Warnhinweise auf Zigarettenpackungen dürfen in Tabakläden nicht verdeckt werden

Mit seinem Urteil vom 29. November 2023 hat das Kammergericht (KG) Berlin ein bedeutsames Zeichen für den Gesundheits- und Verbraucherschutz gesetzt: Warnhinweise auf Zigarettenpackungen dürfen in Tabakläden nicht verdeckt werden. Das betrifft insbesondere die teils drastischen Bildhinweise („Schockbilder“), die seit der Tabakproduktrichtlinie 2014/40/EU auf Verpackungen vorgeschrieben sind.
Diese Entscheidung bringt Klarheit für den Einzelhandel mit Tabakwaren – insbesondere für Fachgeschäfte – und unterstreicht die Pflicht zur ungehinderten Sichtbarkeit gesundheitsbezogener Hinweise.
Sachverhalt des Falls
Die Beklagte betreibt bundesweit Tabakläden, u. a. unter dem Markennamen Barbarino. In einer Filiale in Berlin wurden Tabakerzeugnisse in einem Regal hinter dem Verkaufstresen präsentiert. Die Zigarettenpackungen waren nach Hersteller und Produktsorte sortiert und standen in Reihen in offenen Fächern.
Vor den ersten Reihen der Packungen befanden sich Produktkarten in durchsichtigen Halterungen. Diese Karten dienten der Kennzeichnung der jeweiligen Produktmarke und Sorte. Sie verdeckten jedoch einen entscheidenden Teil der Verpackung – die gesundheitsbezogenen Warnhinweise, insbesondere die Bildwarnungen, waren für die Kunden beim Blick auf das Regal nicht oder nur teilweise sichtbar.
Die Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv) sah darin einen klaren Verstoß gegen die Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV), insbesondere gegen § 15 Abs. 1, und klagte auf Unterlassung.
Rechtliche Grundlage: Warnhinweise auf Tabakerzeugnissen
Seit Umsetzung der EU-Tabakproduktrichtlinie (2014/40/EU) gilt in Deutschland u. a. folgendes:
- Gesundheitswarnhinweise müssen auf jeder Packung und jeder Außenverpackung von Tabakerzeugnissen sichtbar, dauerhaft, unveränderlich und unverdeckbar angebracht sein.
- Nach § 15 Abs. 1 TabakerzV dürfen die Warnhinweise nicht durch andere Elemente überdeckt oder unterbrochen werden.
- Die Richtlinie verfolgt das Ziel, potenzielle Käufer vom Kauf gesundheitsschädlicher Produkte abzuhalten, insbesondere durch Schockbilder und drastische Textwarnungen wie „Rauchen tötet“.
Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Az.: 23 U 48/18)
Das KG Berlin entschied zugunsten des vzbv und verpflichtete die Beklagte, die teilweise Verdeckung der Warnhinweise künftig zu unterlassen.
Zentrale Argumente des Gerichts:
1. Zweck der Warnhinweise: Wirkung auf die Kaufentscheidung
Das Gericht stellte klar: Der Gesetzgeber verfolge mit dem Verdeckungsverbot das Ziel, dass Verbraucher vor dem Kauf mit den gesundheitlichen Risiken konfrontiert werden. Die Warnhinweise sollen nicht nur informieren, sondern gezielt Kaufimpulse dämpfen.
Wörtlich heißt es:
„Das Verdeckungsverbot (...) dient ausweislich (...) der Gewährleistung von Integrität und Sichtbarkeit der gesundheitsbezogenen Warnhinweise und der Maximierung ihrer Wirkung.“
Damit soll sichergestellt werden, dass Verbraucher die Hinweise wahrnehmen und diese in ihre Kaufentscheidung einbeziehen können.
2. Visuelle Präsentation beeinflusst den Kaufimpuls
Das Gericht verweist auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH), wonach bereits das bloße Anschauen einer Zigarettenpackung einen Kaufimpuls auslösen kann. Deshalb sei es entscheidend, dass die Warnhinweise vollständig sichtbar sind, um diesem Impuls entgegenzuwirken.
Im konkreten Fall waren die Schockbilder durch die Produktkarten systematisch verdeckt, obwohl die Packungen grundsätzlich sichtbar waren. Das verletze den Zweck des Gesetzes unmittelbar.
3. Tabakladen ≠ Warenautomat
Ein weiteres Argument der Beklagten war, dass auch Zigarettenautomaten einen Kaufimpuls auslösen, obwohl dort keine „echten“ Verpackungen gezeigt werden.
Das KG entgegnete: An Automaten sind die Abbildungen mit Warnhinweisen versehen, zudem werde die Verpackung dort nicht direkt gezeigt, sondern nur ein Bild.
„Die Packung ist hier trotz der Produktkarten teilweise sichtbar, mit Ausnahme der Schockbilder (…) Dies zeigt sich insbesondere bei den oberen Reihen des Regals.“
Im Tabakladen hingegen sei die Originalverpackung direkt im Sichtfeld der Kunden. Auch bei teilweiser Sichtbarkeit sei die Wirkung der Warnhinweise entscheidend. Durch das gezielte Verbergen der Schockbilder werde die Intention des Gesetzgebers unterlaufen.
4. Verletzung der Integrität der Warnhinweise
Die Sichtweise des Gerichts: Auch eine teilweise Verdeckung reicht aus, um die gesetzliche Vorgabe zu verletzen. Entscheidend sei nicht die Intention des Verkäufers, sondern die objektive Wirkung auf die Kunden.
Die Aufstellung von Produktkarten sei eine aktive Handlung, die gezielt die Sicht auf die Warnhinweise beeinträchtige. Damit werde das Integritätsgebot der Verpackung verletzt, das auf maximale Sichtbarkeit und Wirkung abzielt.
Bedeutung für die Praxis – Was müssen Tabakhändler jetzt beachten?
1. Produktkarten dürfen Warnhinweise nicht verdecken
- Auch durchsichtige Halterungen oder Karten, die nur „einen Teil“ der Warnhinweise verdecken, sind unzulässig.
- Besonders die Schockbilder müssen vollständig sichtbar bleiben – bei jeder Perspektive des Kunden.
2. Gestaltung der Regale prüfen
- Regalsysteme hinter dem Tresen müssen so gestaltet werden, dass die Packungen ungehindert sichtbar sind.
- Händler sollten auf Produktkarten verzichten oder diese so platzieren, dass keine Berührung mit dem Sichtfeld der Warnhinweise erfolgt.
Fazit: Sichtbarkeit schützt Leben – und Händler vor Abmahnungen
Mit seinem Urteil hat das Kammergericht Berlin unmissverständlich klargemacht, dass die gesetzlichen Warnhinweise auf Zigarettenverpackungen nicht nur formal vorhanden, sondern auch tatsächlich sichtbar sein müssen – und zwar im gesamten Verkaufskontext.
Das betrifft auch Tabakläden, in denen die Produkte hinter dem Tresen aufgestellt sind. Verdeckende Elemente wie Produktkarten verstoßen gegen die TabakerzV und die zugrundeliegenden EU-Richtlinien.
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