Abbildungen von Hafenkränen
  • Slogans wie "Home of Reeper B. is the legendary Reeperbahn"
  • Designs, die Assoziationen zu norddeutscher Hafenromantik weckten

Der zentrale Punkt: Das Bier wurde nicht in Hamburg gebraut. Auch die Abfüllung erfolgte nicht in der Hansestadt, sondern in Mönchengladbach, Nordrhein-Westfalen.

Ein entsprechender Hinweis auf den tatsächlichen Produktions- und Abfüllungsort war nirgendwo auf der Website oder dem Etikett zu finden.

Ein Wettbewerbsverband sah hierin eine Irreführung des Verbrauchers über die geografische Herkunft der Ware und klagte auf Unterlassung.

Die Entscheidung des LG Hamburg im Detail

Das LG Hamburg entschied am 25.04.2024 eindeutig zugunsten des Klägers und stellte fest, dass es sich um eine unzulässige geografische Herkunftsangabe im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG handelt.

a) Geografische Herkunftsangaben als Informationsträger

Das Gericht betont, dass Angaben wie "Hamburg", "ST. PAULI" oder "REEPER B." in Verbindung mit Hafenmotiven und bekannten Stadtteilen nicht nur Schmuckelemente sind. Sie dienen als werbliche Kennzeichen, die bei Verbrauchern Erwartungen hinsichtlich Herkunft, Qualität und Authentizität wecken:

"Denn es wird durch die vorgenannten Bezeichnungen, die Abbildung von Hafenkränen und durch die Aussage 'Home of Reeper B. is the legendary Reeperbahn' ein klarer Bezug zu Hamburg im Sinne eines Herstellungs- und/oder Abfüllorts geschaffen."

b) Kein Hinweis auf Mönchengladbach

Das Gericht kritisierte explizit, dass auf den tatsächlichen Produktionsort Mönchengladbach nicht hingewiesen wurde. Ein solches Unterlassen stärke die Irreführungsgefahr, da für den durchschnittlichen Verbraucher kein Anlass bestehe, an der behaupteten Herkunft zu zweifeln.

c) Vergleich mit anderen Marken: Kein "Opel Ascona"-Fall

Die Beklagte versuchte sich damit zu verteidigen, dass auch bekannte Marken wie "Montblanc" oder "Opel Ascona" geographisch klingende Namen nutzen, ohne dort produziert zu werden. Diese Argumentation ließ das LG Hamburg nicht gelten.

"Anders als bei 'Montblanc-Füllern oder dem Opel Ascona' erwartet der Verkehr auch, dass ein wie in Anlage B 2 beworbenes Bier in Hamburg bzw. St. Pauli hergestellt und/oder abgefüllt wird."

Gerade bei Bier sei der regionale Bezug entscheidend, so das Gericht. Bei Begriffen wie "Warsteiner" gehe der Verbraucher automatisch von einer Herkunft aus dem Ort Warstein aus – solche Assoziationen bestünden bei anderen Lebensmitteln oder Produkten nicht in gleicher Weise.

d) Verbraucherrelevanz von Ortsangaben

Einer der wichtigsten Punkte der Entscheidung ist der hohe Stellenwert regionaler Herkunft für die Kaufentscheidung. Das Gericht stellt klar:

"Der Ort der Herstellung ist für den Verkehr von Relevanz. Eine Irreführung durch eine geografische Herkunftsangabe im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG ist in der Regel wettbewerbsrechtlich relevant [...]."

Insbesondere in Zeiten zunehmender Nachfrage nach lokalen Produkten und transparenter Herkunft sei eine solche Irreführung nicht unbeachtlich.

Die rechtliche Grundlage: § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG

Die Norm lautet:

"Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über [...] die geografische Herkunft [...] enthält."

Das Urteil zeigt, wie sensibel Gerichte auf falsche Herkunftsangaben reagieren – gerade, wenn damit emotionale Markenbilder wie "St. Pauli" oder "Reeperbahn" vermarktet werden sollen, ohne dass ein echter Bezug besteht.

Fazit: Was Unternehmen aus dem Urteil lernen sollten

a) Geografische Angaben nur bei tatsächlichem Bezug

Wer "Hamburg" oder "St. Pauli" in seinem Marken- oder Produktnamen verwendet, sollte sicherstellen, dass mindestens ein wesentlicher Produktionsschritt dort stattfindet (z. B. Brauvorgang, Abfüllung, Reifung).

b) Transparenz ist Pflicht

Fehlt der Ortsbezug, muss dies klar kommuniziert werden. Ein kleiner Hinweis reicht nicht. Verbraucher müssen die Herkunft auf den ersten Blick erkennen können.

c) Kreative Wortspiele schützen nicht

Auch Fantasiebezeichnungen wie "Reeper B." werden rechtlich durchleuchtet. Entscheidend ist, ob der durchschnittliche Verbraucher damit eine bestimmte Erwartung verbindet.

Unsere Einschätzung als Kanzlei

Das Urteil des LG Hamburg ist ein Leitfaden für alle Unternehmen, die mit regionalen Begriffen werben. Es zeigt, dass Gerichte bei Herkunftsangaben streng prüfen, wie Verbraucher solche Aussagen verstehen und welche Erwartungen dadurch geweckt werden.

Gern prüfen wir Ihre Produktkennzeichnung oder Werbematerialien auf rechtliche Risiken und beraten Sie zur zulässigen Verwendung von geographischen Herkunftsbezeichnungen.

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