Videoüberwachung im Fitnessstudio ist Datenschutzverstoß

Die Videoüberwachung von Kundenräumen ist ein heikles Thema, besonders im Fitnessstudio. Betreiber möchten Diebstähle verhindern und die Sicherheit ihrer Kunden gewährleisten. Doch was ist, wenn die Kameras intime Bereiche erfassen, in denen sich Menschen umziehen, duschen oder in Sportkleidung bewegen? Die Grenze zur Datenschutzverletzung ist schnell überschritten.
Ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig (Beschl. v. 14.07.2023 – Az. 4 LA 11/20) befasst sich mit einem besonders sensiblen Fall: Die Betreiberin eines Fitnessstudios hatte über Jahre hinweg Videoaufnahmen aus der Herrenumkleide, der Trainingsfläche und dem Aufenthaltsbereich angefertigt. Die zuständige Datenschutzbehörde untersagte diese Praxis. Die Betreiberin klagte dagegen – und verlor in zwei Instanzen.
Der Sachverhalt im Detail
Die Antragstellerin betreibt ein Fitnessstudio. Sie installierte mehrere Videokameras, die folgende Bereiche erfassten:
- Herrenumkleide: ein besonders sensibler Bereich, in dem sich Kunden umziehen,
- Trainingsfläche: wo sich Kunden teils in engen Sportklamotten bewegen,
- Aufenthaltsbereich: der für Pausen oder Gespräche gedacht ist.
Die Kameras liefen dauerhaft und übermittelten die Aufnahmen in Echtzeit auf Monitore, die vom Personal eingesehen werden konnten. In der Herrenumkleide erfolgte sogar eine permanente Aufzeichnung.
Die Datenschutzbehörde stufte dies als gravierenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen ein. Die Aufsichtsbehörde ordnete daher an, die Überwachung einzustellen und die Kameras zu entfernen.
Die Betreiberin legte Widerspruch ein und argumentierte:
- Die Überwachung diene dem Schutz vor Diebstahl und der allgemeinen Sicherheit.
- Die Kunden hätten der Überwachung stillschweigend zugestimmt, da Hinweisschilder auf die Kameras aufmerksam machten.
- In anderen Bereichen des öffentlichen Lebens, wie dem ÖPNV, sei Überwachung ebenfalls erlaubt.
Nachdem das Verwaltungsgericht Schleswig diese Argumente zurückwies, legte die Betreiberin Berufung beim OVG Schleswig ein. Doch auch hier hatte sie keinen Erfolg.
Rechtlicher Rahmen: DSGVO und altes BDSG
Zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung war noch der § 6b BDSG a.F. maßgeblich. Inzwischen wird Videoüberwachung durch die DSGVO und das aktuelle Bundesdatenschutzgesetz (BDSG-neu) geregelt.
Grundsätze für eine zulässige Videoüberwachung (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO):
- Es muss ein berechtigtes Interesse an der Überwachung bestehen.
- Die Überwachung muss erforderlich sein.
- Die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person dürfen nicht überwiegen.
Im Fokus steht also immer eine Interessenabwägung.
Entscheidungsgründe des OVG Schleswig im Detail
Das OVG Schleswig bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Die wichtigsten Argumentationslinien im Einzelnen:
1. Kein berechtigtes Interesse der Betreiberin
Das Gericht sah kein berechtigtes Interesse, das eine derart invasive Überwachung rechtfertigen könnte:
- Die Betreiberin nannte zwar "Sicherheitsinteressen" und "Diebstahlschutz" als Zweck,
- Ließ jedoch offen, welche konkreten Vorfälle es gegeben habe.
- Es fehlte eine dokumentierte Gefährdungsanalyse, die eine Überwachung erforderlich machen würde.
2. Massive Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Besonders scharf kritisierte das Gericht die Überwachung der Herrenumkleide:
- Dort sei die Intimsphäre besonders betroffen,
- Besucher müssten dort nicht mit permanenter Überwachung rechnen,
- Die Aufzeichnung verletze das Recht am eigenen Bild, die Privatsphäre und das allgemeine Persönlichkeitsrecht.
3. Kein Vergleich mit ÖPNV zulässig
Die Betreiberin argumentierte, dass im Öffentlichen Personennahverkehr (z. B. Bus, Bahn) ebenfalls Kameras erlaubt seien. Das OVG entgegnete:
"Die Zulässigkeit einer Datenverarbeitung bei anderer Sachlage kann nicht das Vorliegen der Voraussetzungen im vorliegenden Fall begründen."
- Im ÖPNV bestehen andere Interessenlagen (z. B. Terrorabwehr, Gewaltprävention),
- Die Fahrgäste befinden sich in öffentlichen Räumen, nicht in privaten oder halbprivaten Bereichen,
- In einer Umkleidekabine sei der Schutz der Intimsphäre weitaus höher zu gewichten.
4. Freiwilligkeit der Kunden irrelevant
Die Betreiberin argumentierte, dass die Kunden das Studio freiwillig aufsuchten und sich der Überwachung bewusst seien. Das Gericht wies dies zurück:
- Das Vorhandensein von Kameras nehme den Kunden die Wahlfreiheit, da keine nicht-überwachte Alternative existierte,
- Eine stillschweigende Duldung sei kein ausdrückliches Einverständnis,
- Eine pauschale Zustimmung sei keine wirksame Einwilligung nach DSGVO.
5. Keine sachgerechte Interessenabwägung durch die Betreiberin
Laut OVG hätte die Betreiberin darlegen müssen,
- warum überhaupt eine Überwachung notwendig sei,
- welche Risiken konkret bestehen,
- warum mildere Mittel (z. B. Personal, Spindschlösser, Alarmanlagen) nicht ausreichen.
All das sei unterblieben. Damit fehle es bereits am ersten Glied der datenschutzrechtlichen Prüfungskette.
Konsequenzen des Urteils für Fitnessstudio-Betreiber
1. Videoüberwachung nur mit klarer Rechtsgrundlage
Fitnessstudios dürfen nur dort Kameras installieren, wo:
- ein berechtigtes Interesse besteht,
- keine besonders sensiblen Bereiche betroffen sind,
- und der Eingriff in die Privatsphäre gering ist (z. B. Empfangsbereich).
2. Umkleiden, Duschen, Trainingsflächen sind tabu
Die Überwachung solcher Bereiche ist regelmäßig unzulässig, insbesondere:
- wenn Personen sich dort entkleiden,
- wenn sie in entspannter Atmosphäre verweilen,
- oder wenn die Überwachung keinen nachweisbaren Sicherheitsnutzen bringt.
3. Datenschutz-Folgenabschätzung prüfen
Nach Art. 35 DSGVO ist bei sensiblen Bereichen stets zu prüfen:
- Wie hoch ist das Risiko für die Rechte der Betroffenen?
- Gibt es Alternativen zur Kamera?
- Ist die Aufzeichnung notwendig oder reicht eine Liveübertragung?
Fazit: Klare Grenzen für Kameras im Fitnessstudio
Das Urteil des OVG Schleswig zeigt deutlich: Betreiber müssen ihre Sicherheitsinteressen genau gegen die Grundrechte der Betroffenen abwägen. Besonders in Bereichen mit hoher Intimität ist eine Videoüberwachung grundsätzlich unzulässig.
Wer gegen diese Regeln verstößt, riskiert nicht nur verwaltungsrechtliche Sanktionen und Bußgelder nach Art. 83 DSGVO, sondern auch zivilrechtliche Klagen von Kunden.
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Sicherheit ja – aber nicht auf Kosten der Grundrechte! Lassen Sie sich fachkundig beraten, bevor Kameras zum juristischen Problem werden.
Ansprechpartner
Dipl. Wirtschaftsjurist / FH Killian Hedrich
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