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Vertragsstrafe: Alles Wichtige in einem Leitfaden

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Wer eine Unterlassungserklärung abgibt, verpflichtet sich, ein bestimmtes Verhalten nicht mehr zu wiederholen – doch was passiert, wenn gegen diese Verpflichtung verstoßen wird? In diesem Fall greift die sogenannte Vertragsstrafe, ein zentrales Instrument zur Ahndung von Rechtsverstößen. Sie dient nicht nur als Abschreckung, sondern auch als pauschalierter Schadensersatz, um dem Gläubiger langwierige Nachweise über finanzielle Schäden zu ersparen.

Aber welche Höhe ist bei einer Vertragsstrafe angemessen? Wann muss die Vertragsstrafe gezahlt werden? Gibt es Möglichkeiten, sie zu reduzieren? Insbesondere im Wettbewerbsrecht, bei Markenrechtsverletzungen oder im Bereich Geheimhaltungsvereinbarungen sind Vertragsstrafen gängige Praxis – und häufig Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen.

In diesem Beitrag erfahren Sie:

Was eine Vertragsstrafe genau ist und welche Funktion sie hat
Unter welchen Voraussetzungen wird eine Vertragsstrafe fällig?
Welche rechtlichen Grundlagen und Urteile hierbei relevant sind
Wie Sie sich gegen überhöhte oder ungerechtfertigte Vertragsstrafen wehren können

Egal, ob Sie eine Unterlassungserklärung abgegeben haben oder mit der Durchsetzung einer Vertragsstrafe konfrontiert sind – hier finden Sie alle wichtigen Informationen zu Ihren Rechten und Pflichten!



Das Wichtigste in Kürze:

  • Definition und Zweck: Eine Vertragsstrafe ist ein vertraglicher Zahlungsanspruch, kein Schadensersatzanspruch. Sie dient der Abschreckung und der pauschalierten Kompensation eines Verstoßes, ohne dass ein konkreter Schaden nachgewiesen werden muss.
  • Keine Anwaltskostenersatzfähigkeit: Vorgerichtliche Anwaltskosten sind in der Regel nicht ersatzfähig, da die Vertragsstrafe kein Schadensersatzanspruch ist. Ein Erstattungsanspruch besteht erst bei nachweislichem Verzug oder in gerichtlichen Verfahren.
  • Besonderheiten im UWG: Für Vertragsstrafen im Wettbewerbsrecht schließt § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG die Erstattung auf Abmahnungen ein, jedoch nicht auf die Geltendmachung von Vertragsstrafen. Ansprüche nach Geschäftsführung ohne Auftrag sind ebenfalls ausgeschlossen.

 

Übersicht

Was ist eine Vertragsstrafe bei Unterlassungserklärungen?
Was heißt Bedingungsfeindlichkeit bei Unterlassungserklärungen?
Wie sind Unterlassungserklärungen auszulegen?
Was bedeutet die Kerntheorie bei Unterlassungsverträgen?
Was ist der neue Hamburger Brauch?
Gibt es unwirksame Vertragsstrafeversprechen?
Wie werden Unterlassungsverträge ausgelegt?
Was passiert bei mehreren Verletzungen?
Wie hoch sind Vertragsstrafen?
Kann man Vertragsstrafen herabsetzen?
Welches Gericht ist bei Klagen wegen Vertragstrafen zuständig?
Gibt es eine Rechtsnachfolge bei Vertragsstrafen?
Sind Anwaltskosten bei Geltendmachung einer Vertragsstrafe ersatzfähig?

 

Was ist eine Vertragsstrafe bei Unterlassungserklärungen?

Die Vertragsstrafe ist ein wesentlicher Bestandteil von strafbewehrten Unterlassungserklärungen und spielt eine zentrale Rolle bei der Ahndung von Rechtsverstößen. Sie dient sowohl als Abschreckungsinstrument als auch als pauschalierter Schadensersatz. Insbesondere in Fällen wie Markenrechtsverletzungen, Wettbewerbsverstößen oder vertraglichen Verpflichtungen (z. B. Geheimhaltungs- oder Kundenschutzvereinbarungen) ist die Vertragsstrafe ein unverzichtbares Mittel zur Durchsetzung von Rechten.

Was ist eine Vertragsstrafe bei Unterlassungserklärungen?

Eine Vertragsstrafe verpflichtet denjenigen, der eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, im Falle eines erneuten Verstoßes gegen die Unterlassungspflicht eine angemessene Geldsumme zu zahlen. Diese Strafe wird häufig auch als Konventionalstrafe oder Pönale bezeichnet. Die Zusicherung einer solchen Strafe macht die Unterlassungserklärung rechtlich ernsthaft und durchsetzbar. Ohne diese Zusicherung würde eine solche Erklärung häufig als unverbindlich oder bloßes Lippenbekenntnis angesehen.

Zweck und Funktion der Vertragsstrafe

  1. Abschreckung: Die Vertragsstrafe übt Druck auf den Abgemahnten aus, um sicherzustellen, dass er das beanstandete Verhalten künftig unterlässt. Sie ist damit ein wirksames Mittel, um Rechtsverstöße dauerhaft zu unterbinden.
  2. Pauschalierter Schadensersatz: Der Gläubiger erhält im Falle eines erneuten Verstoßes eine festgelegte Geldsumme, ohne den oft schwierigen Nachweis eines konkreten Schadens führen zu müssen. Damit wird das Verfahren für den Geschädigten erheblich erleichtert.
  3. Rechtssicherheit: Durch die Vertragsstrafe wird die Unterlassungserklärung zu einem rechtlich bindenden Instrument. Der Abgemahnte verpflichtet sich verbindlich, das beanstandete Verhalten zu unterlassen, andernfalls drohen ihm finanzielle Konsequenzen.

Voraussetzungen für die Zahlung der Vertragsstrafe

Die Zahlungspflicht der Vertragsstrafe ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden:

  1. Schuldhaftes Verhalten: Die Zahlung der Vertragsstrafe setzt voraus, dass der Abgemahnte oder Vertragspartner schuldhaft gegen die Unterlassungspflicht verstößt. Ein schuldhaftes Verhalten wird jedoch in der Regel vermutet, sodass der Abgemahnte den Gegenbeweis antreten muss.
  2. Fahrlässigkeit genügt: Es ist nicht erforderlich, dass der Verstoß absichtlich erfolgt. Auch fahrlässige Verstöße lösen die Vertragsstrafe aus. Ein Beispiel dafür ist, wenn ein Mitarbeiter versehentlich gegen die Unterlassungspflicht handelt.
  3. Zurechnung des Verhaltens von Dritten: Der Schuldner haftet nicht nur für sein eigenes Verhalten, sondern auch für das Verhalten von Erfüllungsgehilfen wie Mitarbeitern, Beauftragten oder externen Dienstleistern. Diese Zurechnung erfolgt gemäß § 278 BGB, der das Handeln Dritter dem Schuldner zurechnet.

Die Rolle von Erfüllungsgehilfen

Erfüllungsgehilfen sind Personen oder Unternehmen, die der Schuldner beauftragt, eine bestimmte Aufgabe auszuführen. In rechtlicher Hinsicht haftet der Schuldner für das Verhalten dieser Hilfspersonen, als hätte er selbst gegen die Unterlassungspflicht verstoßen.

Beispiele für Erfüllungsgehilfen:

  • Eine Werbeagentur, die im Auftrag eines Unternehmens Werbemaßnahmen durchführt, aber dabei gegen die Unterlassungspflicht verstößt, wird dem Auftraggeber als Erfüllungsgehilfe zugerechnet.
  • Plattformen wie Immowelt oder ImmoScout, die Inserate für Makler veröffentlichen, gelten ebenfalls als Erfüllungsgehilfen. Verstöße durch diese Plattformen können Vertragsstrafen für den Makler auslösen (LG Memmingen, Az. 1 HK O 137/18).

Rechtliche Grundlage:

Die unternehmerische Selbstständigkeit eines Erfüllungsgehilfen steht der Haftung nicht entgegen. Entscheidend ist, dass die Hilfsperson mit dem Willen des Schuldners tätig wird, um dessen Verpflichtungen zu erfüllen.

Anwendungsbereiche der Vertragsstrafe

  1. Abmahnungen Vertragsstrafen sind ein zentraler Bestandteil von Abmahnungen, die häufig bei Rechtsverletzungen wie Markenrechtsverletzungen, Urheberrechtsverletzungen oder Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht auftreten. Nach der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist der Abgemahnte verpflichtet, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Ein erneuter Verstoß zieht die Zahlung der Vertragsstrafe nach sich.
  2. Vertragliche Verpflichtungen Neben Abmahnungen finden Vertragsstrafen auch Anwendung in vertraglichen Regelungen. Beispiele sind:
    • Geheimhaltungsvereinbarungen: Die Vertragsstrafe sichert hier die vertrauliche Behandlung von Informationen.
    • Kundenschutzvereinbarungen: Sie verhindern, dass Geschäftspartner Kunden abwerben.

Besonderheiten bei Rechtsverletzungen im Internet

Verstöße gegen Unterlassungspflichten im Internet haben oft eine größere Tragweite, da Inhalte leicht weiterverbreitet werden können. Gerichte haben entschieden, dass der Abgemahnte nicht nur das beanstandete Verhalten einstellen muss, sondern auch Folgeverpflichtungen hat.

Pflichten zur Bereinigung des Google Caches:

Um eine Vertragsstrafe zu vermeiden, muss der Abgemahnte sicherstellen, dass alte Inhalte vollständig entfernt werden. Dazu gehört auch die Bereinigung des Google Caches, um sicherzustellen, dass die beanstandeten Inhalte nicht weiterhin über Suchmaschinen zugänglich sind. Unterbleibt dies, entsteht eine Haftung auf Vertragsstrafe.

Praktische Beispiele

  1. Markenrechtsverletzung: Ein Unternehmen verwendet unrechtmäßig eine geschützte Marke auf seiner Website. Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verpflichtet sich das Unternehmen, die Marke nicht weiter zu nutzen. Ein erneuter Verstoß, etwa durch einen Mitarbeiter oder eine beauftragte Werbeagentur, löst die Vertragsstrafe aus.
  2. Geheimhaltungsvereinbarung: Ein ehemaliger Mitarbeiter gibt vertrauliche Informationen an Dritte weiter, obwohl er eine Geheimhaltungsvereinbarung mit Vertragsstrafe unterzeichnet hat. Die Strafe wird fällig, auch wenn der Verstoß fahrlässig geschah.

Die Vertragsstrafe ist ein wirksames und vielseitiges Mittel, um Verstöße gegen Unterlassungspflichten oder vertragliche Verpflichtungen zu ahnden. Sie kombiniert Abschreckung mit Schadenskompensation und sorgt dafür, dass Unterlassungserklärungen rechtlich ernst genommen werden. Besonders im digitalen Kontext ist sie von großer Bedeutung, da die Verbreitung von Inhalten oft schwer zu kontrollieren ist. Durch die Zurechnung des Verhaltens von Erfüllungsgehilfen wird sichergestellt, dass der Schuldner umfassend für die Einhaltung seiner Pflichten verantwortlich bleibt.

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Was heißt Bedingungsfeindlichkeit bei Unterlassungserklärungen?

Der Begriff Bedingungsfeindlichkeit bedeutet, dass eine Unterlassungserklärung nicht unter Bedingungen gestellt werden darf, damit sie rechtlich wirksam ist. Dies ist eine zentrale Anforderung im Abmahnverfahren, insbesondere bei der Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen.

Was bedeutet Bedingungsfeindlichkeit konkret?

Eine Unterlassungserklärung muss eine unbedingte und vorbehaltlose Verpflichtung enthalten, das beanstandete Verhalten zu unterlassen. Sie darf keine Einschränkungen, Bedingungen oder Vorbehalte enthalten, die die Verpflichtung relativieren oder von bestimmten Umständen abhängig machen. Nur so wird sichergestellt, dass die Erklärung rechtlich bindend und ernsthaft ist.

Rechtliche Grundlage der Bedingungsfeindlichkeit

Die Bedingungsfeindlichkeit ergibt sich aus der Rechtsprechung, die Unterlassungserklärungen als eine Art Vertrag zwischen dem Gläubiger (dem Abmahner) und dem Schuldner (dem Abgemahnten) betrachtet. Eine bedingte Verpflichtung würde die Wirksamkeit und den Zweck der Unterlassungserklärung gefährden, da der Gläubiger dadurch keine klare und verlässliche Zusicherung erhielte.

Beispiele für bedingte Unterlassungserklärungen

  1. Unzulässige Bedingung: Der Abgemahnte erklärt, das beanstandete Verhalten nur dann zu unterlassen, wenn ein Gericht die Rechtsverletzung endgültig bestätigt.
    • Grund: Der Gläubiger hätte keinen verlässlichen Schutz, da die Unterlassungserklärung erst nach einer gerichtlichen Entscheidung greifen würde.
  2. Unzulässiger Vorbehalt: Der Abgemahnte erklärt, die Unterlassungspflicht nur unter dem Vorbehalt einer Überprüfung durch seine Rechtsabteilung einzuhalten.
    • Grund: Dies relativiert die Bindungswirkung und signalisiert keine eindeutige Unterlassungsabsicht.
  3. Zeitliche Einschränkung: Der Abgemahnte verpflichtet sich, das Verhalten nur für einen begrenzten Zeitraum zu unterlassen (z. B. „nur für ein Jahr“).
    • Grund: Eine Unterlassungserklärung muss dauerhaft gelten, da Rechtsverstöße jederzeit wiederholt werden könnten.

Warum ist die Bedingungsfeindlichkeit wichtig?

Die Bedingungsfeindlichkeit dient dem Schutz des Gläubigers, indem sie sicherstellt, dass:

  1. Der Rechtsverstoß unverzüglich und ohne Einschränkungen unterlassen wird.
  2. Der Gläubiger bei einem erneuten Verstoß ohne weitere rechtliche Auseinandersetzungen direkt eine Vertragsstrafe fordern kann.
  3. Die Erklärung als ernsthafte und rechtlich bindende Zusicherung gewertet wird.

Eine bedingte Erklärung könnte den Eindruck erwecken, dass der Abgemahnte nur zögerlich zur Unterlassung bereit ist oder die Verpflichtung später anfechten möchte. Dies würde den Zweck einer Abmahnung – die schnelle und außergerichtliche Beilegung eines Rechtsstreits – konterkarieren.

Rechtliche Konsequenzen einer bedingten Unterlassungserklärung

  1. Unwirksamkeit: Eine Unterlassungserklärung, die mit unzulässigen Bedingungen versehen ist, wird als unwirksam angesehen. Der Gläubiger kann dann weiterhin rechtliche Schritte einleiten, wie etwa eine einstweilige Verfügung.
  2. Kostenrisiko: Der Abgemahnte riskiert, dass er für die gesamten Prozesskosten aufkommen muss, falls der Gläubiger den Unterlassungsanspruch gerichtlich durchsetzen muss.

Zulässige Einschränkungen: Wann ist eine Unterlassungserklärung dennoch wirksam?

Es gibt bestimmte Fälle, in denen Einschränkungen oder Modifikationen zulässig sein können, ohne die Bedingungsfeindlichkeit zu verletzen:

  • Modifizierte Unterlassungserklärung: Der Abgemahnte kann eine Unterlassungserklärung mit geänderten Formulierungen abgeben, solange diese die wesentlichen Anforderungen erfüllen und keine Bedingungen enthalten.
    • Beispiel: Der Abgemahnte kann die Höhe der Vertragsstrafe nach eigenem Ermessen festlegen, sofern diese angemessen ist.
  • Klarstellungen oder Präzisierungen: Der Abgemahnte kann die Erklärung auf konkrete Handlungen beschränken, die eindeutig mit dem abgemahnten Verhalten in Zusammenhang stehen.

Die Bedingungsfeindlichkeit bei Unterlassungserklärungen stellt sicher, dass diese als rechtlich bindendes und ernsthaftes Versprechen gewertet werden. Bedingungen, Vorbehalte oder Einschränkungen machen die Erklärung unwirksam und können dazu führen, dass der Gläubiger den Unterlassungsanspruch gerichtlich durchsetzen muss. Abgemahnte sollten daher darauf achten, die Unterlassungserklärung klar, unbedingungslos und vorbehaltlos abzugeben, um unnötige Rechtsstreitigkeiten und Kosten zu vermeiden.

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Wie sind Unterlassungserklärungen auszulegen?

Die Auslegung von Unterlassungserklärungen folgt den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung gemäß den §§ 133 und 157 BGB. Im Kern geht es darum, den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien zu ermitteln und die Reichweite der vertraglichen Unterlassungsverpflichtung zu bestimmen. Dabei wird die Erklärung nicht isoliert betrachtet, sondern im Kontext ihres Zustandekommens, ihres Zwecks und der Interessen der beteiligten Parteien analysiert. Unterlassungserklärungen unterscheiden sich dabei erheblich von gerichtlichen Unterlassungstiteln, da sie auf freiwilligen Vereinbarungen beruhen und keinen vollstreckbaren Titel darstellen.

Der Zweck von Unterlassungserklärungen

Unterlassungserklärungen dienen primär dazu, die Wiederholungsgefahr nach einer Rechtsverletzung auszuräumen. Diese Gefahr wird rechtlich vermutet, sobald eine Verletzungshandlung vorliegt, und entfällt nur, wenn der Abgemahnte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt. Ziel ist es, weitere Verstöße zu verhindern und die Einleitung oder Fortführung eines gerichtlichen Verfahrens zu vermeiden.

Die Wiederholungsgefahr umfasst jedoch nicht nur die identische Verletzungsform, sondern auch solche Handlungen, die im Kern gleichartig sind. Das bedeutet, dass sich die Unterlassungspflicht grundsätzlich nicht auf einen exakt beschriebenen Verstoß beschränkt, sondern auch ähnliche Verstöße erfasst, sofern diese den gleichen rechtlichen oder tatsächlichen Kern haben. Der Zweck der Erklärung ist damit regelmäßig weiter gefasst, als es der reine Wortlaut vermuten lässt.

Maßgebliche Grundsätze der Auslegung

Die Auslegung einer Unterlassungserklärung richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung, insbesondere nach §§ 133 und 157 BGB. Das bedeutet, dass sowohl der tatsächliche Wille der Parteien als auch der objektive Sinn und Zweck der Erklärung berücksichtigt werden müssen.

Der tatsächliche Wille der Parteien

Ein zentraler Grundsatz bei der Auslegung ist die Ermittlung des wirklichen Willens der Vertragsparteien. Hierbei werden nicht nur die schriftlichen Formulierungen in der Unterlassungserklärung herangezogen, sondern auch:

  • Die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung,
  • die Vorgeschichte (z. B. Abmahnschreiben und Korrespondenz),
  • die Interessenlage der Parteien und
  • die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Beteiligten.

Zweck der Unterlassungserklärung

Der Zweck einer Unterlassungserklärung ist von entscheidender Bedeutung für ihre Auslegung. Regelmäßig zielt die Erklärung darauf ab, die Vermutung der Wiederholungsgefahr umfassend auszuräumen. Dieser Zweck spricht häufig dafür, dass die Vertragsparteien auch gleichartige Verletzungsformen mit der Erklärung erfassen wollten, es sei denn, eine bewusste Einschränkung wurde klar vereinbart.

Objektive Betrachtung

Neben dem tatsächlichen Willen der Parteien wird auch der objektive Zweck der Erklärung aus der Perspektive eines verständigen Dritten beurteilt. Dabei werden die Umstände des Einzelfalls sowie Treu und Glauben und die Verkehrssitte berücksichtigt (§ 157 BGB). Die Erklärung wird also so ausgelegt, wie ein neutraler Dritter sie unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen würde.

Einflüsse auf die Auslegung

Wortlaut der Erklärung

Der Wortlaut der Unterlassungserklärung ist der erste und wichtigste Anknüpfungspunkt für die Auslegung. Eine klare und eindeutige Formulierung legt nahe, dass die Erklärung in diesem Umfang gilt. Allerdings wird der Wortlaut nicht allein betrachtet; vielmehr wird geprüft, ob die gewählte Formulierung dem tatsächlichen Willen der Parteien entspricht.

Abmahnschreiben und Korrespondenz

Das Abmahnschreiben, auf das die Unterlassungserklärung regelmäßig Bezug nimmt, sowie die nachfolgende Korrespondenz der Parteien spielen eine entscheidende Rolle bei der Auslegung. Sie geben Aufschluss über die Art des beanstandeten Verhaltens, den Umfang der geforderten Unterlassung und die Erwartungen der Parteien.

Im Kern gleichartige Verletzungsformen

Ein wesentlicher Grundsatz bei der Auslegung von Unterlassungserklärungen ist, dass diese nicht nur die konkret bezeichnete Verletzungsform, sondern auch gleichartige Verletzungsformen umfassen. Dies dient dem Zweck, die Wiederholungsgefahr umfassend auszuräumen.

Beispiel: Wenn eine Unterlassungserklärung die Verwendung eines bestimmten irreführenden Werbesatzes verbietet, umfasst die Verpflichtung in der Regel auch ähnliche Aussagen, die denselben irreführenden Eindruck erwecken. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Zweck der Erklärung – die Beseitigung der Wiederholungsgefahr – sonst unterlaufen würde.

Bewusste Beschränkung der Reichweite

Es ist jedoch möglich, dass die Parteien die Unterlassungserklärung bewusst auf eine eng definierte Verletzungsform beschränken. Dies muss sich jedoch klar aus der Erklärung oder den Umständen ergeben. Eine solche Einschränkung könnte etwa durch Formulierungen wie „ausschließlich“ oder „nur in Bezug auf“ erfolgen.

Unterschiede zur Auslegung von Unterlassungstiteln

Ein Unterlassungstitel, der durch ein Gericht ergangen ist, wird deutlich strikter und enger ausgelegt als ein vertraglicher Unterlassungsvertrag. Der Grund hierfür liegt darin, dass ein gerichtlicher Titel einen vollstreckbaren Charakter hat und jede Abweichung vom Wortlaut zu Streitigkeiten über die Vollstreckung führen könnte. Ein vertraglicher Unterlassungsvertrag hingegen kann flexibler ausgelegt werden, insbesondere wenn der Wille der Parteien eine weitere Verpflichtung nahelegt.

Beispiele aus der Praxis

Weite Auslegung

Ein Unternehmen verpflichtet sich, in seiner Werbung keine irreführenden Angaben über die Herkunft eines Produkts zu machen. Die Erklärung verbietet dabei nicht nur die konkrete Formulierung, die Anlass der Abmahnung war, sondern umfasst auch ähnliche Aussagen, die den gleichen Eindruck erwecken.

Enge Auslegung

Eine Unterlassungserklärung bezieht sich ausdrücklich nur auf die Verwendung eines bestimmten Begriffs in einem Werbeslogan. Die Parteien haben dabei klar festgelegt, dass andere Begriffe oder Aussagen nicht von der Unterlassungspflicht erfasst sind.

Die Auslegung von Unterlassungserklärungen erfolgt auf Basis der allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätze. Maßgeblich ist der wirkliche Wille der Parteien, der durch den Wortlaut, die Vorgeschichte und den Zweck der Erklärung bestimmt wird. Während der Wortlaut eine zentrale Rolle spielt, ist die Erklärung regelmäßig weit auszulegen, um gleichartige Verletzungsformen zu erfassen und die Wiederholungsgefahr umfassend auszuräumen. Eine bewusste Einschränkung des Verpflichtungsumfangs ist möglich, muss aber klar und unmissverständlich vereinbart sein. Im Vergleich zu gerichtlichen Unterlassungstiteln bieten vertragliche Unterlassungserklärungen mehr Flexibilität bei der Auslegung, was ihre Bedeutung als Instrument zur außergerichtlichen Konfliktlösung unterstreicht.

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Was bedeutet die Kerntheorie bei Unterlassungsverträgen?

Die Kerntheorie ist ein zentrales Prinzip bei der Auslegung von Unterlassungsverträgen. Sie regelt, wie weit die Verpflichtungen aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung reichen und welche Handlungen davon erfasst sind. Insbesondere besagt die Kerntheorie, dass nicht nur die konkret genannte Verletzungsform, sondern auch alle Handlungen untersagt sind, die im Kern gleichartig sind. Dies dient dem Schutz des Gläubigers und der Durchsetzung der mit dem Vertrag verbundenen Ziele.

Was bedeutet die Kerntheorie?

Die Kerntheorie beschreibt, dass eine Unterlassungserklärung regelmäßig nicht nur die exakt bezeichnete Handlung, die Anlass für die Abmahnung war, verbietet, sondern auch solche Handlungen, die in ihrem Wesen oder ihrem rechtlichen Charakter gleichartig sind. Dies bedeutet, dass geringfügige Abweichungen, die den gleichen rechtlichen Verstoß oder die gleiche rechtswidrige Wirkung haben, ebenfalls von der Unterlassungsverpflichtung erfasst werden.

Die Kerntheorie soll sicherstellen, dass die Verpflichtung des Schuldners nicht durch formale Änderungen oder Tricks umgangen werden kann. Sie zielt darauf ab, die Wiederholungsgefahr umfassend auszuräumen, die nach einer Rechtsverletzung rechtlich vermutet wird.

Zweck der Kerntheorie

Der Zweck der Kerntheorie ist eng mit dem Zweck eines Unterlassungsvertrages verbunden. Nach einer Rechtsverletzung wird davon ausgegangen, dass der Verletzer eine solche Handlung ohne weitere Verpflichtung oder Sanktion erneut begehen könnte. Die Wiederholungsgefahr umfasst dabei nicht nur exakt identische Handlungen, sondern auch ähnliche Handlungen, die das gleiche rechtswidrige Ergebnis herbeiführen.

Die Kerntheorie sorgt dafür, dass die Verpflichtung nicht nur auf die konkreten Umstände eines Einzelfalles beschränkt bleibt, sondern eine umfassende Vermeidung zukünftiger Verstöße sicherstellt. Dies ist besonders wichtig, um die Effektivität von Unterlassungsverträgen zu gewährleisten und den Gläubiger vor erneuten Verletzungen zu schützen.

Anwendung der Kerntheorie: Im Kern gleichartige Verletzungsformen

Was sind im Kern gleichartige Verletzungsformen?

Im Kern gleichartige Verletzungsformen sind solche Handlungen, die in ihrer rechtlichen oder tatsächlichen Wirkung dem ursprünglichen Verstoß entsprechen, auch wenn sie im Detail oder in ihrer konkreten Ausführung leicht abweichen. Entscheidend ist, dass die neue Handlung denselben Rechtsverstoß oder dieselbe rechtswidrige Wirkung aufweist.

Beispiele für im Kern gleichartige Verletzungsformen

  1. Irreführende Werbung: Ein Unternehmen verpflichtet sich, den Werbeslogan „Testsieger 2023“ nicht mehr zu verwenden, da er irreführend ist. Nutzt das Unternehmen stattdessen die Aussage „Marktführer 2025“, obwohl dies ebenfalls unzutreffend ist, handelt es sich um eine im Kern gleichartige Verletzung.
  2. Markenverletzung: Ein Händler gibt eine Unterlassungserklärung ab, keine Produkte mehr unter der Bezeichnung „LuxiPhone“ zu verkaufen, da diese die Marke „iPhone“ verletzt. Verwendet der Händler später die Bezeichnung „LuxPhone“, die weiterhin markenrechtlich problematisch ist, wird auch diese Abwandlung von der Unterlassungspflicht erfasst.
  3. Wettbewerbsverstöße: Ein Einzelhändler verpflichtet sich, keine Lockangebote wie „Laptop für 1 €“ mehr zu machen, bei denen der Vorrat stark begrenzt ist. Führt er später eine Aktion mit einem anderen Produkt unter denselben Bedingungen durch, fällt dies ebenfalls unter die Unterlassungsverpflichtung.

Rechtsgrundlagen der Kerntheorie

Die Kerntheorie ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätigt worden. Ein zentraler Grundsatz dabei ist, dass Unterlassungsverträge dazu dienen, die Wiederholungsgefahr umfassend auszuräumen. Diese Gefahr bezieht sich nicht nur auf exakt identische Verstöße, sondern auch auf Handlungen, die den gleichen Kern haben.

Ein oft zitiertes Urteil ist das des BGH vom 17.07.1997 (Sekundenschnell). Der BGH stellte fest, dass der Zweck eines Unterlassungsvertrages regelmäßig dafürspricht, dass auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfasst werden, sofern der Vertrag nicht ausdrücklich auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist.

Kriterien zur Bestimmung des „Kerns“

Die Frage, ob eine Verletzungsform als im Kern gleichartig anzusehen ist, wird anhand bestimmter Kriterien beurteilt:

  1. Wesensmerkmale der Verletzung: Es wird geprüft, ob die neue Handlung wesentliche Merkmale der ursprünglichen Verletzung teilt. Dazu gehört die rechtliche Qualifikation (z. B. Markenverletzung, irreführende Werbung) und die Art des Rechtsverstoßes.
  2. Gleiche Wirkung: Handlungen, die bei den Betroffenen dieselbe Täuschung, Irreführung oder andere negative Auswirkungen hervorrufen, gelten als gleichartig.
  3. Marginale Unterschiede: Geringfügige Änderungen oder Abweichungen in der Ausführung führen nicht dazu, dass die Handlung aus dem Anwendungsbereich der Unterlassungserklärung herausfällt.
  4. Konkreter Vertragszweck: Der Zweck der Unterlassungserklärung ist zentral. Wird er durch eine neue Handlung unterlaufen, gilt diese in der Regel als im Kern gleichartig.

Grenzen der Kerntheorie

Die Kerntheorie findet ihre Grenzen, wenn die Vertragsparteien ausdrücklich eine enge Begrenzung der Unterlassungspflicht vereinbart haben. Solche Einschränkungen müssen jedoch eindeutig aus dem Wortlaut oder den Begleitumständen hervorgehen. Ohne eine solche klare Begrenzung wird davon ausgegangen, dass auch im Kern gleichartige Verletzungen erfasst sind.

Ein Beispiel für eine bewusste Einschränkung ist die Vereinbarung, dass die Unterlassungspflicht nur für eine bestimmte Formulierung gilt, während ähnliche Formulierungen ausdrücklich ausgeschlossen werden.

Unterschiede zwischen Unterlassungsverträgen und Unterlassungstiteln

Im Gegensatz zu einem gerichtlichen Unterlassungstitel, der strikt nach seinem Wortlaut auszulegen ist, erlaubt die Kerntheorie bei Unterlassungsverträgen eine flexiblere Auslegung. Ein gerichtlicher Titel beschränkt sich häufig auf die konkret genannte Handlung, während ein vertraglicher Unterlassungsvertrag auch gleichartige Handlungen umfassen kann, sofern dies dem Zweck des Vertrages entspricht.

Die Kerntheorie ist ein essenzieller Grundsatz bei der Auslegung von Unterlassungsverträgen. Sie gewährleistet, dass die Verpflichtung des Schuldners nicht auf eine eng definierte Handlung beschränkt bleibt, sondern auch ähnliche Handlungen mit dem gleichen rechtswidrigen Kern erfasst. Dadurch wird der Schutz des Gläubigers gestärkt, und es wird verhindert, dass der Schuldner die Unterlassungserklärung durch marginale Änderungen oder Umgehungshandlungen unterläuft. Gleichzeitig findet die Kerntheorie ihre Grenze in klaren, vertraglich vereinbarten Beschränkungen, die den Umfang der Unterlassungsverpflichtung ausdrücklich definieren. Die Theorie trägt wesentlich dazu bei, die Effektivität von Unterlassungsverträgen in der Praxis zu sichern.

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Was ist der neue Hamburger Brauch?

Der "Hamburger Brauch" bezeichnet eine besondere Form der strafbewehrten Unterlassungserklärung. Anstelle einer festgelegten Vertragsstrafe verpflichtet sich der Unterlassungsschuldner, im Falle eines Verstoßes eine angemessene Vertragsstrafe zu zahlen, deren Höhe vom Unterlassungsgläubiger nach billigem Ermessen festgesetzt wird. Diese Festsetzung kann im Streitfall gerichtlich überprüft werden.

Historisch war es bis 1977 möglich, die Höhe der Vertragsstrafe durch ein Gericht festsetzen zu lassen. Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs ist dies jedoch nicht mehr zulässig. Seitdem muss in der Unterlassungserklärung vereinbart werden, ob der Gläubiger die Vertragsstrafe nach billigem Ermessen festsetzt oder ein Schiedsgericht darüber entscheidet. Fehlt eine solche Vereinbarung, ist die Unterlassungserklärung unwirksam.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass auch nach einem erneuten Verstoß eine weitere Unterlassungserklärung nach dem "Hamburger Brauch" ohne Angabe einer bezifferten Vertragsstrafe ausreichend ist, um die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Dies bedeutet, dass selbst bei wiederholten Verstößen keine konkret bezifferte Vertragsstrafe erforderlich ist.

In der Praxis wird der "Hamburger Brauch" häufig im Marken-, Design- und Wettbewerbsrecht angewendet. Er ermöglicht es, die Höhe der Vertragsstrafe flexibel an die Schwere des Verstoßes anzupassen und berücksichtigt dabei, dass wiederholte Verstöße schwerer wiegen als ein Erstverstoß.

Zusammenfassend bietet der "Hamburger Brauch" eine flexible Möglichkeit, Vertragsstrafen in Unterlassungserklärungen zu gestalten, indem er die Festlegung einer festen Summe vermeidet und stattdessen eine nachträgliche Bestimmung der Strafe ermöglicht.

Lesen Sie zum "Hamburger Brauch" bzw. "Neuen Hamburger Brauch" auch unseren Leitfaden.

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Gibt es unwirksame Vertragsstrafeversprechen?

Vertragsstrafen sind ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung von Unterlassungs- oder Vertragspflichten, insbesondere in Bereichen wie Wettbewerbsrecht, Markenrecht oder in Geschäftsverträgen. Doch nicht jedes Vertragsstrafeversprechen ist wirksam. Zahlreiche gesetzliche und richterliche Vorgaben definieren, wann eine Vertragsstrafenvereinbarung unwirksam ist. Diese Unwirksamkeit kann aus formalen, inhaltlichen oder konzeptionellen Mängeln resultieren.

Grundprinzipien der Wirksamkeit von Vertragsstrafeversprechen

Ein Vertragsstrafeversprechen ist dann wirksam, wenn es den gesetzlichen Anforderungen genügt, insbesondere hinsichtlich:

  • Klarheit und Bestimmtheit: Die Bedingungen und Höhe der Vertragsstrafe müssen eindeutig formuliert sein.
  • Verhältnismäßigkeit: Die Strafe darf nicht unverhältnismäßig hoch sein und muss den Grundsatz der Angemessenheit wahren.
  • Rechtskonformität: Das Versprechen darf nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen.

Häufige Gründe für die Unwirksamkeit

Unbestimmtheit der Vertragsstrafe

Ein Vertragsstrafeversprechen muss präzise festlegen, welche Handlungen oder Unterlassungen sanktioniert werden und wie die Höhe der Strafe bestimmt wird. Ist dies unklar oder unvollständig, ist die Vereinbarung unwirksam.

  • Beispiel 1: Fehlt die Festlegung, durch wen die Höhe der Vertragsstrafe bestimmt wird, bleibt die Vereinbarung unvollständig und somit unwirksam (LG Bielefeld, Urteil vom 21.06.2013, Az. 1 O 227/12).
  • Beispiel 2: Eine Klausel wie „Die Höhe der Vertragsstrafe wird angemessen festgelegt“ ist zu ungenau, da der Maßstab der Angemessenheit fehlt.

Unwirksame Bestimmung durch Dritte

Es ist grundsätzlich zulässig, die Bestimmung der Vertragsstrafe einem Dritten zu übertragen (§§ 315, 317 BGB). Doch dieser Dritte muss willens und fähig sein, die Strafe zu bestimmen. Lehnt der Dritte die Bestimmung ab oder kann er diese nicht durchführen, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen, und die Unterlassungserklärung ist nicht ausreichend (LG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2014, Az. 34 O 35/14).

Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB)

Ein Vertragsstrafeversprechen ist sittenwidrig, wenn die Höhe der Strafe unverhältnismäßig hoch ist oder der Schuldner durch die Vereinbarung unangemessen belastet wird.

  • Beispiel: Eine Vertragsstrafe von 500.000 Euro für einen geringfügigen Verstoß gegen eine Werberegelung würde als sittenwidrig angesehen, da sie in keinem Verhältnis zur Schwere der Handlung steht.

Unangemessene Benachteiligung (§ 307 BGB)

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unterliegt die Vertragsstrafenklausel einer Inhaltskontrolle. Sie ist unwirksam, wenn sie den Schuldner unangemessen benachteiligt.

  • Uneingeschränkter Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs: Der Fortsetzungszusammenhang verhindert, dass bei mehreren ähnlichen Verstößen mehrfach Vertragsstrafen geltend gemacht werden. Eine Klausel, die diesen Zusammenhang vollständig ausschließt, stellt laut OLG Frankfurt eine unangemessene Benachteiligung dar und ist unwirksam (Urteil vom 23.07.2020, Az. 6 U 91/19).
  • Strafversprechen für nicht beeinflussbare Umstände: Der Schuldner darf nicht für Handlungen Dritter, auf die er keinen Einfluss hat, haftbar gemacht werden.

Unwirksame Zweckbindung

Eine Vertragsstrafe darf nicht als Spende an Dritte ausgestaltet sein. Solche Vereinbarungen sind unwirksam, da sie den eigentlichen Zweck der Vertragsstrafe – die Beseitigung der Wiederholungsgefahr – nicht erfüllen (LG Köln, Urteil vom 20.08.2013, Az. 33 O 292/12).

Fehlerhafte Verknüpfung mit Ordnungsmitteln (§ 890 ZPO)

Im Rahmen eines Prozessvergleichs ist es unzulässig, anstelle eines Vertragsstrafeversprechens ein Ordnungsgeld nach § 890 Abs. 2 ZPO anzudrohen. Diese beiden Mechanismen dürfen nicht kombiniert oder als Ersatz füreinander verwendet werden (BGH, Beschluss vom 02.02.2012, Az. I ZB 95/10).

Kriterien für die Verhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe

Die Höhe der Vertragsstrafe muss verhältnismäßig sein und sich am Zweck der Vereinbarung orientieren. Sie darf weder den Gläubiger übermäßig bevorzugen noch den Schuldner übermäßig belasten.

Faktoren, die Gerichte prüfen:

  • Schwere der Pflichtverletzung: Geringfügige Verstöße dürfen keine überhöhten Strafen nach sich ziehen.
  • Wiederholungsgefahr: Eine höhere Strafe kann gerechtfertigt sein, wenn ein hohes Risiko erneuter Verstöße besteht.
  • Wirtschaftliche Verhältnisse des Schuldners: Die Strafe darf den Schuldner finanziell nicht ruinieren.
  • Abschreckungsfunktion: Die Strafe muss eine wirksame Abschreckung darstellen, darf aber nicht als Strafmaßnahme missbraucht werden.

Folgen unwirksamer Vertragsstrafeversprechen

Wenn ein Vertragsstrafeversprechen unwirksam ist, hat dies erhebliche Konsequenzen:

  • Keine Durchsetzbarkeit der Strafe: Der Gläubiger kann die Vertragsstrafe nicht geltend machen. Dies kann dazu führen, dass die Wiederholungsgefahr rechtlich nicht wirksam beseitigt wird.
  • Fortbestand der Wiederholungsgefahr: Ohne wirksame Vertragsstrafe kann die Wiederholungsgefahr bestehen bleiben, was eine gerichtliche Durchsetzung durch einstweilige Verfügung erforderlich machen kann.
  • Unberührtheit des restlichen Vertrages: Die Unwirksamkeit der Vertragsstrafenklausel berührt in der Regel nicht die übrigen Teile des Vertrages (§ 306 BGB).
  • Geltendmachung von Schadensersatz: Der Gläubiger kann stattdessen auf Schadensersatz klagen, wobei er jedoch den tatsächlichen Schaden nachweisen muss.

Praktische Beispiele für unwirksame Vertragsstrafen

Beispiel 1: Fehlende Bestimmtheit

Eine Vertragsstrafe sieht vor, dass „im Fall eines Verstoßes eine angemessene Summe“ gezahlt werden muss, ohne dass definiert wird, was angemessen bedeutet. Die Klausel ist unwirksam.

Beispiel 2: Sittenwidrige Höhe

Ein Arbeitnehmer verpflichtet sich, bei einem Verstoß gegen eine Geheimhaltungsvereinbarung eine Vertragsstrafe von 100.000 Euro zu zahlen. Für eine einmalige Weitergabe einer unwesentlichen Information ist diese Strafe unverhältnismäßig hoch.

Beispiel 3: Unzulässige Zweckbindung

Ein Unternehmen verpflichtet sich, im Falle eines Wettbewerbsverstoßes eine Vertragsstrafe in Form einer Spende an eine wohltätige Organisation zu zahlen. Da dies die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt, ist die Klausel unwirksam.

Ein Vertragsstrafeversprechen ist nur dann wirksam, wenn es klar, verhältnismäßig und rechtskonform ausgestaltet ist. Unwirksamkeit kann durch unbestimmte Formulierungen, überhöhte Strafen, unangemessene Benachteiligungen oder die fehlerhafte Einbindung von Dritten entstehen. Besonders in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder komplexen Vertragsverhältnissen sollten Vertragsstrafen sorgfältig geprüft werden, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Ein unwirksames Vertragsstrafeversprechen erfüllt weder den Zweck, die Wiederholungsgefahr auszuräumen, noch schützt es den Gläubiger effektiv – und kann für beide Parteien erhebliche Nachteile mit sich bringen.

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Wie werden Unterlassungsverträge ausgelegt?

Die Auslegung von Unterlassungsverträgen folgt den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung, insbesondere den §§ 133 und 157 BGB. Ziel ist es, den tatsächlichen Willen der Vertragsparteien und den Zweck des Vertrages zu ermitteln. Dabei wird der Inhalt nicht allein durch den Wortlaut bestimmt, sondern auch durch die Umstände des Vertragsschlusses, die Interessenlage der Parteien und den Zweck der Vereinbarung.

Grundlagen der Auslegung von Unterlassungsverträgen

Vertragsfreiheit und individuelle Gestaltung

Die Vertragsparteien sind bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages weitgehend frei. Diese Freiheit bedeutet, dass der Vertrag individuell angepasst werden kann, sodass die konkrete Vereinbarung stets im jeweiligen Kontext betrachtet werden muss.

Allgemeine Grundsätze der Vertragsauslegung

Die Auslegung eines Unterlassungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB):

  • Tatsächlicher Wille der Parteien (§ 133 BGB): Entscheidend ist, was die Parteien mit der Unterlassungsverpflichtung tatsächlich bezwecken wollten.
  • Objektiver Sinn (§ 157 BGB): Die Erklärung wird nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ausgelegt.

Besondere Bedeutung des Zweckes

Ein Unterlassungsvertrag hat regelmäßig den Zweck, die Wiederholungsgefahr nach einer Rechtsverletzung auszuräumen. Dieser Zweck prägt die Reichweite der Verpflichtung und dient als Leitlinie für die Auslegung.

Maßgebliche Faktoren bei der Auslegung

Wortlaut der Vereinbarung

Der Wortlaut des Vertrages ist der erste Anhaltspunkt für die Auslegung. Er gibt Hinweise darauf, welche Verpflichtungen die Parteien eingegangen sind. Allerdings ist der Wortlaut nicht allein ausschlaggebend, sondern wird im Kontext des gesamten Vertrages und der begleitenden Umstände betrachtet.

Umstände des Vertragsschlusses

Die Art und Weise, wie der Unterlassungsvertrag zustande gekommen ist, spielt eine wichtige Rolle. Dazu gehören:

  • Die Vorgeschichte des Vertrages, insbesondere die zugrunde liegende Abmahnung und die darauffolgende Korrespondenz.
  • Die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Parteien, da diese Rückschlüsse auf die Interessen und Absichten der Vertragsparteien zu lässt.

Zweck der Verpflichtung

Der Zweck eines Unterlassungsvertrages ist regelmäßig, die Wiederholungsgefahr vollständig auszuräumen und ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Daher wird angenommen, dass die Parteien mit dem Vertrag auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten, sofern keine eindeutigen Hinweise auf eine bewusste Einschränkung bestehen.

Reichweite der Unterlassungsverpflichtung

Identische und gleichartige Verletzungsformen

Die vertragliche Unterlassungspflicht umfasst nicht nur die konkret benannte Verletzungsform, sondern auch alle Handlungen, die im Kern gleichartig sind. Dies folgt aus dem Zweck des Vertrages, die Wiederholungsgefahr umfassend auszuräumen.

  • Beispiel: Wenn ein Vertrag die Verwendung eines bestimmten irreführenden Werbeslogans verbietet, schließt die Verpflichtung auch leicht abgeänderte Slogans ein, die denselben irreführenden Eindruck erwecken.

Begrenzung der Reichweite

In Ausnahmefällen kann die Auslegung ergeben, dass die Verpflichtung bewusst auf die konkret genannte Verletzungsform beschränkt ist. Eine solche Einschränkung muss jedoch klar und eindeutig aus der Vereinbarung hervorgehen.

  • Beispiel: Ein Vertrag, der ausdrücklich nur die Verwendung eines bestimmten Wortes untersagt, ohne andere Begriffe oder gleichartige Formulierungen zu erwähnen, wäre auf diese spezifische Form beschränkt.

Vergleichscharakter der Vereinbarung

Eine vereinbarte Formulierung kann den Charakter eines Vergleichs haben. Das bedeutet, dass die Parteien sich bewusst auf eine bestimmte Regelung geeinigt haben, die den Streit abschließend regelt. In solchen Fällen ist die Auslegung stärker an den genauen Wortlaut gebunden.

Abgrenzung zu Unterlassungstiteln

Ein Unterlassungsvertrag unterscheidet sich von einem gerichtlichen Unterlassungstitel. Während ein gerichtlicher Titel streng nach seinem Wortlaut ausgelegt wird, erlaubt ein vertraglicher Unterlassungsvertrag eine flexiblere Interpretation.

  • Gerichtlicher Titel: Begrenzt auf die exakt bezeichnete Verletzungsform.
  • Unterlassungsvertrag: Regelmäßig weiter ausgelegt, um gleichartige Verletzungsformen zu erfassen.

Bedeutung der begleitenden Dokumente

Abmahnschreiben

Das Abmahnschreiben, das der Unterlassungsverpflichtung zugrunde liegt, ist ein wichtiger Hinweis auf den Willen der Parteien. Es definiert den Rahmen des beanstandeten Verhaltens und gibt Aufschluss über die beabsichtigte Reichweite der Verpflichtung.

Korrespondenz der Parteien

Die Kommunikation zwischen den Parteien im Vorfeld des Vertragsabschlusses gibt zusätzliche Hinweise auf die Interessen und Absichten der Beteiligten. Diese Dokumente werden herangezogen, um den tatsächlichen Willen der Parteien zu ermitteln.

Gerichtliche Entscheidungen zur Auslegung

BGH-Urteil „Sekundenschnell“ (Az. I ZR 40/95)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Zweck eines Unterlassungsvertrages regelmäßig dafür spricht, auch im Kern gleichartige Verletzungsformen zu erfassen. Eine Beschränkung auf die genau bezeichnete Handlung ist nur dann anzunehmen, wenn dies klar vereinbart wurde.

BGH-Urteil „Kopfhörer-Kennzeichnung“ (Az. I ZR 224/13)

In diesem Urteil betonte der BGH, dass bei der Auslegung eines Unterlassungsvertrages auch die Wettbewerbsbeziehung und der Zweck der Vereinbarung berücksichtigt werden müssen.

OLG Nürnberg (Az. 3 U 458/21)

Das Oberlandesgericht Nürnberg hob hervor, dass das Abmahnschreiben und die anschließende Korrespondenz maßgeblich für die Auslegung einer Unterlassungsvereinbarung sind.

Beispiele für die Auslegung

Weite Auslegung

Ein Unternehmen verpflichtet sich, keine irreführenden Werbeaussagen wie „Testsieger 2023“ mehr zu verwenden. Auch ähnliche Aussagen wie „Marktführer 2023“, die denselben irreführenden Eindruck erwecken, fallen unter die Verpflichtung.

Enge Auslegung

Ein Vertrag untersagt ausdrücklich nur die Verwendung des Begriffs „100 % natürlich“. Eine Ausdehnung auf andere Begriffe, wie „rein biologisch“, ist nicht zulässig, da die Verpflichtung klar auf den spezifischen Begriff begrenzt wurde.

Die Auslegung von Unterlassungsverträgen orientiert sich an den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB). Der Wortlaut der Vereinbarung ist ein zentraler Anhaltspunkt, wird jedoch stets im Lichte der Umstände des Vertragsschlusses, des Zweckes der Verpflichtung und der Interessen der Parteien interpretiert. Die Verpflichtung umfasst regelmäßig nicht nur die konkret benannte Handlung, sondern auch gleichartige Verletzungsformen, sofern keine bewusste Einschränkung vereinbart wurde. Begleitende Dokumente wie das Abmahnschreiben und die Korrespondenz der Parteien spielen eine wesentliche Rolle, um den tatsächlichen Willen der Beteiligten zu ermitteln. Der flexible Charakter von Unterlassungsverträgen unterscheidet sie deutlich von streng auszulegenden gerichtlichen Unterlassungstiteln.

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Was passiert bei mehreren Verletzungen?

Die Frage, ob bei mehreren Verstößen gegen einen Unterlassungsvertrag eine oder mehrere Vertragsstrafen verwirkt werden, ist häufig Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen. Insbesondere bei wiederholten oder parallelen Verstößen im Internet ist die Abgrenzung zwischen einer einheitlichen Zuwiderhandlung und mehreren eigenständigen Verstößen von zentraler Bedeutung. Maßgeblich sind dabei der Vertragswortlaut, die rechtlichen Grundsätze zur natürlichen Handlungseinheit und die jeweilige Rechtsprechung.

Vertragswortlaut als Ausgangspunkt

Der Ausgangspunkt zur Klärung der Frage, ob mehrere Verstöße zu einer oder mehreren Vertragsstrafen führen, ist der Wortlaut des Unterlassungsvertrages. Häufig enthalten solche Verträge Formulierungen wie „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“. Dies deutet darauf hin, dass jeder einzelne Verstoß als eigenständige Vertragsverletzung behandelt wird.

Rechtsprechung:

Der BGH hat in seinem Urteil vom 09.07.2015 (Az. I ZR 224/13Kopfhörer-Kennzeichnung) klargestellt, dass der Wortlaut „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ grundsätzlich so auszulegen ist, dass auch mehrere Verstöße gesondert sanktioniert werden können. Allerdings kann dies eingeschränkt werden, wenn die Verstöße in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. In solchen Fällen können sie als eine einheitliche Handlung gewertet werden.

Die natürliche Handlungseinheit

Ein zentraler rechtlicher Grundsatz bei der Bewertung mehrerer Verstöße ist das Institut der natürlichen Handlungseinheit. Dieses Konzept dient dazu, Handlungen, die eng miteinander verbunden sind, zu einer einheitlichen Zuwiderhandlung zusammenzufassen.

Voraussetzungen:

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 17.07.2008, Az. I ZR 168/05Kinderwärmekissen) und weiteren Entscheidungen wie BGH, Beschluss vom 17.12.2020, Az. I ZB 99/19, setzt die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit voraus:

  1. Räumlich-zeitlicher Zusammenhang: Die Verstöße müssen in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang stehen.
  2. Äußerlich erkennbare Einheit: Für einen objektiven Betrachter muss ersichtlich sein, dass die Handlungen Teil eines einheitlichen Geschehensablaufs sind.
  3. Gegen dasselbe Verbot gerichtet: Die Verstöße müssen denselben Verbotsausspruch betreffen.

Beispiel aus der Rechtsprechung:

Das OLG München entschied (Urteil vom 23.10.2014, Az. 29 U 2626/14), dass Verstöße gegen Löschpflichten – etwa auf einer Webseite und einem Social-Media-Kanal – eine natürliche Handlungseinheit bilden können, wenn sie denselben Verbotsausspruch verletzen. Der Schuldner war verpflichtet, irreführende Werbeaussagen zu entfernen, und hatte dies sowohl auf der Webseite als auch auf Facebook unterlassen. Das Gericht sah die Verstöße als eine Handlungseinheit an, da sie Teil eines zusammengehörigen Vorgangs waren.

Keine natürliche Handlungseinheit bei unterschiedlichen Plattformen

Verstöße, die auf verschiedenen Plattformen begangen werden, führen in der Regel zu mehrfachen Vertragsstrafen, wenn die Handlungen keinen äußerlich erkennbaren Zusammenhang aufweisen.

Rechtsprechung:

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 29.08.2019, Az. I-2 U 44/18) hat entschieden, dass Rechtsverletzungen auf verschiedenen Plattformen wie Immobilienscout24, Google+, Facebook und YouTube keine natürliche Handlungseinheit bilden. Das Gericht stellte fest, dass die Verstöße auf den verschiedenen Plattformen für einen außenstehenden Betrachter nicht als einheitliches Tun erkennbar sind. Daher wurde für jeden Plattformverstoß eine separate Vertragsstrafe verhängt.

In einem vergleichbaren Fall (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.01.2022, Az. 6 W 106/21) entschied das Gericht jedoch, dass das Fortsetzen verbotener Geschäfte auf zwei Portalen (hier: bezahlte Rezensionen) als ein einheitliches Tun bewertet werden kann. Entscheidend war, dass die Handlungen denselben Kern hatten und auf denselben Zweck abzielten.

Fahrlässigkeit und zeitlicher Zusammenhang

Ein weiterer Aspekt ist die Frage, ob Verstöße, die durch fahrlässiges Verhalten und in engem zeitlichen Zusammenhang begangen wurden, als eine Zuwiderhandlung gewertet werden können.

Rechtsprechung:

Der BGH stellte im Urteil Kopfhörer-Kennzeichnung (Az. I ZR 224/13) klar, dass mehrere Verstöße, die aus demselben fahrlässigen Verhalten resultieren und zeitlich nicht zu weit auseinanderliegen, zusammengefasst werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verstöße auf derselben Pflichtverletzung beruhen und nicht auf bewusste oder voneinander unabhängige Entscheidungen zurückzuführen sind.

Beispiel: Ein Schuldner veröffentlicht eine rechtswidrige Werbeaussage auf mehreren Plattformen zur gleichen Zeit, da er die Verpflichtung zur Unterlassung nicht beachtet hat. In einem solchen Fall könnte eine einheitliche Vertragsstrafe verhängt werden, da die Verstöße auf demselben fahrlässigen Verhalten beruhen.

Verstöße gegen unterschiedliche Verpflichtungen

Verstöße, die verschiedene Unterlassungsverpflichtungen betreffen, können nicht zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden. Hier wird jede Verpflichtung gesondert betrachtet, da andernfalls der Zweck der Unterlassungserklärung – die Vermeidung spezifischer Rechtsverletzungen – unterlaufen würde.

Beispiel aus der Rechtsprechung:

Das OLG München entschied (Beschluss vom 26.04.2023, Az. 29 W 1697/21), dass Verstöße gegen mehrere unterschiedliche Verbotsaussprüche – etwa irreführende Werbung und die Verletzung von Markenrechten – jeweils eigenständig geahndet werden müssen. Das Gericht lehnte eine Zusammenfassung der Verstöße ab, da sie auf unterschiedlichen Verpflichtungen basierten.

Beispiele für die Praxis

Einheitliche Zuwiderhandlung

Ein Unternehmen veröffentlicht denselben irreführenden Werbeslogan auf seiner Webseite und auf Facebook. Beide Plattformen sind Teil einer Marketingkampagne, und die Veröffentlichung erfolgt gleichzeitig. Die Verstöße könnten als eine Zuwiderhandlung gewertet werden, da sie Teil eines einheitlichen Vorgangs sind.

Mehrfache Zuwiderhandlung

Ein Unternehmen verwendet denselben irreführenden Slogan auf verschiedenen Plattformen (z. B. Facebook, Google, YouTube) mit zeitlichem Abstand. Da die Handlungen unabhängig voneinander vorgenommen wurden, gelten sie als mehrere eigenständige Verstöße.

Verstöße gegen unterschiedliche Verpflichtungen

Ein Schuldner verletzt sowohl eine Verpflichtung zur Unterlassung irreführender Werbung als auch eine Verpflichtung zur Entfernung von Markenrechtsverletzungen. Da diese Verstöße unterschiedliche Verbote betreffen, wird jede Verletzung separat sanktioniert.

Die Frage, ob bei mehreren Verstößen gegen einen Unterlassungsvertrag eine oder mehrere Vertragsstrafen fällig werden, hängt entscheidend von der Art der Verstöße, dem räumlich-zeitlichen Zusammenhang und der Rechtsprechung ab:

  1. Natürliche Handlungseinheit: Liegt ein enger Zusammenhang zwischen den Verstößen vor, können sie als eine Zuwiderhandlung behandelt werden. Entscheidend sind räumliche, zeitliche und sachliche Kriterien.
  2. Keine Einheit bei unterschiedlichen Plattformen: Handlungen auf verschiedenen Plattformen gelten in der Regel als eigenständige Verstöße.
  3. Unterschiedliche Verpflichtungen: Verstöße gegen unterschiedliche Unterlassungsverpflichtungen können nicht zusammengefasst werden.

Die Rechtsprechung betont, dass der Einzelfall sorgfältig geprüft werden muss, um eine gerechte und sachgerechte Lösung zu finden.

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Wie hoch sind Vertragsstrafen?

Die Höhe von Vertragsstrafen wird in der Rechtsprechung auf Grundlage der individuellen Umstände des jeweiligen Falles festgelegt. Dabei sind Schwere, Art und Ausmaß der Zuwiderhandlung, die wirtschaftliche Bedeutung des Verstoßes sowie das Verhalten des Schuldners entscheidend. Die Rechtsprechung gibt zahlreiche Beispiele für ausgeurteilte Vertragsstrafen und die Kriterien, die dabei herangezogen wurden.

Maßgebliche Kriterien zur Bemessung der Vertragsstrafe

Die Gerichte stützen sich auf folgende Kriterien, um die Höhe der Vertragsstrafe zu bemessen (z. B. § 13a UWG und ständige Rechtsprechung):

  1. Art und Ausmaß der Zuwiderhandlung: Verstöße mit weitreichenden oder nachhaltigen Auswirkungen rechtfertigen höhere Strafen.
  2. Gefährlichkeit für den Gläubiger: Je gravierender die Beeinträchtigung der Rechte des Gläubigers, desto höher die Vertragsstrafe.
  3. Verschulden: Vorsätzliche Verstöße werden strenger geahndet als fahrlässige.
  4. Wirtschaftliche Stärke des Schuldners: Unternehmen mit höherer Marktstärke können höhere Strafen verkraften, und eine Abschreckung ist nur durch entsprechend hohe Beträge möglich.
  5. Wirtschaftliches Interesse des Schuldners: Verstößt der Schuldner aufgrund erheblicher Gewinne gegen die Unterlassungsverpflichtung, wird dies durch höhere Strafen sanktioniert.
Rechtsprechung zu ausgeurteilten Vertragsstrafen

Wettbewerbsrecht

  • BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12Vertragsstrafenklausel: Eine Vertragsstrafe von 25.000 Euro wurde für das Fortführen eines markenverletzenden Firmennamens als angemessen angesehen. Der Betrag reflektierte die nachhaltige Beeinträchtigung des Markeninhabers.
  • OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.08.2018, Az. 3 U 1138/18: Das Gericht legte für einen Wettbewerbsverstoß eine Vertragsstrafe zwischen 2.500 und 10.000 Euro als angemessen fest. In einem Fall wurde eine Vertragsstrafe von 5.100 Euro für einen Verstoß gegen das Arzneimittelwerberecht bestätigt, da sie geeignet war, die Wiederholungsgefahr auszuräumen.
  • OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2015, Az. 4 U 191/14: 4.000 Euro wurden für jeden Verstoß gegen die Preisangabenverordnung verhängt. Der Betrag wurde als ausreichend angesehen, um die Unterlassungsverpflichtung zu sichern.

Markenrecht

  • BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12: 25.000 Euro für das Weiterführen eines markenverletzenden Namens. Die Strafe war angemessen, da der Schaden für den Markeninhaber erheblich war und der Schuldner bewusst gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen hatte.
  • LG Bielefeld, Urteil vom 12.09.2014, Az. 10 O 40/14: Eine Vertragsstrafe von 25.000 Euro wurde wegen wiederholter Markenrechtsverletzungen verhängt.

Urheberrecht

  • OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.12.2013, Az. 11 W 27/13: Für die unerlaubte Verwendung eines urheberrechtlich geschützten Fotos wurde eine Vertragsstrafe von 1.500 Euro als angemessen angesehen. Die verhältnismäßig geringe Höhe berücksichtigte den kleinen Umfang des betroffenen Unternehmens.
  • OLG München, Urteil vom 07.11.2013, Az. 29 U 2019/13: Ein kleiner Musikalienhandel musste eine Vertragsstrafe von 1.500 Euro für die Nutzung geschützter Bilder zahlen. Die wirtschaftliche Größe des Unternehmens spielte hier eine zentrale Rolle.

Verstöße im Internet

  • OLG München, Beschluss vom 26.04.2023, Az. 29 W 1697/21: Für Verstöße auf Social-Media-Plattformen, die nicht eindeutig voneinander getrennt waren, wurde eine Vertragsstrafe von 24.000 Euro verhängt (10.000 Euro für den ersten Verstoß, 14.000 Euro für den zweiten).
  • LG Flensburg, Urteil vom 10.07.2020, Az. 6 HKO 42/19: Wiederholte Verstöße gegen eine Unterlassungserklärung wegen irreführender Werbung führten zu einer Strafe von 30.000 Euro. Der hohe Betrag reflektierte die Hartnäckigkeit des Schuldners.

Impressumsverstöße

  • LG Essen, Urteil vom 03.06.2020, Az. 44 O 34/19: Eine Vertragsstrafe von 3.000 Euro wurde wegen eines fehlerhaften Impressums verhängt.
  • LG Memmingen, Urteil vom 18.07.2018, Az. 1 HK O 137/18: Eine Vertragsstrafe von 4.000 Euro wurde für Impressumsfehler als angemessen angesehen, um den Verstoß zukünftig zu verhindern.

Besondere Fälle

Fortsetzung verbotener Geschäftspraktiken

  • OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.01.2022, Az. 6 W 106/21: Verstöße gegen eine Unterlassungserklärung durch das Betreiben bezahlter Rezensionen auf zwei Plattformen wurden als ein einheitliches Tun gewertet. Die Vertragsstrafe wurde auf 20.000 Euro festgesetzt.

Geringfügige Verstöße

  • OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.08.2009, Az. 1 W 37/09: Beträge unter 2.000 Euro wurden als nicht ausreichend angesehen, um die Wiederholungsgefahr bei kleineren Unternehmen zu beseitigen.

Hohe Strafen bei wiederholten Verstößen

  • OLG Brandenburg, Urteil vom 18.02.2020, Az. 6 U 19/19: Bei mehrfacher Verteilung von Flyern, die gegen eine Unterlassungserklärung verstießen, wurden insgesamt 35.000 Euro Vertragsstrafe verhängt.

Richtwerte aus der Rechtsprechung

Die Rechtsprechung bietet grobe Richtwerte, die je nach den Umständen des Einzelfalls angepasst werden:

  1. Geringe Verstöße (z. B. kleinere Wettbewerbsverstöße, Impressumsfehler): 2.500 – 5.000 Euro.
  2. Normale Verstöße (z. B. einmalige Markenverletzung, irreführende Werbung): 5.000 – 15.000 Euro.
  3. Schwere Verstöße (z. B. bewusste Markenverletzung, wiederholte Verstöße): 20.000 – 50.000 Euro.
  4. Wiederholte oder hartnäckige Verstöße: 50.000 Euro oder mehr.

Die Höhe einer Vertragsstrafe richtet sich nach den individuellen Umständen des Falls und muss sowohl abschreckend wirken als auch verhältnismäßig sein. Die Rechtsprechung bietet eine Orientierung, wie Gerichte verschiedene Verstöße bewerten:

  • BGH, OLG und LG-Entscheidungen zeigen eine Bandbreite von Vertragsstrafen, die von wenigen Tausend Euro bis zu sechsstelligen Beträgen reichen.
  • Die wirtschaftliche Stärke des Schuldners und die Schwere der Beeinträchtigung des Gläubigers sind entscheidende Faktoren.
  • Gerichte setzen auf differenzierte Abwägungen, um eine Wiederholungsgefahr zu vermeiden und die Rechtsordnung durchzusetzen.

Die detaillierten Urteile verdeutlichen, dass eine pauschale Bemessung der Vertragsstrafe nicht möglich ist. Vielmehr ist stets eine Einzelfallprüfung notwendig.

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Kann man Vertragsstrafen herabsetzen?

Im kaufmännischen Verkehr bestimmt § 348 HGB, dass Vertragsstrafen, die ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen hat, nicht nach § 343 BGB herabgesetzt werden können. Das bedeutet, dass Kaufleute grundsätzlich an ihre Vertragsstrafenversprechen gebunden sind, selbst wenn diese unverhältnismäßig hoch erscheinen.

Allerdings gibt es Ausnahmen:

  • Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB): Der BGH hat klargestellt, dass eine Herabsetzung dennoch möglich ist, wenn die Vertragsstrafe in einem außerordentlichen Missverhältnis zur Bedeutung des Verstoßes steht. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Strafe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners massiv beeinträchtigt oder den Vertragszweck weit übersteigt.

Rechtsprechung:

  1. BGH, Urteil vom 17.07.2008, Az. I ZR 168/05 – Kinderwärmekissen: In diesem Fall entschied der BGH, dass eine Vertragsstrafe trotz § 348 HGB herabgesetzt werden kann, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann somit auch im kaufmännischen Verkehr eine Korrektur ermöglichen.
  2. BGH, Urteil vom 25.10.2012, Az. I ZR 169/10 – Einwilligung in Werbeanrufe II: Auch hier wurde entschieden, dass eine überhöhte Vertragsstrafe, die offenkundig unangemessen ist, herabgesetzt werden kann. Das Gericht betonte jedoch, dass solche Fälle die Ausnahme bleiben müssen.

Herabsetzung nach § 343 BGB (außerhalb des Kaufmännischen Verkehrs)

Außerhalb des kaufmännischen Verkehrs erlaubt § 343 BGB eine Herabsetzung einer Vertragsstrafe durch das Gericht, wenn diese unverhältnismäßig hoch ist. Das Gericht nimmt dabei eine Abwägung vor, bei der die Interessen beider Parteien berücksichtigt werden.

Kriterien für die Herabsetzung:

  • Schwere des Verstoßes: Die Strafe muss in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Zuwiderhandlung stehen.
  • Gefährlichkeit des Verstoßes für den Gläubiger: Je gravierender die Beeinträchtigung für den Gläubiger, desto höher darf die Strafe sein.
  • Verschulden des Schuldners: Vorsätzliche Verstöße rechtfertigen höhere Strafen als fahrlässige.
  • Wirtschaftliche Verhältnisse des Schuldners: Die Strafe darf den Schuldner nicht existenziell gefährden.

Rechtsprechung:

  1. BGH, Urteil vom 08.05.2014, Az. I ZR 210/12 – fishtailparka: Der BGH stellte klar, dass eine Herabsetzung nur erfolgt, wenn die festgelegte Vertragsstrafe „offensichtlich unbillig“ ist. Das Gericht prüft dabei lediglich, ob die Strafe angemessen ist, und ersetzt nicht die Entscheidung des Gläubigers.
  2. LG Hamburg, Urteil vom 12.10.2012, Az. 408 HKO 12/12: Eine Vertragsstrafe von 10.000 Euro wurde auf 3.000 Euro reduziert, da sie die Schwere des Verstoßes übermäßig sanktionierte.

Herabsetzung bei Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)

Vertragsstrafenklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unterliegen der Kontrolle nach § 307 BGB. Sie können herabgesetzt oder sogar für unwirksam erklärt werden, wenn sie den Schuldner unangemessen benachteiligen.

Kriterien für die Inhaltskontrolle:

  • Unverhältnismäßigkeit: Eine pauschale Vertragsstrafe, die unabhängig von der Schwere des Verstoßes gilt, kann unwirksam sein.
  • Ungerechtfertigte Benachteiligung: Wenn die Vertragsstrafe den Gläubiger unverhältnismäßig bevorzugt, ist sie unwirksam.

Rechtsprechung:

  1. BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12 – Vertragsstrafenklausel: Eine Vertragsstrafe in AGB, die auf den ersten Blick außer Verhältnis zur Bedeutung des Verstoßes steht, kann nach § 307 BGB überprüft und herabgesetzt werden.
  2. BGH, Urteil vom 20.01.2016, Az. VIII ZR 26/15: Eine pauschale Vertragsstrafe von 50.000 Euro pro Verstoß wurde für unwirksam erklärt, da sie unabhängig von der Schwere des Verstoßes galt.

Der Hamburger Brauch: Gerichtliche Billigkeitskontrolle

Beim Hamburger Brauch wird die Vertragsstrafe zunächst vom Gläubiger festgelegt. Der Schuldner kann jedoch die Angemessenheit der Vertragsstrafe gerichtlich überprüfen lassen.

  • Das Gericht prüft die Billigkeit der Strafe, jedoch ohne eine eigenständige Festsetzung vorzunehmen.
  • Nur wenn die Vertragsstrafe offensichtlich unbillig ist, kann das Gericht die Höhe korrigieren.

Rechtsprechung:

  1. LG Düsseldorf, Urteil vom 07.12.2017, Az. 37 O 31/17: Das Gericht lehnte eine eigene Festsetzung der Vertragsstrafe ab, überprüfte jedoch die Angemessenheit der vom Gläubiger festgelegten Höhe.
  2. OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2015, Az. 4 U 191/14: Die Prüfung der Vertragsstrafe erfolgte unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit. Das Gericht bestätigte die Angemessenheit einer Strafe von 4.000 Euro.

Grenzen der Herabsetzung

Eine Herabsetzung von Vertragsstrafen ist nicht in allen Fällen möglich:

  • Im kaufmännischen Verkehr: § 348 HGB schließt die Anwendung von § 343 BGB aus, es sei denn, die Vertragsstrafe verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
  • Individuell ausgehandelte Strafen: Bei individuell vereinbarten Vertragsstrafen ist die Herabsetzung schwieriger, da hier die Vertragsfreiheit der Parteien Vorrang hat.

Eine Herabsetzung von Vertragsstrafen ist in bestimmten Fällen möglich, hängt jedoch von der rechtlichen Grundlage und den Umständen des Einzelfalls ab. Während im kaufmännischen Verkehr Einschränkungen durch § 348 HGB bestehen, kann eine überhöhte Vertragsstrafe dennoch durch § 242 BGB herabgesetzt werden. In anderen Fällen stehen § 343 BGB und § 307 BGB zur Verfügung, um unverhältnismäßige Strafen zu korrigieren.

Die Rechtsprechung zeigt, dass Gerichte zurückhaltend mit Herabsetzungen umgehen und dies nur bei einer offensichtlichen Unverhältnismäßigkeit vornehmen. Schuldner sollten daher Vertragsstrafen genau prüfen und gegebenenfalls frühzeitig rechtlichen Rat einholen, um überhöhte Belastungen zu vermeiden.

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Welches Gericht ist bei Klagen wegen Vertragstrafen zuständig?

Die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit bei Klagen wegen Vertragsstrafen hängt von mehreren Faktoren ab: dem sachlichen Hintergrund der Forderung, der Höhe des Streitwerts und dem materiell-rechtlichen Kontext (z. B. Wettbewerbsrecht, Urheberrecht, allgemeines Vertragsrecht). Entscheidend ist die Unterscheidung zwischen der sachlichen Zuständigkeit (ob Amts- oder Landgericht zuständig ist) und der örtlichen Zuständigkeit (an welchem Gericht die Klage erhoben werden kann).

Sachliche Zuständigkeit

Vertragsstrafen aus Wettbewerbsrecht (§ 13 UWG)

Für Vertragsstrafeansprüche, die aus Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) resultieren, sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG ausschließlich die Landgerichte sachlich zuständig – unabhängig von der Höhe der Vertragsstrafe.

  • Relevante Rechtsprechung:
    • BGH, Beschluss vom 19.10.2016, Az. I ZR 93/15: Der BGH stellte klar, dass die sachliche Zuständigkeit der Landgerichte für Vertragsstrafeansprüche aus dem UWG auch bei Streitwerten unter 5.001 Euro gilt.
    • OLG Schleswig, Urteil vom 09.04.2015, Az. 6 U 57/13: Untermauerte die exklusive Zuständigkeit der Landgerichte für UWG-Vertragsstrafen.
    • LG Mannheim, Beschluss vom 28.04.2015, Az. 2 O 46/15: Auch bei geringfügigen Vertragsstrafenforderungen aus dem UWG sind die Landgerichte zuständig.

Vertragsstrafen aus allgemeinem Vertragsrecht

Wenn die Vertragsstrafe nicht auf einem spezialgesetzlichen Anspruch (z. B. UWG, UrhG) beruht, richtet sich die Zuständigkeit nach der Höhe des Streitwerts gemäß § 23 Nr. 1 GVG:

  • Streitwert bis 5.000 Euro: Zuständigkeit des Amtsgerichts.
  • Streitwert über 5.000 Euro: Zuständigkeit des Landgerichts.

Urheberrechtliche Vertragsstrafen

Bei urheberrechtlichen Vertragsstrafen gelten keine Sonderregelungen hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit. Sie richtet sich daher nach dem Streitwert:

  • Beträgt der Streitwert mehr als 5.000 Euro, ist das Landgericht zuständig.
  • Liegt der Streitwert darunter, entscheidet das Amtsgericht.

Örtliche Zuständigkeit

Vertragsstrafen aus UWG-Verstößen: Fliegender Gerichtsstand

Der fliegende Gerichtsstand gilt bei UWG-Verstößen, wenn die Vertragsstrafe auf einer Rechtsverletzung beruht, die überregional wahrnehmbar ist (z. B. über das Internet). Der Gläubiger kann in diesem Fall wählen, an welchem Landgericht er Klage erhebt.

  • BGH, Beschluss vom 19.10.2016, Az. I ZR 93/15: Der fliegende Gerichtsstand ist bei Vertragsstrafen aus UWG-Verstößen anwendbar, da die Verletzungshandlung an jedem Ort als eingetreten gilt, wo die Handlung bestimmungsgemäß wahrgenommen wurde.

Urheberrechtliche Vertragsstrafen: Kein fliegender Gerichtsstand

Das LG Köln entschied, dass der fliegende Gerichtsstand bei Vertragsstrafen aus urheberrechtlichen Ansprüchen nicht gilt. Der Ort, an dem die Klage erhoben werden kann, richtet sich nach den allgemeinen Regelungen der §§ 12 ff. ZPO (Wohnsitz oder Geschäftssitz des Beklagten).

  • LG Köln, Urteil vom 23.03.2023, Az. 14 O 287/22: Das Gericht stellte fest, dass eine Vertragsstrafe aus einem urheberrechtlichen Verstoß nicht unter die Sonderregelungen des Urheberrechtsgesetzes (§§ 104 ff. UrhG) fällt.

Allgemeine Vertragsstrafen: Grundsatz des allgemeinen Gerichtsstands

Für Vertragsstrafen aus allgemeinem Vertragsrecht gilt der Grundsatz des allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten (§ 12 ZPO). Dies bedeutet, dass die Klage grundsätzlich am Wohnsitz oder Geschäftssitz des Beklagten zu erheben ist.

Besondere Fälle

Mehrere Beklagte

Wenn mehrere Beklagte in Anspruch genommen werden, kann die Klage gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch an einem gemeinsamen Gerichtsstand erhoben werden, wenn die Ansprüche in einem engen Zusammenhang stehen.

Internationale Zuständigkeit

Handelt es sich um einen grenzüberschreitenden Fall innerhalb der EU, bestimmt sich die Zuständigkeit nach der Brüssel-Ia-Verordnung (EuGVVO). Hierbei gilt:

  • Vertragsverletzungen: Klage am Wohnsitz des Beklagten oder am Ort der Pflichtverletzung möglich.
  • Wettbewerbsrechtliche Verstöße: Klage am Ort des Schadenseintritts (oft der Markt des Gläubigers).

Die Zuständigkeit bei Klagen wegen Vertragsstrafen hängt von der Art der Forderung und dem rechtlichen Kontext ab:

  1. Sachliche Zuständigkeit:
    • Bei Vertragsstrafen aus dem Wettbewerbsrecht (UWG) sind immer die Landgerichte zuständig, unabhängig vom Streitwert.
    • Im allgemeinen Vertragsrecht richtet sich die Zuständigkeit nach dem Streitwert: Bis 5.000 Euro Amtsgericht, darüber Landgericht.
    • Für urheberrechtliche Vertragsstrafen gelten keine besonderen Regelungen, sie orientieren sich ebenfalls am Streitwert.
  1. Örtliche Zuständigkeit:
    • Bei UWG-Verstößen gilt der fliegende Gerichtsstand, sodass der Gläubiger zwischen verschiedenen Landgerichten wählen kann.
    • Für urheberrechtliche Vertragsstrafen und allgemeine Vertragsstrafen richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz des Beklagten (§ 12 ZPO).

Die genaue Prüfung der Zuständigkeit ist essenziell, da eine unzuständige Gerichtswahl die Klage abweisen kann. Gläubiger sollten daher sorgfältig abwägen, wo sie Klage erheben, insbesondere bei überregionalen Verstößen.

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Gibt es eine Rechtsnachfolge bei Vertragsstrafen?

Die Rechtsnachfolge bei Vertragsstrafen ist ein komplexes Thema, das davon abhängt, ob und wie ein Unternehmen oder Teile davon übertragen wurden. Entscheidend sind dabei die Art der Unternehmensübertragung (z. B. Asset Deal oder Share Deal) und die rechtliche Grundlage der Vertragsstrafe. Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen der Übertragung gesetzlicher und vertraglicher Unterlassungsverpflichtungen.

Rechtsnachfolge bei strafbewehrten Unterlassungserklärungen

Unternehmensübertragung gemäß § 25 HGB

Nach § 25 HGB haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts grundsätzlich für Verbindlichkeiten des früheren Inhabers, wenn das Unternehmen unter der bisherigen Firma fortgeführt wird. Dies umfasst auch strafbewehrte Unterlassungserklärungen, die der Rechtsvorgänger abgegeben hat.

  • Rechtsprechung:
    • LG Berlin, Urteil vom 02.04.2012, Az. 52 O 123/11: Der Erwerber eines Unternehmens musste eine vom Rechtsvorgänger abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung gegen sich gelten lassen. Bei einem Verstoß war er verpflichtet, die Vertragsstrafe zu zahlen.

Gesamtrechtsnachfolge nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG

Bei Gesamtrechtsnachfolge (z. B. im Rahmen einer Verschmelzung) geht die vertragliche Unterlassungsverpflichtung auf den Rechtsnachfolger über. Dies ergibt sich aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG.

  • Wiederholungsgefahr: Die Wiederholungsgefahr entfällt in der Regel nicht automatisch durch den Übergang auf den Rechtsnachfolger. Voraussetzung ist, dass die Unterlassungsverpflichtung den Rechtsnachfolger tatsächlich bindet und dieser klarstellt, dass er die Verpflichtung ernsthaft anerkennt.
  • Rechtsprechung:
    • OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.01.2014, Az. 6 U 135/10: Das Gericht betonte, dass die Wiederholungsgefahr nur dann entfällt, wenn die vertragliche Verpflichtung geeignet ist, den Rechtsnachfolger ernsthaft von weiteren Verstößen abzuhalten. Der Rechtsnachfolger muss erkennbar machen, dass die vertragliche Unterlassungserklärung auch für ihn gilt.

Asset Deal: Keine automatische Übertragung

Im Gegensatz zur Gesamtrechtsnachfolge führt ein Asset Deal (Einzelrechtsnachfolge) nicht automatisch dazu, dass die Verpflichtungen aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf den Erwerber übergehen.

  • Schuldübernahme nach § 415 BGB: Für eine Übertragung der Vertragsstrafeverpflichtung ist eine ausdrückliche oder konkludente Schuldübernahme erforderlich, die der Gläubiger genehmigen muss.
  • Rechtsprechung:
    • LG Köln, Urteil vom 14.09.2022, Az. 14 O 225/21: Das Gericht entschied, dass ein Unternehmen, das im Rahmen eines Asset Deals bestimmte Rechte erwirbt, nicht automatisch für Vertragsstrafen aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Veräußerers haftet. Ohne Schuldübernahme nach § 415 BGB haftet der Erwerber nicht.

Urheberrechtliche Besonderheiten

Im Urheberrecht gibt es keine spezifische Regelung, die die Haftung für Vertragsstrafen auf einen Erwerber überträgt. Das Unterlassungsversprechen ist keine übertragbare Rechtsposition, die mit dem Werk „verhaftet“ wäre.

  • Rechtsprechung:
    • LG Köln, Urteil vom 14.09.2022, Az. 14 O 225/21: Eine Vertragsstrafeverpflichtung, die sich auf die Nichtverwendung eines bestimmten Lichtbildes bezieht, wurde nicht auf den Erwerber übertragen, da diese Verpflichtung keine Nutzungsrechte betrifft. Der Erwerber haftet nicht allein aufgrund der Übergabe des Lichtbildes.

Unterschiede zwischen gesetzlicher und vertraglicher Verpflichtung

Gesetzliche Unterlassungsverpflichtung

Eine gesetzliche Unterlassungsverpflichtung entsteht durch gerichtliche Entscheidungen oder gesetzliche Vorschriften. Sie ist an die Person des Verpflichteten gebunden und geht nicht ohne Weiteres auf einen Rechtsnachfolger über.

Vertragliche Unterlassungsverpflichtung

Vertragliche Unterlassungsverpflichtungen (z. B. aus einer Abmahnung) können hingegen im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge übergehen. Voraussetzung ist, dass der Rechtsnachfolger die Verpflichtung anerkennt und sie geeignet ist, Wiederholungsgefahr auszuräumen.

Voraussetzungen für die Haftung des Rechtsnachfolgers

Damit ein Rechtsnachfolger für eine Vertragsstrafe haftet, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Übergang der Verpflichtung:
    • Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge: automatische Übertragung.
    • Im Fall der Einzelrechtsnachfolge: Schuldübernahme nach § 415 BGB erforderlich.
  2. Anerkennung durch den Rechtsnachfolger:
    • Der Rechtsnachfolger muss erkennbar machen, dass er die Verpflichtung akzeptiert.
  3. Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen:
    • Im Wettbewerbsrecht: Anwendung von § 25 HGB oder § 131 UmwG.
    • Im Urheberrecht: Keine automatische Haftung ohne ausdrückliche Schuldübernahme.

Die Rechtsnachfolge bei Vertragsstrafen hängt stark von der Art der Unternehmensübertragung und den zugrunde liegenden rechtlichen Rahmenbedingungen ab:

  • Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Verschmelzung): Die Verpflichtung aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung geht gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG automatisch auf den Rechtsnachfolger über.
  • Einzelrechtsnachfolge (Asset Deal): Eine Übertragung erfolgt nur bei einer Schuldübernahme nach § 415 BGB, die der Gläubiger genehmigen muss.
  • Wettbewerbsrecht (§ 25 HGB): Bei der Übertragung eines Handelsgeschäfts haftet der Erwerber für Vertragsstrafen aus strafbewehrten Unterlassungserklärungen, sofern das Unternehmen unter der bisherigen Firma fortgeführt wird.
  • Urheberrecht: Es erfolgt keine automatische Haftung für Vertragsstrafen, da diese nicht an ein Werk „anhaften“. Der Erwerber haftet nur bei ausdrücklicher Übernahme der Verpflichtung.

Die sorgfältige Prüfung des Rechtsnachfolgeverhältnisses ist essenziell, um mögliche Haftungsrisiken zu vermeiden oder bestehende Ansprüche durchzusetzen.

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Sind Anwaltskosten bei Geltendmachung einer Vertragsstrafe ersatzfähig?

Die Ersatzfähigkeit von Anwaltskosten im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Vertragsstrafe ist ein häufiger Streitpunkt in der Praxis. Die Rechtsprechung differenziert hierbei klar zwischen vertraglichen Zahlungsansprüchen, wie einer Vertragsstrafe, und Schadensersatzansprüchen, bei denen die Rechtsverfolgungskosten unter bestimmten Voraussetzungen ersatzfähig sein können. Nach der geltenden Rechtslage und Rechtsprechung sind Anwaltskosten bei der Geltendmachung einer Vertragsstrafe in der Regel nicht erstattungsfähig.

Grundsatz: Vertragsstrafenanspruch als vertraglicher Zahlungsanspruch

Ein Vertragsstrafenanspruch ist ein vertraglicher Zahlungsanspruch und kein Schadensersatzanspruch. Daraus ergibt sich, dass die Kosten, die durch die Beauftragung eines Anwalts zur Durchsetzung der Vertragsstrafe entstehen, nicht ohne Weiteres vom Schuldner ersetzt werden müssen.

Rechtsprechung:

  • OLG Brandenburg, Urteil vom 18.02.2020, Az. 6 U 19/19: Vorgerichtliche Anwaltskosten für die Aufforderung zur Zahlung der Vertragsstrafe sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Diese Kosten stehen nicht im Zusammenhang mit der Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs, sondern betreffen ausschließlich die Durchsetzung eines vertraglichen Zahlungsanspruchs.
  • BGH, Urteil vom 08.05.2008, Az. I ZR 88/06: Anwaltskosten können nicht als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 BGB verlangt werden, da es sich bei der Vertragsstrafe nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt. Die Beauftragung eines Anwalts zur Zahlungsaufforderung erfolgt in einem Zeitpunkt, in dem der Schuldner in der Regel noch nicht in Verzug ist.

Kein Schadensersatzanspruch durch Verzug (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB)

Ein Schadensersatzanspruch für die Anwaltskosten könnte nur dann bestehen, wenn der Schuldner sich zum Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts bereits im Verzug befunden hätte. Dafür müsste der Schuldner:

  1. Bereits zur Zahlung der Vertragsstrafe verpflichtet sein und
  2. eine ordnungsgemäße Mahnung oder Fristsetzung erhalten haben.

Da Anwaltskosten oft schon bei der ersten Zahlungsaufforderung entstehen, fehlt es in diesem Zeitpunkt regelmäßig an einem Verzug. Ein Verzug könnte erst durch die Nichtzahlung nach der Zahlungsaufforderung eintreten.

Kein Anspruch nach dem UWG (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG)

Bei Vertragsstrafen, die aus Wettbewerbsverstößen resultieren, wird häufig diskutiert, ob § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (Erstattung der Kosten einer berechtigten Abmahnung) analog angewendet werden kann. Die Rechtsprechung lehnt dies jedoch ab:

  • BGH, Urteil vom 08.05.2008, Az. I ZR 88/06: Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke im UWG, die eine analoge Anwendung von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG rechtfertigen würde. Die Vorschrift betrifft ausschließlich die Abmahnung als Instrument zur Verhinderung von Wettbewerbsverstößen, nicht aber die Geltendmachung vertraglicher Zahlungsansprüche wie Vertragsstrafen.
  • OLG Brandenburg, Urteil vom 18.02.2020, Az. 6 U 19/19: Der Gesetzgeber hat sich bewusst darauf beschränkt, nur die Kosten der Abmahnung als erstattungsfähig zu regeln. Eine Erweiterung auf Vertragsstrafen würde den Regelungsrahmen des UWG überschreiten.

Kein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683, 670 BGB

Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß den Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) scheidet ebenfalls aus. Hierfür wäre erforderlich, dass der Gläubiger ein Geschäft des Schuldners führt. Dies ist bei der Geltendmachung einer Vertragsstrafe nicht der Fall, da der Gläubiger hier ausschließlich eigene Rechte verfolgt.

  • BGH, Urteil vom 08.05.2008, Az. I ZR 88/06: Der Gläubiger handelt bei der Aufforderung zur Zahlung der Vertragsstrafe ausschließlich in eigenem Interesse. Es fehlt somit an dem notwendigen Fremdgeschäftsführungswillen, der für einen Anspruch nach §§ 677 ff. BGB erforderlich wäre.

Vorgerichtliche Anwaltskosten für die Geltendmachung einer Vertragsstrafe sind grundsätzlich nicht ersatzfähig. Die Rechtsprechung begründet dies wie folgt:

  1. Kein Schadensersatzanspruch: Vertragsstrafen sind vertragliche Zahlungsansprüche und keine Schadensersatzansprüche, sodass Rechtsverfolgungskosten nicht nach §§ 280, 286 BGB ersatzfähig sind, solange kein Verzug vorliegt.
  2. Keine analoge Anwendung von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG: Die Erstattungsfähigkeit beschränkt sich auf Abmahnkosten, nicht auf die Geltendmachung von Vertragsstrafen.
  3. Keine Aufwendungsersatzansprüche: Ein Anspruch nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag scheitert am fehlenden Fremdgeschäftsführungswillen des Gläubigers.

Praktische Konsequenz:

Gläubiger, die eine Vertragsstrafe geltend machen möchten, müssen die Kosten für eine anwaltliche Zahlungsaufforderung in der Regel selbst tragen. Ersatzfähig sind Anwaltskosten erst, wenn der Schuldner in Verzug gerät oder ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wird.

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