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Wahlrecht bei Berechnung des Schadensersatzes

BGH, Urteil vom 17.06.1992, Az. I ZR 107/90
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Im Falle der vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung eines Immaterialgüterechtes ist der Verletzter gegenüber dem Schutzrechtsinhaber schadenersatzpflichtig. Dem Gläubiger steht traditionell eine dreifache Art der Schadensberechnung zu. Er ist berechtigt, von einem Wahlrecht zu einem anderen überzugehen. Sein Rechtsanspruch erlischt erst mit Erfüllung oder rechtskräftiger Zuerkennung des Anspruchs. Das Wahlrecht des Gläubigers wird durch Einlegung einer Zahlungsklage, mit der er sich für eine Berechnungsart entschieden hat, nicht berührt. Die Höhe einer fiktiven Lizenz richtet sich danach, ob und in welchem Umfang das unlauter nachgeahmte Erzeugnis zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung bereits in seinem Wert beeinträchtigt war. An die regelmäßig natürlichen Beweisschwierigkeiten im Wettbewerbsrecht sind keine hohen Anforderungen zu stellen.

Das Gericht hat im Fall einer zweifelsfreien Beweislage des Schadens eine Schätzung des Mindestschadens vorzunehmen. Die Schadensberechnung geht im Wege der Lizenzanalogie von einem fiktiven Lizenzvertrag zwischen dem Verletzter und dem Gläubiger aus. Der fiktive Lizenznehmer ist nicht berechtigt, eine Schadensminderung geltend zu machen, wenn sich das Vertragsrisiko zum Zeitpunkt des Abschlusses des fiktiven Lizenzvertrages (Zeitpunkt der Rechtsverletzung) zu seinem Nachteil entwickelt hat. Das OLG hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass dem Gläubiger zum Zeitpunkt der Klageerhebung unter Zugrundelegung einer Schadensberechnungsart weiterhin das Wahlrecht zwischen den einzelnen Berechnungsarten im Wege der Lizenzanalogie zusteht. Dieses Wahlrecht stellt keine unzulässige Verquickung verschiedener Berechnungsarten dar. Der Gläubiger muss jederzeit in der Lage sein, auf Änderungen der Beweis- und Sachlage zu reagieren, die sich regelmäßig während des Verfahrens aus dem Prozessvorbringen der Parteien ergibt.

Der BGH folgt der Rüge der Revisionsinstanz nicht, die auf eine fehlerhafte Beurteilung der Schadenslage durch das OLG abstellt. Die Revision rügt unrechtmäßig, kein vernünftiger Lizenznehmer würde eine Lizenz mit dem Lizenzgeber vereinbaren, die jeden zu erwartenden Gewinn aufzehren werde. Die Sachlage wird durch die erheblich widersprüchlichen Einschätzungen der Verfahrensparteien geprägt. Der BGH stellt fest, das OLG hat die die widerstreitenden Interessen der Parteien rechtsfehlerfrei beurteilt und objektive Anhaltspunkte zugrunde gelegt, die sich vernünftigen Vertragsparteien bei streitiger Sachlage und dem damit verbundenen Vereinbarungszwang ergeben hätten. Das maßgebliche Schätzungskriterium ist der Wert des verletzten Rechtsgutes zum Zeitpunkt der fiktiven Lizenzvergabe, also zum Zeitpunkt der eingetretenen Verletzung. Hierbei müssen auch tolerierte Nachahmungen berücksichtigt werden, die dazu geeignet sind, den Wert des verletzten Rechtsgutes in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise zu mindern. Anderweitige Gestattungen schließen die Möglichkeit einer Schadensberechnung nach entgangener Lizenz nicht grundsätzlich aus. Sie stehen der Berücksichtigung der wertbeeinträchtigenden Benutzungshandlungen bei der Schätzung der Lizenzhöhe nicht im Wege.

Das OLG hat keine Feststellungen zu anderweitigen Nachahmungen getroffen. Dieses Versäumnis ist nachzuholen und in die Schätzungsüberlegungen einzubeziehen. Selbst im Fall erheblicher Verletzungshandlungen kann eine nur begrenzte Minderung der Lizenz in Betracht kommen. Der Ruf und der Prestigewert der streitgegenständlichen Erzeugnisse zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung ist in die Schadensbemessung mit einzubeziehen. Dabei muss zwar von erheblichen Nachahmungen und mit graduellen Abstufungen des Rufes des geschädigten Rechtsgutes ausgegangen werden, die sich aus diesen zusätzlichen Feststellungen ergeben können. Sie dürfen jedoch nicht den Bereich von 20 bis 30 Prozent der Wertminderung übersteigen. In diesem Fall erfolgt eine Zurückverweisung des Rechtsstreites.

Steht ein Verletzungsschaden aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung fest, der nicht im Verantwortungsbereich des geschädigten Rechtsinhabers liegt, ist das Gericht nicht berechtigt, diesen Schaden zu Lasten des Lizenzinhabers festzustellen. Es hat im Weg der Schätzung einen Mindestschaden festzustellen, wenn nicht jeglicher Anhaltspunkt fehlt. Das OLG hat zu Recht festgestellt, dass sich die unlautere Nachahmung einer Prestigemarke umsatzfördernd auf die verletzende Billigmarke auswirkt. Das Gericht hat den Gewinn auf dieser Grundlage mit einer gewissen Quote zu ermitteln, wobei es regelmäßig nicht darauf ankommt, ob diese Quote exakt der Wirklichkeit entspricht. Der im Wege der Schätzung ermittelte Schadensbetrag übersteigt nicht den nach entgangener fiktiven Lizenz berechneten Schaden. In dieser Hinsicht ist die vom OLG versäumte Feststellung des Verletzergewinns nicht mehr schädlich.

BGH, Urteil vom 17.06.1992, Az. I ZR 107/90

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